Auf einer automobil angelegten Dienstreise unterwegs und durch die ständig von Werbe- sowie Redebeiträgen zerklüfteten Powerrotationen von Mainstreammusiksendern genervt, zappte ich gelangweilt durch die Radio-Kanalliste und landete mal wieder beim Kassik Radio. Auch dort gibt es zur vollen Stunde natürlich Nachrichten und Börsenmeldungen, aber mit einer entscheiden Variation, um hier mal gleich den Musikjargon zu bemühen: nur der Aktienkurs einer gewissen „Klassik Radio AG“ wurde explizit und alleinstehend genannt, was mir vorher noch nie aufgefallen war, mich stutzig machte.

Diese Tatsache lies mich also aufhorchen und ich konnte nicht glauben, dass hinter diesem Sender tatsächlich eine eigene, öffentlich handelbare AG steht. Das war dann auch der hinreichende Auslöser für mich, einmal Geschäftsmodell, Aktienkurs und inneren Wert der Aktie unter die Lupe zu nehmen.

Geschäftsstruktur

Wie der Name der Klassik Radio AG bereits suggeriert, handelt es sich bei diesem Unternehmen um das in Deutschland am „meisten verbreitete Privatradio“ (lt. Geschäftsbericht 2018, Seite 7). Rund 2 Millionen Hörer täglich empfangen diesen Sender über alle möglichen technischen Wege (Kabel, Satellit, Internet, Apps und DAB+). Aber nicht nur das:

Mit Klassik Radio Select verfügt Klassik Radio seit Mitte Dezember 2017 über einen eigenen innovativen Streamingdienst, welcher werbefrei die Vorteile von Radio und Streaming mit über 150 von Hand kuratierten Radiosender von Künstlern wie Rolando Villazòn, James Newton Howard, Andrè Rieu oder Till Brönner für Fans von Klassik, Oper, Filmmusik, Jazz und Lounge verbindet.

Geschäftsbericht 2018, Seite 7

Das Klassik-Radio-Programm bietet der Werbewirtschaft nach Ansicht der AG einen exklusiven Zugangen zu einer „sehr attraktiven Premiumzielgruppe“. Hier kann ich nur vermuten, dass man davon ausgeht, dass eben nur „bildungsnahe“ Personen einen Klassik-Radiosender hören würden, diese Personen demnach meist gebildet sind und daher wiederum überdurchschnittlich verdienen; „Premium“ eben. Diese Interpretation ist alleine auf meinem Mist gewachsen und findet sich so explizit nicht im Geschäftsbericht. (Ein weiteres Indiz meiner Interpretation ist aus meiner Sicht die Verwendung des Wortes „kuratieren“ für die Beschreibung der Zusammensetzung der 150 Radiosender des Streamingdienstes. Einfach nur „zusammengewürfelt“ oder „selektiert“ zu sagen wäre eben nicht „Premium“.)

Die Werbezeiten/die Zugänge zu dieser Premiumzielgruppe während das Radioprogrammes werden zum Einen über die „Euro Klassik“ in Zusammenarbeit mit der ARD (ARD Sales & Services) im Key Account Bereich (Großkunden) und zum Anderen über die „Klassik Radio Direkt“ (kleine und mittlere Kunden) mit Hilfe von Direktvermarktung vertrieben; die „Direkt“ ist allerdings nur in den regionalen Märkten Hamburg/Schleswig-Holstein, Berlin/Brandenburg, Hannover, Bayern und Baden-Württemberg aktiv. Premium?

Neben dem soeben erläuterten Segment „Radiosender“ ist die Klassik Radio AG im Segment „Merchandising“ tätig. Das Segment Merchandising ist über das „Klassik Radio Online Shop“ schnell erklärt. Neben „innovativen Markengeräten im Premiumsegment“ werden dort auch exklusive Urlauben, Kurztrips und Konzertkarten feil geboten.

