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Corporate Governance

Wieder ein Börsentag vorbei und wieder stehen rote 2% auf meiner DAX-Uhr. Das Handelsblatt zieht „Schadensbilanz“ und sieht die in Italien nun durch das Virus ausgebrochene Lungenkrankheit „COVID 19“ als Ursache für den erneuten „Krisenmodus“ der Märkte. Schön ist das alles natürlich nicht, aber auch ich bin ich der Ansicht, dass diese Krise irgendwann vorbei geht und man, also ich einen kühlen Kopf bewahren sollte. Daher ist mir heute (oder war es gestern?) ein Gedanke durch den Kopf geschossen, den ich mal niederschreiben wollte.

Im Zusammenhang mit ein paar Ereignissen der letzen Monate habe ich mich gefragt, welche Möglichkeit ich als durchschnittlicher Kleinaktionär habe, Einfluss auf das Management eines „meiner“ Unternehmen auszuüben. Diese Frage war für mich deshalb relevant, weil die Aktionär-Management-Beziehung eine so wichtige Position beispielsweise in Grahams „The intelligent investor“ einnimmt.

Nach Graham kann man das Thema nämlich aus drei Richtungen betrachten: 1. Die Rechte des Aktionärs (auf dem Papier); 2. Die Rechte des Aktionärs, die er tatsächlich auch praktisch ausübt (in der Praxis) und 3. Die Behandlung des Aktionärs durch das Management.

Da 1. zwar ganz schön und wichtig ist, für mich als Minderheitsaktionär aber regelmäßig irrelevant bleibt, fällt 2. natürlich auch komplett weg. Bei 3. freue ich mich, wenn das Management mich als Miteigentümer pampert, aber beeinflussen kann ich das nicht wirklich.

Somit reduziert Graham das Thema Aktionär-Management-Beziehung auf zwei Fragen:

A. Is the management reasonably efficient?

B. Are the interests of the average outside stockholder receiving proper recognition?

Benjamin Graham, „the intelligent investor“, kapitel XIV

So! Und an dieser Stelle nun ein paar Ereignisse der letzten Monate, die die diese Angelegenheit etwas illustrieren sollen.

Corporate Governance seit 2002

Nun gibt es zwar allgemeine Gesetze (ja, auch für Unternehmen) und Gesetze, sind, von der Idee her, einzuhalten. Allerdings gab es wohl um das Jahr 2000 herum einige Unternehmen, die im Rahmen der DOT-Com-Welle einige Gesetze, insbesondere bei der Finanzberichterstattung, verletzt haben sollen und somit sah man sich gezwungen, den Sarbanes-Oxley-Act ins Leben zu rufen, der nochmal klar stellte, das der Gesetzgeber es mit den Pflichten für öffentliche AGs doch ernst meint.

Seitdem befindet sich gefühlt in jedem Geschäftsbericht ein eigenes „Corporate Governance“ Kapitel, in dem die Geschäftsführung („das Management“) lang und breit erklärt, wie toll es doch die entsprechenden Regularien einhält. Ein Kapitel, welches ich regelmäßig überblättere, weil ja wohl kaum jemand auf die die Idee kommen würde, seine unlauteren Absichten in so einen Bericht zu packen.

Aber: heute will ich mal genauer hinsehen!

Schloss Wachenheim AG

In ihrem Geschäftsbericht 2018/2019 berichtet die SWA auf Seite 7, dass sie sich an den „Deutschen Corporate Governance Kodex“ hält. Das liest sich dann so:

Die nach Ziffer 5.6 des DCGK empfohlene Effizienzprüfung wurde im Wege einer situativen Selbstprüfung im September 2018 durchgeführt. Schwerpunkte der Prüfung waren die Information des Aufsichtsrats, Behandlung potentieller Interessenkonflikte, Corporate Governance, Personalkompetenz, Unternehmensstrategie, Risikomanagement und Rechnungslegung.

SWA-Geschäftsbericht 2018/2019, Seite 7

Ach guck: „situative Selbstprüfung“. Das Ende vom Lied klingt dann übrigens so:

Gemeinsam mit dem Vorstand wurde die Einhaltung der Bestimmungen des DCGK erörtert. Die Schloss Wachenheim AG hat das Regelwerk des DCGK im Konzern weitestgehend umgesetzt und eingehalten.

SWA-Geschäftsbericht 2018/2019, Seite 8

Ach guck: „weitestgehend umgesetzt und eingehalten“. Na dann kann ich ja nur hoffen, das dabei die für mich relevanten Dinge eingehalten und umgesetzt wurden und nicht nur die, die mich überhaupt nicht tangieren (also als Aktionär jetzt). Aber hat dieser Bericht nur wirklich eine Relevanz für meine Aktienkauf- oder -verkaufentscheidung?

Für die in meiner letzten Glosse erwähnten Halbjahreszahlen 2019/2020 ist der DCGK sicherlich nicht verantwortlich.

Mineralbrunnen AG

Im Gegensatz dazu verzichtet die Mineralbrunnen AG in ihrem Geschäftsbericht für 2018 gänzlich auf den Begriff „Corporate Governance“. Sie entschied sich also offensichtlich dafür, sich nicht an den DCGK halten. Ja, was soll ich nun dazu sagen? Ist das nun gut oder schlecht? Will das Management etwas verbergen? Kann ich dem Management überhaupt vertrauen, wenn es nicht mal so einen simplen Kodex freiwillig einhält?

