Value & Price

Glosse zum Reichwerden

In meinem 100. Beitrag offenbarte ich, dass ich dieses Blog hier betreibe, um, neben der Befriedigung meiner Affinität für geordnet-nachvollziehbare Texte, irgendwann auch eine gewisse „finanzielle Freiheit“ zu erreichen. Bereits kurz nachdem ich den Beitrag dann veröffentlicht hatte, stellte sich mir die nervige Frage danach, was mich denn eigentlich auf dem Weg zum Ziel von den anderen unzähligen Bloggern, Beratern, Finanzexperten unterscheidet?

Da gibt es Kollegen, die generierten im Oktober 2019 einen CashFlow von 10.368 Euro mit ihrem Ansatz. Es gibt Kollegen, die mit einem neu angelegten Depot innerhalb eines Monats Tradinggewinne von etwa 56% erzielen. Andere wiederum schwören auf die unglaubliche Wirkung des mit diversifizierten Kreditlinien abgesicherten Leverage-Effektes (Fremdkapitalhebel) beim Aufbau eines Aktienportfolios. Damit natürlich lange noch nicht genug: jeden Tag gibt es auf finanzblognews.de oder finanzblogroll.de neue Erfolgsstories, Ansätze, Hinweise, Erfahrungen, Tipps und so fort. Alle streben zum gleichen Ziel: der finanziellen Freiheit, dem FIRE!

Alles läuft!!

Das überraschendste für mich ist aber, dass alle irgendwie erfolgreich zu sein scheinen. Ob Immobilien, Aktien, Optionen, ETFs, Zertifikate, Investition auf Kredit, Anleihen unterstützt durch Werbeanzeigen auf Blogs, Seminaren, eBooks, Verleih des eigenen privaten Autos et cetera; alles, wirklich alles funktioniert!!! Unglaublich! Niemand hat ernsthafte Probleme mit seinem Ansatz.

Im Kern basiert jeder Ansatz immer auf der eigenen Sparsamkeit. Muss ich das jetzt wirklich kaufen oder kann ich es leihen oder eventuell vielleicht sogar ganz darauf verzichten?! Ein weiteres Kernelement ist das „Mindset“. Ich muss an meinen Weg glauben, ich muss bereits sein, Risiken einzugehen, auch nach Rückschlägen, immer weiter zu machen und zu glauben, und niemals aufhören, sich selbst zu bilden, Ansätze zu prüfen, zu korrigieren, zu verbessern, zu verwerfen, aber wie gesagt: immer weiter glauben und machen! Motiviert und getrieben wird man dann flankierend von utopischen, unprüfbaren Erfolgsstories wie dieser hier (ein Ehepaar geht mit 40 finanziell frei in Rente). Keiner muss mehr arbeiten! Einfach nur Bloggen, Investieren, Glauben und weiter, weiter, weiter voilá!!

Sparsamkeit per se ist ein wichtiger Erfolgsbaustein, ohne Frage. Auch der Glaube an die eigene Investition ist ein essentieller Baustein, um erfolgreich zu sein, denn ohne ihn kippt man beim ersten Gegenwind direkt um. Aber mit solchen Allgemeinplätzen kann man eben kein Blog erfolgreich mit immer neuen Beiträgen befüllen. Somit hat jeder einzelne Kollege seinen eigenen vermeintlichen „Unique Selling Point“ und wie gesagt: es funzt ja auch!!

Als skeptisch-pessimistischer Sicherheitsfetischist oder auch nur mit gesundem Menschenverstand betrachtet dämmert es mir aber, dass nicht alle erfolgreich bzw. krisenfest sein können. Das geht statistisch einfach nicht. Es muss neben den Gewinnern eben immer auch Verlierer geben. Was ist also die Ursache dafür, dass momentan alle Ansätze funktionieren?

