In einem zugegebenermaßen ziemlich „verschwurbelten“ Artikel aus dem letzten Jahr habe ich einmal versucht, die Unternehmen meines Musterdepots beziehungsweise deren zukünftige, absehbare Liquidität mit der zukünftigen, absehbaren Liquidität der Wacker Neuson SE (WACK01) zu vergleichen, um im Zuge dieser Analyse bei WACK01 eine erhöhtes Liquiditätsrisiko festzustellen und daher einen Grund zu haben, diese Aktien abzustoßen.

„Verschwurbelt“ meint in diesem Zusammenhang nicht „wirr“ oder „verrückt“, nein, ich habe mir wirklich Mühe gegeben, einen Ansatz zu konstruieren, diesen Vergleich nachvollziehbar und fundiert anzustellen (hier der Link dorthin). Nun sind im letzten Monat zwei Ereignisse aufeinander getroffen, die mich zu dem heutigen Artikel veranlasst haben.

Zum Einen ist die WACK01-Aktie stärker vom aktuellen Börsenbeben betroffen, als andere Aktien, liegt aktuell bei unter 13 Euro, ohne dass es eigentlich neue Nachrichten gab (Außer natürlich eine Kaufempfehlung bei 15 Euro des US-Brokers Jefferies von Ende Januar; Good Call! by the way).

Zum Anderen nahm eine Dame meines Bekanntenkreises jüngst an einem Seminar eines gewissen Prof. Dr. Bernd Weiß an der Hochschule Bochum teil, die den Titel „Früherkennung von Kredit- und Insolvenzrisiken auf Basis finanzwirtschaftlicher Unternehmensdaten“ trug. Eins-fix-drei (schreibt man das so?) bat ich die besagte Dame darum, mir doch einmal einen Einblick in die Vorlesungsunterlagen zu gewähren und voilá: Das Motiv für diesen Beitrag am Beispiel der so arg gebeutelten WACK01 war geboren!

Das Weiß’sche Modell

Der oben genannte Professor dampft alle möglichen Kennzahlen der Vermögens-, Ertrags- und Kapitalstruktur auf fünf Stück zusammen, die seiner Meinung nach die drei genannten Strukturbereiche ausreichend aussagekräftig abdecken. Ich werde diese fünf Kennzahlen sowie ihre Berechnungsformel im folgenden erst einmal nur nennen:

  • Eigenkapitalquote (Bereinigtes Eigenkapital dividiert durch bereinigte Bilanzumme)
  • Deckungsgrad B ( (Eigenkapital + langfristiges Fremdkapital) dividert durch Summe Anlagevermögen)
  • Cash-Flow-Betriebsleistung (Cash-Flow dividiert durch Betriebsleistung)
  • Liquiditätsgrad 2 (Monetäres Umlaufvermögen dividiert durch kurzfristiges Fremdkapital)
  • Gesamtkapitalrendite ( (Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit + Fremdkapitalzinsen) dividiert durch bereinigte Bilanzsumme)

Das Wort „bereinigt“ bei Bilanzsumme und Eigenkapital meint, dass die selbst geschaffenen, immateriellen Vermögenswerte des Unternehmens außen vor gehalten werden sollten, weil der Wert dafür vom Unternehmen selbst bestimmt werden kann. Ähnliches gilt für „Roh-, Hilfs- und Werkstoffe“ sowie Vorräte, deren Werte ebenfalls der „bilanziellen Gestaltungsfreiheit“ unterliegen.

Die Betriebsleistung ist „das Resultat bewerteter, periodengerechter, dem eigentlichen Betriebszweck dienender Produktion von Gütern oder Dienstleistungen eines Unternehmens„, sagt Wikipedia.

So! Für diese 5 Kennzahlen gibt es natürlich Branchendurchschnitte und diese sind dann die Basis für eine Insolvenzprognose bezüglich des Delinquenten. Somit lässt sich für jedes Unternehmen ein „Normenprofil zur Kennzahlenbewertung“ erstellen. Weiß räumt aber natürlich ein, dass die Insolvenz keinesfalls garantiert ist, nur weil ein Unternehmen überall im roten Bereich liegt. Eine Garantie für die Richtigkeit/Korrektheit des Modells gibt er natürlich nicht. Aber welches Modell kann das schon leisten?

Kennzahlenberechnung WACK01

Nun schauen wir doch einmal nach, ob sich die Prognose des Weiß’schen Modells mit der Prognose meines „Schwurbelartikels“ eigenen Insolvenzprognose-Ansatzes deckt. Grundlage hierfür ist der letzte vollständige Geschäftsbericht der Wacker Neuson SE, nämlich der des Jahres 2018.

