Wenn ich mich auf die einschlägigen Seiten begebe, um Aktienkurse und -informationen abzurufen, dann wird mir bei manchen Aktien, neben dem von mir gesuchten Wertpapier, noch ein weiteres Wertpapier mit ähnlichem Namen angezeigt. Zum Nachstellen möge der Leser auf www.finanzen.net wechseln und in das Suchfeld oben rechts „BASF“ eintippen. In den Suchvorschlägen erscheint nun die eigentliche Aktie mit der Kennnummer BASF11, aber eben noch ein zweites Wertpapier mit der Kennnummer 936785 und dem Namen „BASF AGShs Sponsored American Deposit Receipts“. Nach einem Klick auf diesen Suchvorschlag erscheint eine Wertpapierseite wie ich sie kenne mit der Überschrift „BASF-Aktie“ und ein dazugehöriger Kurs von um die 17 Euro.

Wie kann das sein? Die Aktie (WKN: BASF11) kostet doch heute eigentlich so um die 69 Euro? Gibt es hier ein Schnäppchen zu ergattern? Was hat es mit diesem Wertpapier auf sich? Ähnlich verhält es sich bei Aktien der EVN AG (WKN: 878279 vs. 918408).

Ich möchte aus Sicht eines Value-Investors heute also gern Licht in diese Angelegenheit bringen. Viel Spaß beim Lesen und Teilen!

Grundlagen

Angenommen eine AG möchte gern, dass ihre Aktien auf einem bestimmten Aktien-Marktplatz (Börse) gehandelt werden können. Eine deutsche AG, sagen wir die BASF AG (oder halt SE), müsste dafür alle Regularien, die auf diesem Marktplatz gelten, einhalten. Dazu gehören Rechnungslegungsvorschriften, Veröffentlichungspflichten und natürlich auch etwaige Zahlungsverpflichtungen für Gebühren. Typische deutsche Aktien-Marktplätze sind Stuttgart, Frankfurt, Berlin und natürlich die digitale Plattform XETRA.

Analog verhält es sich in Österreich, wo zum Beispiel die EVN AG ihre Aktien an der Wiener Börse handelbar hält. Alles schön national-lokal unter Berücksichtigung der gesetzlichen Rahmenbedingungen. Durch den gemeinschaftlichen Währungsraum werden die meisten in Europa beheimateten Aktienkurse in Euro ausgewiesen und gehandelt.

Was ist denn aber nun, wenn die AG es gern sähe, dass ihre Aktien weltweit gehandelt würden? Ein globales Unternehmen mit globaler Lieferkette und globalem Kundenkreis wünscht sich nicht selten, dass auch die Investoren aus Amerika oder Asien Aktien der AG erwerben („Erhöhung der Liquidität“ nennen sie das dann). Diese Investoren müssten, stand jetzt, ein Depot bei einer Bank, die in Europa tätig ist, eröffnen, ihr eigenes, „fremdes“ Geld (Dollar, Yen, Pfund etc.) in Euro umtauschen und dann an den verfügbaren europäischen Aktien-Marktplätzen tätig werden.

Variante 1: zusätzliches Listing

Um dem Investor die Angelegenheit so einfach wie möglich zu machen könnte die europäische AG sich dazu hinreißen lassen, ihre Aktien beispielsweise auch an den Börsen in Shanghai, London, New York, Sidney, Tokio etc. handelbar zu machen. Das ist alles kein Problem. Wie in den Grundlagen aber bereits erwähnt, hat jeder Marktplatz seine eigenen Regeln und nationalen Gesetze. Somit bedeutet jedes weitere „Listing“ einen finanziellen und administrativen Mehraufwand für die AG.

Im Jahre 2000 zum Beispiel entschied sich die BASF AG dafür, ihre Aktien auch an der großen Börse in New York („Wall Street“, NYSE) listen zu lassen. Im Jahre 2007 hingegen wurde dieser Schritt wieder rückgangig gemacht und so begründet. Wer den Link jetzt nicht geklickt hat, dem gebe ich hier die Punchline: „to reduce complexity and costs“.

Für mich als Value-Investor ist es wichtig zu sehen, dass die AG nicht „um jeden Preis“ überall sichtbar sein möchte. Solch ein Verhalten kommt einem nervigen Anbiedern schon sehr nahe. Das Management sollte sich auf das Geschäft konzentrieren und nicht auf die Handelbarkeit der Geschäftsanteile.

Es ist wichtig festzuhalten, dass ein zusätzliches Listing oder Delisting also keinerlei Verwässerung der bestehenden, ausgegebenen Aktienanzahl bedeutet.