Meiner Ansicht nach gibt es heute eigentlich nur noch zwei Assetklassen, die eine Rendite abwerfen: Aktien und Immobilien. Weil das so ist, setzen alle, also nicht nur Blogger, auf diese Pferde, treiben sich damit gegenseitig an, die Finanzjournalie pusht das Thema medial mit und die Zentralbanken der Welt sorgen dafür, dass die Musik nicht aufhört! So! Und in wenn der Wasser-(Liquiditäts-)spiegel in der ganzen Stadt steigt, schwimmt irgendwann auch der Müll mit oben, der vorher nur auf der Straße herumlag.

Und nun?

Naja… irgendwann wird die Musik der Notenbanken verstummen. Immobilien- und Aktienpreise werden fallen. Es wird Panik herrschen, keiner konnte es vorhersehen (Muharharhharhahr!!), die Politik wird Finanzinstitute retten, Steuergelder werden im Eiltempo zur Stützung der Wirtschaft freigegeben und es werden reihenweise Unternehmen, Ansätze, Investoren vom Markt gefegt werden; viele werden in unendlichen Pessimismus verfallen und nur die stabilsten Ansätze werden überleben. Ich möchte an dieser Stelle eigentlich nicht die Value-Hupe drücken, sondern nur darauf verweisen, dass dieser Ansatz bereits seit über 100 Jahren erfolgreich praktiziert wird. Den Rest muss jeder Blog-Leser für sich selbst entscheiden. (Hup! Huuup!)

5 Kommentare

  1. Matthias

    In the long run we are all dead!
    Ob eine Strategie funktioniert sieht man nicht in 1-5 Jahren sondern erst ab einem Zeitraum 15+ Jahren. Erschwerend hinzu kommt, dass die meisten „Investoren“ in einer der größten Partys der Börsengeschichte groß geworden sind.

    Ein miserabler Pokerspieler kann ich über 50.000 gespielte Hände noch im + sein, bei 500k ist es aber defacto ausgeschlossen.

    Die meisten erfolgsverwöhnten Blogger sind einfach Verkäufer und die erzählen dem Markt was er hören will.

    • Vincent Bouvier

      Hallo Matthias,

      durch die Aufmachung vieler Blogs, mit Videos, Vorträge, Bezahlcontent und sonstigen Werbeanzeigen kann ich mich deines Eindruckes, dass die meisten dann doch lieber Verkäufer sein wollen, nicht erwehren. Wir werden sehen, wie sich die Dinge weiter entwicklen!

      Viele Grüße

      V. Bouvier

  2. Stefan

    Also ich bin 2009 im Alter von 42 mit rund 1,2 Mio Euro KOMPLETT aus dem Arbeitsleben ausgestiegen. Sehr konservativ (Immobilien und über die Jahre sukzessive mehr Aktien). Nach wie vor finanziell frei und 10 wunderbare faule arbeitsfreie Jahre hinter mir. Alles gut seither. Und wenn nicht der Kommunismus Einzug hält sollte das bis zum Ende meines Lebens reichen. Das Leben ist schön!

    • Vincent Bouvier

      DAS ist doch mal ein Statement!

      Da ich nun leider keine Ironie-Quotes erkennen konnte und auch zwischen den Zeilen nichts fand, würde ich mich über Details zu dieser Geschichte sehr freuen. Mit wieviel hast du angefangen? Bei 0 Euro? Wann hast du vor allem angefangen? Was hast du in den 10 „faulen“ Jahren gemacht? Man muss sich doch beschäftigen oder? Und wieviel Budget hast du in deiner finanziellen Freiheit pro Monat zur Verfügung? Vermehrt sich dein Kapitalstock? Oder zehrst du ihn auf? Wenn ja, was machst du danach?

      Viele Grüße und eine weiterhin „faule“ Zeit 🙂

      V. Bouvier

    • Matthias

      Wieso bist du ganz aus dem Berufsleben ausgestiegen ?
      Mit 35 bin ich jetzt sehr nahe dran, aber ich könnte mir nicht vorstellen meinen Job aufzugeben.

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