Zur Berechnung der Eigenkapitalquote muss ich zunächst das Eigenkapital (1221,4 Mio. Euro) sowie die Bilanzsumme (1914,2 Mio. Euro) bereinigen. Ich subtrahiere von beidem den „Geschäfts- bzw. Firmenwert“ (237,8 Mio. Euro), die „sonstigen immateriellen Vermögenswerte“ (143,5 Mio. Euro) und die Vorräte (553,4 Mio. Euro). Aus diesem Zahlenmaterial und der obigen Formel erhalte ich eine Eigenkapitalquote von 29,2%.

Der Deckungsgrad B ist gemäß der obigen Formel ziemlich „straighforward“ zu berechnen (beachte: Anlagevermögen = langfristige Vermögenswerte). Er beträgt 186%.

Die Kennzahl Cash-Flow-Betriebsleistung bezieht sich auf den Umsatz sowie den Brutto-Cash-Flow. Also wieviel Monetäres wird mit Hilfe des Umsatzes generiert. Für 2018 liegt der Wert dieser Kennzahl für WACK01 bei 7,1%.

Zur Berechnung des Liquiditätsgrad 2 schaue ich wieder in die Bilanz. Für „monetär“ halte ich alles, was fast so schnell wie Geld verkauft werden könnte, um Liquidität zu liefern. Aktien ja, Immobilien aber nicht. Ich summiere somit die „übrigen kurzfristigen, finanziellen Vermögenswerte“ sowie die „Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente“ und setze sie ins Verhältnis zum kurzfristigen Fremdkapital. Ich erhalte 15,7%.

Zum Abschluss ermittle ich noch die Gesamtkapitalrentabilität. Woher bekomme ich dazu aber die Fremdkapitalzinsen? In der 2018er GuV der Wacker Neuson SE finde ich das EBT, welches schon die „Finanzaufwendungen“ berücksichtigt, allerdings muss ich vom EBT noch den „Ertrag aus der Veräußerung der Immobiliengesellschaft“ abziehen, weil das ja nicht zur „gewöhnlichen Geschäftstätigkeit“ gehört. Somit erhalte ich eine Gesamtkapitalrentabilität von 15,1%.

Endlich ferig mit diesen lästigen Berechnungen!

Insolvenzprognose WACK01

Prof. Weiß gibt in seinen Seminarunterlagen für die verschiedenen Branchen nun die Durchschnittswerte der Jahre 2008 bis 2012 für die obigen Kennzahlen an. In welche Branche fällt WACK01? Nach kurzem In-Mich-Gehen verwerfe ich die Branchen „Dienstleistungen“ und „Baugewerbe“ und einige mich mit mir selbst auf „Produzierendes Gewerbe“. Den Branchendurchschnitt pro Kennzahl für 2012 gebe ich weiter unten dann also mit an (B-Schnitt), um dem Leser einen gewissen Vergleich zu ermöglichen.

Des Weiteren gibt Prof. Weiß an, welchen Wert bei welcher Kennzahl ein Unternehmen erreichen muss, um ein „rot“, „gelb“ oder „grün“ zu erhalten. Der Professer hält seine Einteilung für „empirisch und statistisch belegt“. Daher werde ich nun einfach nur die Kennzahlen nennen und daneben die entsprechende Farbe schreiben. Gerechnet und nachgedacht haben wir heute nämlich schon genug:

  • Für Eigenkapitalquote: GELB (B-Schnitt: 28%)
  • Für Deckungsgrad B: GRÜN (B-Schnitt: 82%)
  • Für Cash-Flow-Betriebsleistung: GELB (B-Schnitt: 6,5%)
  • Für Liquiditätsgrad 2: ROT (B-Schnitt 2016: 71%)
  • Für Gesamtkapitalrentabilität: GRÜN (B-Schnitt: 8%)

Es ist wie immer dasselbe: Kein Modellansatz sagt dir „Aktie-Kaufen oder Aktie-Nicht-Kaufen“. Du musst immer noch eigenen Hirnschmalz reinstecken. So ein Mist aber auch!!

Für den B-Schnitt bei Liquiditätsgrad 2 des produzierenden Gewerbes habe ich nur den Wert für 2016 herausfinden können.

Ich traue mir jedenfalls auf Grundlage dieses Modells keine Prognose zu einer zukünftigen Insolvenz der WACK01 zu. Wenn ich raten müsste würde ich sagen „wahrscheinlich eher keine Insolvenz“. Allerdings scheint das Weiß’sche Modell mir zu bestätigen, dass bereits Ende 2018 ein erhöhtes Liquiditätsrisiko bestand. Ich bin gespannt, wie es Ende 2019 aussieht.

Bis dahin tut es mir leid, dass ich dem Leser heute keine Hilfe dabei war zu entscheiden, ob ein Kurs unter 13 Euro ein guter Einstiegskurs für WACK01 ist, oder ob dieser Preis aufgrund des obigen Risikos doch gerechfertigt ist. Dennoch hoffe ich, das Lesen war wenigstens kurzweilig, weil interessant. 🙂