Finanzzahlen

Das Geschäftjahr 2018 war laut Herrn Ulrich R. J. Kubak, Vorstandsvorsitzender und Hauptaktionär der Klassik Radio AG (etwa 68% der Aktien), das dritte Rekordjahr in Folge. Das ist sehr erfreulich; der Durchschnittsgewinn je Aktie lag in den letzen 7 Jahren bei 0,12 Euro, was beim aktuellen Kurs (7,56 Euro) einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 63 entspricht. Auf Basis des 2018er Gewinns liegt das KGV bei 23.

Für die Jahre 2014 bis 2017 gab es keine Dividende und somit beträgt die Durchschnittsdividende der vergangenen 7 Jahre nur 0,08, woraus sich eine Rendite von 1% errechnet. Das Ausbleiben der Dividende ist mit Sicherheit eine direkte Folge des 2015er Jahresverlustes je Aktie in Höhe von 0,26 Euro. Für die 0,21 Euro Dividende aus 2018 berechnet sich zum aktuellen Kurs eine Rendite von 2,7%.

Die Umsatzerlöse der Klassik Radio AG betragen in 2018 rund 15,6 Mio. Euro, wovon etwa 13,9 Mio. Euro durch das Segment „Radiosender“ (Werbezeitenvermarktung) beigesteuert wurden. Das Segment „Merchandising“ erzielte Erlöse in Höhe von 1,7 Mio. Euro. Die Konzern-EBIT-Marge beträgt 2018 rund 9,8%.

Zur Bilanz: Die Vermögenswerte des Unternehmens (insgesamt 13,5 Mio. Euro) bestehen bei den langfristigen zu 5,5 Mio. Euro aus „Geschäfts- und Firmenwerten“ und bei den kurzfristigen zu 3 Mio. Euro „Forderungen aus Lieferungen und Leistungen“. Auf der Passivseite finden sich rund 9,5 Mio. Euro reines (ohne Minderheitsgesellschafter) Eigenkapital und 2 Mio. Euro „Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen“. Insofern kann ich Kubaks Ausspruch „die AG ist seit 2018 schuldenfrei“ gut nachvollziehen. Die Eigenkapitalqote beträgt fast 70%, der Buchwert je Aktie etwa 1,96 Euro.

Fazit

Meinem Ansatz zur Berechnung des innerem Wertes einer Aktie folgend, starte ich bei einem Buchwert von 1,96 Euro je Aktie und versuche nun, eine valide Schätzung der zukünftigen Gewinne der Klassik Radio AG abzugeben. Am 8. Juli 2019 fand dich Hauptversammlung der AG statt und Herr Kubak vermeldete:

„Die deutliche Steigerung von EBITDA und Umsatz zum Halbjahr zeigt eindrucksvoll unsere aktuelle Wachstums-und Ertragskraft, trotz hoher Investitionen in den weiteren Ausbau und in neue Geschäftsfelder.“

Presseinformation zur HV 2019

Ob die neuen Geschäftsfelder auch langfristig weiter tragfähig sind, muss sich erst noch zeigen. Hier sind eben auch die öffentlich-rechtlichen Klassik-Kultur-Sender rund um ARD und ZDF staatlich subventioniert mit im Ring. Das Musikgenre „Klassik“ scheint jedoch heute noch eine interessante und rentable Nische zu sein. Ich bin also gewillt, den durchschnittlichen Gewinn der letzten 7 Jahre, der ja von dicken und dünnen (2012 & 2015) Jahren gekennzeichnet war, für die nächsten 5 Jahre in die Zukunft zu schreiben. Somit errechnet sich ein innerer Wert für die Klassik Radio Aktie von 2,56 Euro.

Bei einer etwas wohlwollenderen Berechnung und bei ausschließlicher Berücksichtigung der letzten 3 Rekordjahre, in denen der durchschnittliche Gewinn je Aktie bei rund 0,32 Euro liegt, ergäbe sich ohne Sicherheitsmarge ein „optimistischer“ innerer Wert der Aktie von 3,58 Euro.

In beiden Fällen jedoch wird meines Erachtens ausreichend offensichtlich, dass der aktuelle Kurs von 7,65 Euro je Klassik Radio Aktie kein guter Einstiegspreis mehr ist.