In Anbetracht der Tatsache, dass ich mich öffentlich und besonders in persönlichen Gesprächen als Value-Investor á la Graham/Buffett oute, werde ich oft gefragt, wie dieser Investment-Ansatz mit meinem ebenfalls offenen Bekenntnis zum „Gold als Investement“ zusammenpasst. Die Analyse von Wertpapieren und die daraus resultierende Berechnung eines inneren Wertes, der dann wiederum als Grundlage für meine Kauf- oder Nicht-Kauf-Entscheidung dient, ist ziemlich gut und logisch nachvollziehbar, hoffe ich. Beim Gold allerdings ist es anders: dort ist der innere Wert, abgesehen vom an Rohstoffbörsen gehandelten Materialwert, nicht bestimmbar. Als wäre das noch nicht genug, gibt es, ohne Aussichten auf etwaige Kurssteigerungen des Materialwertes, beim gelben Edelmetall keine zukünftig erwartbaren Geldzuflüsse, die im heutigen Barwert dieses Gutes approximiert berücksichtigt werden könnten/müssten.

Mit dieser Grundsatzfrage im Hinterkopf las ich den jüngst von Norbert Häring veröffentlichten Artikel mit dem Titel „Der IWF will dem Bargeld an den Kragen„, durchstöberte die von ihm verlinkten Quellen und kam ins Grübeln.

Zusammenfassung von Härings Artikel

Ich empfehle die Lektüre des o. g. Artikels für jeden, der sich dafür interessiert, will hier aber auch gern eine kurze Zusammenfassung widergeben, um mit meinen eigenen Gedanken zügiger voranschreiten zu können.

Häring beschreibt, dass die Noten- und Zentralbanken die Ansicht teilen, es gäbe keine Alternative zur aktuellen Null-Zins-Politik. Am liebsten wäre es unseren Geldhütern sogar, die Leitzinsen noch weiter senken zu können, so auf minus 5%, um auf diese Weise rezessive Volkswirtschaften noch besser wieder zurück „zum Schotter“ zu führen. Das einzige Hindernis für die noch negativeren Zinsen ist eben das Bargeld, in das ein jeder Bankkunde sofort flüchten könnte, sollte die eigene Hausbank die negativen Zinsen auf das Guthaben des Kunden anwenden, um ihn an den „Kosten“ für sein Bankguthaben zu beteiligen. Das große Ziel der Währungshüter lautet also: Bargeld langsam, aber bestimmt abschaffen!

Wie das bewerkstelligt werden soll ist auch schon angedacht und wird in zwei von Häring verlinkten „Working Papers“ des internationalen Währungsfonds (IWF) beschrieben; betitelt sind die Dokumente zum Einen mit „The Macro-Economics of De-Cashing“ und zum Anderen mit „Enabling Deep Negative Rates to fight a recession“. Vereinfacht ausgedrückt soll das Bargeld nicht durch einen „einmaligen, großen staatlichen Befehl“ abgeschafft werden, denn dagegen wäre der öffentliche Widerstand zu groß; stattdessen soll durch viele kleine unauffällige Schritte von öffentlicher und privater Hand dafür gesorgt werden, dass die Kosten für Bargeld einfach höher werden als die Kosten für Giralgeld (Geld, das auf Konten liegt). Auf diese Weise würde sich jeder Bürger „ganz natürlich“ immer mehr vom Bargeld abwenden. Kleine Schritte, die vom IWF explizit erwähnt werden, sind beispielsweise „the phasing out of large denomination bills, the placement of ceilings on cash transactions, and the reporting of cash moves across the borders“. Dazu von mir nur 3 Stichworte: „500-Euro-Schein„, „Goldbarkauf“ und „Zoll„.

Quo vadis Cash?

Aus meiner Sicht ist es an dieser Stelle nicht mehr verwegen zu behaupten, dass sich die europäische Geldpolitik mitten in der Umsetzung der kleinen Schritte zur Erreichung des Zieles der Absschaffung des Bargeldes befindet. Aus diesem Grund verweise ich der Vollständigkeit halber hier auf die von Häring ins Leben gerufene BargeldChallenge als zärtlichem Versuch eines Gegengewichtes zu der oben beschriebenen Tendenz.

Gehen wir nun einmal davon aus, dass Otto Normal irgendwann nicht mehr die Möglichkeit hat, den Negativzinsen seiner Hausbank durch die Flucht ins Bargeld zu entkommen. Gehen wir weiter davon aus, dass Otto Normal den exakten Zeitpunkt, zu dem er diese Möglichkeit verliert, durch die in kleinen Schritten erfolgende Umsetzung, komplett verschlafen wird. Für ihn wird der Verlust der Möglichkeit Cash-Flucht eine natürliche Entwicklung sein. Nun ist Otto den Zinshütern also ausgeliefert und diese können die Negativzinsschraube nach belieben fester anziehen. Gehen wir abschließend davon aus, dass dieses Anziehen nicht ad-hoc passiert, sondern ebenfalls schleichend abläuft.

Zurück zum Gold

Seit Ende 2014 befindet sich der Leitzins der Europäischen Zentralbank auf Null oder darunter. Dieses Zinsniveau hat nicht den wirtschaftlich belebenen Effekt gehabt, den man sich davon erhofft hatte. Im Gegenteil: die EZB sieht sich seit geraumer Zeit dazu gezwungen, Staats- und sogar Unternehmensanleihen anzukaufen, um die Kreditvergabe der Banken und damit die Wirtschaft anzukurbeln; sie kippt quasi immer mehr frisches Geld ins Finanzsystem. All das scheint allerdings trotzdem nicht die erhofften Früchte zu tragen und die Währungshüter müssen weiterdenken. In welche Richtung sie denken hat Häring meines Erachtens ausreichend belegt.

Bei Null Prozent Zinsen auf Bankuthaben ist Gold dem Bar- sowie Giralgeld ins Sachen Rendite gleichwertig; alle drei Formen der Geldanlage bringen schlicht keinen Ertrag. Mit jedem weiteren der kleinen Schritte in Richtung Bargeldabschaffung kippt der Vorteil allerdings in Richtung Gold. Denn wenn es tatsächlich das Ziel der Geldpolitiker sein sollte, nach der Bargeldabschaffung die Zinsen für Giralgeld weiter ins Negative zu drücken, ist danach jeder weitere Prozentpunkt unter Null ein positiver Renditepunkt für Gold.

Wir befinden uns historisch gesehen in einer geldpolitisch noch nie dagewesenen Epoche. Digitalisierung des Finanzwesens, digitale Währungen/Bezahlwege, riesige Bilanzsummen bei allen Notenbanken der Welt und trotzdem kaum Wachstum et cetera. Die Währungshüter sind momentan de facto machtlos und beschreiten forschend neue Wege; sie fahren auf Sicht. Glücklicherweise haben Interessierte heute die Möglichkeit, Erkenntnisse und Tendenzen dieser Forschung frühzeitig zu erkennen und zu teilen.

Wenn die oben beschriebene Tendenz der Bargeldabschaffung also der aktuelle Stand der „Geldforschung“ ist, dann ist es für Otto Normal frühzeitig notwendig, Alternativen zum Bargeldfluchtweg im Falle von Negativzinsen zu suchen. Somit scheint eine Investition in Gold heute bereits eine rentable Alternative zu sein.