Variante 2: Depositary Receipts

Die zweite Möglichkeit, den globalen Investoren einen Zugang zu den nur regional gelisteten Unternehmen zu geben, sind Depositary Receipts. Die englische Wortbedeutung geht in die Richtung „Depot-Quittung“, behaupte ich der Verständlichkeit halber einfach mal. Am Beispiel der EVN AG möchte ich nun illustrieren, was da quittiert wird.

  1. EVN-Aktien sind nur in Österreich und in Euro handelbar.
  2. Die „Bank of New York“ setzt in Zusammenarbeit mit der EVN AG („sponsored“) für amerikanische Investoren ein „American Depositary Receipt“-Programm auf Basis der EVN-Aktien im Verhältnis 5 zu 1 auf (5 Receipts entsprechen einer EVN-Aktie).
  3. Insgesamt besteht dieses Programm aus 240.815 Depositary Receipts („Quittungen“), wodurch 48.163 EVN-Aktien (ein Fünftel von 240.815) theoretisch quittiert werden könnten.
  4. Diese Receipts werden über sogenannte „American Depositary Shares“ im amerikanischen Over-the-Counter-Markt (sprich: Zwischenbankenmarkt, KEIN öffentlicher Börsenplatz mit Regeln und Gesetzen oder so nervigem Zeugs) in US-Dollar handelbar gemacht.
  5. Hinter einem „American Depository Share“ (ADS) steht also ein „American Depositary Receipt“ (ADR). Mit jedem emittierten ADR wiederum quittiert die Bank of New York dem Eigentümer des ADS, dass sie irgendwo in einem Tochterunternehmen-Depot in Österreich ein Fünftel EVN-Aktien zu liegen hat.

Dadurch, dass der Handel nur über den Over-the-Counter-Markt („über die Ladentheke“, außerbörslich, Level 1 ADR) stattfindet, muss sich der Emittent nicht den üblichen Marktplatzvorschriften unterordnen. Ob die EVN-Dividenden an den ADS-Eigentümer fließen, obliegt letztendlich der Bank of New York (dem Emittenten) bei der vertraglichen Ausgestaltung.

Die EVN AG beschreibt ihre Beweggründe für das Auflegen dieses ADR-Programmes so:

Die EVN AG hat in Amerika ein ADR Programm (American Depositary Receipt) realisiert. Die EVN Aktien werden OTC mit einem Level I ADR Programm gehandelt. Dies bietet der EVN höhere Sichtbarkeit auf dem amerikanischen Markt, einen aktiveren Handel und höhere Liquidität.

IR-Webseite EVN AG, abgerufen am 12.04.2019

Die Gründe für das Auflegen eines solchen Programmes sind eigentlich immer genau die gleichen. Aus diesem Grunde ist das EVN-Beispiel aus meiner Sicht repräsentativ. Bei der BASF entprechen 4 ADRs einer normalen BASF-Aktie. Weiterführende Informationen bezüglich des BASF-ADR-Programmes finden sich auf deren IR-Seite (FAQ und Eckdaten).

Auch die Auflage eines ADR-Programmes stellt keinerlei Verwässerung der bestehenden, ausgegebenen Aktienanzahl dar.

Resümee

Es gibt die unterschiedlichsten Namen für Depositary Receipts (Global DR, European DR etc.). Im Grunde stellt sich für mich als Value-Investor diesbezüglich aber nur eine Frage: Wenn ich eine ausschließlich in einem fremden Land gehandelte Aktie erstehen will, könnte/sollte ich das über das Depositary-Receipt-Konstrukt tun?

Ein DR/DS ist ein Finanzderivat, deren Basiswert eine Aktie aus einem anderen Land ist. Ich kaufe dieses Finanderivat von einer Bank, die mir verspricht/quittiert, dass sie die eigentlichen Aktien im Heimatmarkt des Aktien-Unternehmens mit Hilfe der Heimatwährung gekauft und dort in einem Depot sicher verwahrt hat. Vertrauenserweckend finde ich das nicht.

Hinzu kommt, dass ich bei meiner ganzen Recherche nicht abschließend ermitteln konnte, ob ein Depositary Receipt ein Sondervermögen darstellt und mein Investment somit vor einer Insolvenz des Emittenten geschützt ist (ähnlich wie Fonds oder ETFs). Für einen Hinweis aus meiner Leserschaft wäre ich dankbar.

Unreguliert, undurchsichtig, nur außerbörslich handelbar und dann noch mit einem Emittenten-Risiko versehen. Depositary Receipts sind aus meiner Sicht nichts für Value-Investoren. Im Gegenteil: sie öffnen den Markt für Teilnehmer, denen eher an kurz- als an langfristigen Ergebnissen gelegen ist, und heizen die Volatilität der Aktienkurse unnötig an.