Nun hat die Mineralbrunnen AG am 16.12.2019 ein öffentliches Aktienrückkaufangebot für Stammaktien vorgelegt, um bis zu 210.000 Stück davon zu erwerben. Dies hatte das Unternehmen bereits ein Jahr zuvor, am 7.12.2018 für insgesamt 285.000 Stammaktien so praktiziert. Aber ist das in Bezug auf die erste Frage Grahams („Efficiency of Management“) ein begründet effizienter Einsatz der Mittel der AG? Viellicht kungelt das Management da irgendwas mit dem Hauptanteilseigner („inside stockholder“ im Gegensatz zu Grahams „outside stockholder“) aus, auf das ich sowieso keinen Einfluss habe.

GBK Beteiligungen

Und nun nochmal zurück zur GBK Beteiligungen AG. Wie ich bereits erwähnte, ist nun ein Portfoliounternehmen der GBK pleite gegangen. Ich bin überzeugt davon, und das ist meine ganz subjektive Meinung als optimistischer Menschenfreund, dass der seit 2006 agierende CEO Christian Schopp das so nicht beabsichtigt hat. Vielleicht hat er einfach nur auf einen „Turnaround“ spekuliert und dabei eben ins Klo gegriffen.

Im 2018er Geschäftsbericht klingt die Geschäftsentwicklung von GETI noch ziemlich „planmäßig“:

Seit 2008 ist GETI WILBA mit Unterstützung der Beteiligungsgesellschaft wieder ein eigenständiger Mittelständler. Das Unternehmen hat seinen Sitz im norddeutschen Bremervörde und produziert an zwei Standorten. Seit der wiedergewonnenen Eigenständigkeit wächst das Unternehmen durch die Einführung neuer Produkte sowie gezielte Akquisitionen.

GBK Geschäftsbericht 2018, Seite 19

Obwohl man sich schon fragen könnte, ob wirklich alles so rosig ist, wenn GETI für 2017 bei 1,78 Mio. Euro Eigenkapital ein Jahresergebnis von -0,38 Mio. Euro erzielt. Und wenn die GBK seit 2008 da am Ruder ist, dann haben die in den folgenden 12 Jahren doch einen schlechten Job gemacht oder? Nun kann man natürlich einwerfen, dass die GBK nur eine Minderheitsbeteiligung hielt, aber nachdenklich macht das schon.

Einen eigenen Corporate Governance Bericht veröffentlicht die GBK übrigens nicht und ich bezweifle auch, dass der die Insolvenz der GETI-Beteiligung verhindert hätte. Aber wir, also ich sollte die IPR („Intelligente Peripherien für Roboter GmbH“) im Auge behalten, die 2017 bei einem Eigenkapital von 0,52 Mio. Euro ein negatives Jahresergebnis von 2,76 Mio. Euro erzielte. Da geht es, wie bei GETI, hoffentlich nicht auch bald nur noch um die Wurst.

Fazit

Tja, lieber Benjamin Graham, was soll ich nun tun, woran soll ich mich halten, um die Qualität eines AG-Managements einzuschätzen? Dein Jünger Warren Buffett hilft mir da auch nicht viel weiter, weil der eh mit den Chefs all seiner Unternehmen essen gehen kann, sobald er es für angebracht hält.

Mir bleiben also wie so oft nur die Kennzahlen, die ich aus den Geschäftsberichten extrahieren kann. Ich hoffe, dass Unternehmen, die von den Gründerfamilien geführt oder beaufsichtigt werden, einen Vorteil gegenüber einem nicht-familiär verbundenen Management bieten, weil sie eben mit Herz dabei sind (siehe Schloss Wachenheim AG). Vielleicht ist aber auch genau das ein Nachteil, weil eben der „kühle Kopf“ und die nötige Distanz fehlt.

Aber wenn ein kühler Kopf wie der GBK CEO Schopp es bei GETI 12 Jahre lang nicht geräuchert gebacken bekommt, das Unternehmen vor der Insolvenz zu bewahren, dann gibt es eben auch Argumente für die andere Richtung. Es bleibt wohl eine subjektive Fall-zu-Fall-Entscheidung, die ich alleine zu treffen habe.

Ich sage mal so: nüchtern betrachtet habe ich 0 (in Worten: Null) Einfluss auf irgendein Management von irgendeinem Unternehmen, das ich im Aktienportfolio halte. Ich kann vielleicht grobe Alarmsignale registrieren, wenn zum Beispiel ein gewisser Hartmut Mehdorn zum CEO der BASF SE berufen werden sollte, aber vielleicht übersehe ich auch mal was.

Mit diesem Restrisiko muss ich wohl leben und weiter investieren…

3 Kommentare

  1. Simon

    Vielen Dank für deinen Beitrag – spricht mir aus der Seele.

    • Vincent Bouvier

      Gern geschehen! 🙂

      Viele Grüße

      V. Bouvier

  2. FoxSr

    Hallo,
    richtig und die Konsequenz für mich ist, daß ich zu den Hauptversammlungen gehe und mir von dem Management „persönlich“ ein Bild mache.
    2 x hat dies zu einem Komplettverkauf meines Engagements geführt (Wacker Neuson – ich konnte fühlen, daß es klimatisch zwischen Familie (im AR war der neue junge Erbe Wacker, der nach der HV zu 20 Euro sein Paket verkauft hat- heute ist Wacker Neuson unter 11 Euro- sowie
    Stemmer Imaging bei 26 Euro, weil ich in der HV eine Bilanzzahl nachfragte, die dann zu dem Hinweis führte, daß im nächsten Gjahr. einige Belastungen verbucht werden müssen).
    Dieses Jahr plane ich zu Krones, Dürr und Sino zu gehen.
    Die gesetzlichen Auskunftsrechte der Kleinaktionäre können Verluste ersparen.
    Schönes Wochenende
    FoxSr

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