Nachdem ich mich so ausführlich mit der Liquidität der Wacker Neuson SE befasst habe und zu dem Schluss kam, dass der über ein Jahr andauernde negative operative CashFlow ein sorgenerregendes Liquiditätsrisiko darstellt, ließ mich der Gedanke nicht los, diesen Check in verkürzter Form für alle Unternehmen meines Musterdepots durchzuführen.

Zu diesem Zweck werde ich heute also ein paar relevante Kennzahlen sammeln (aktuelles Jahr/Vorjahr), sie miteinander vergleichen und in einer einfachen Form tabellarisch darstellen. Mein Ziel ist es herauszufinden, ob irgendwo ein etwaiges Liquiditätsrisiko besteht und wie hoch es ist. Eventuell muss ich mich, ähnlich wie bei Wacker Neuson, danach von dem einen oder anderen Unternehmen trennen, weil ich ich, angesichts der schwierigen Konjunkturaussichten, den Liquiditätspuffer für zu gering halte.

Entwurf einer Liquiditätskennzahl

Die Hauptschwierigkeit bei der Erstellung einer Liquiditätskennzahl scheinen für mich die unterschiedlichen Berichtsperioden zu sein, von denen ich ja immer die aktuellsten Ergebnisse mit einfließen lassen möchte. Einfacher wäre es, mir irgendeinen abgeschlossenen Geschäftsjahresbericht zu nehmen und die Kennzahl auf dieser Basis zu berechnen. Aber warum soll/darf ich die bereits vorliegenden Q3-Berichte ignorieren? Das wäre nicht korrekt. Ich muss also eine Kennzahl „designen“, die alle vorliegenden Daten berücksichtigt und dennoch vergleichbar bleibt.


Zwischenbemerkung

Ich werde die von mir zu kreierende Kennzahl auf die Unternehmen meines Musterdepots anwenden. Obwohl ich die Wacker Neuson per ad-hoc-Update verkauft habe, werde ich sie in meiner Analyse mit berücksichtigen. Ich erhoffe mir am Ende auf Basis meiner „neuen“ Liquiditätskennzahl(en) einen mathematisch belegten „Beweis“ meiner Vermutung, dass das Liquiditätsrisiko von Wacker Neuson im Vergleich zu meinen anderen Musterdepot-Unternehmen erhöht ist. Schaunmermal!


Ich beginne zunächst, mir aus dem letzten vollständigen Geschäftsbericht eines Unternehmens fünf Kennzahlen zu extrahieren. Diese Kennzahlen, um sie etwas zu normalisieren, extrahiere ich, wo möglich und nötig, auf 2-Jahressicht:

  • operativer CashFlow (opCash2): Wieviel Geldzufluss vor Zinsen und Investitionen hat das eigentliche Business des Unternehmens auf 2-Jahressicht im Schnitt generiert?
  • CashFlow aus Investitionstätigkeit (invCash2): Wieviel Geldmittel (ohne Akquisitionen, Devestitionen, Sonderneinnahmen/-abflüsse) hat das operative Kerngeschäft im Schnitt der letzten 2 Jahre (Erneuerungen, Modernisierungen, Reparaturen etc.) verschlungen?
  • FreeCashFlow (FrCash2) / „Veränderung Zahlungsmittelbestand“: Wieviel Geldzufluss bliebt auf 2-Jahressicht im Schnitt übrig (ohne Akquisitionen, Devestitionen, Sonderneinnahmen/-abflüsse), nachdem Zinsen, Steuern, Dividenden und Investitionen beglichen wurden?
  • ungenutzte Kreditlinien (ungKredit): Wieviel kurzfristiges Fremdkapital stand dem Unternehmen für eventuelle Liquiditätsengpässe am Ende des letzten vollständigen Geschäftsjahres sofort zur Verfügung?
  • Finanzverpflichtungen (outCash3): Wieviel Geldabfluss hat das Unternehmen in den nächsten 0 bis 3 Jahren zu stemmen (Zinsen/Tilgungen von Darlehen oder Krediten an nicht-verbundene Unternehmen)? Da, wo die Finanzverbindlichkeiten nur mit der Laufzeit „1-5 Jahre“ ausgewiesen wurden, habe ich sie vollumfänglich in outCash3 berücksichtigt (Hornbach).

Für mein Musterdepot inkl. Wacker Neuson sieht das dann erst einmal so aus:

Statustabelle Liquidität Musterdepotunternehmen Ende letztes Geschäftsjahr
Statustabelle Liquidität Musterdepotunternehmen Ende letztes Geschäftsjahr

Liquiditätsbedarf

Wenn ich nun für die nächsten 3 Jahre wissen will, wieviel Cash ein Unternehmen in dieser Zeit benötigen wird (LiqWant3), muss ich eine weitere Spalte anfügen, in der die Investitionsvolumina der kommenden 3 Jahre (invCash2 mal 3) und die Abflüsse für Finanzverbindlichkeiten (outCash3) zusammengefasst werden. Des Weiteren berücksichtigt die obere Statustabelle zur Liquidität nur den CashFlow, nicht aber den bereits vorhandenen Bestand an Cash (istCash) zum Ende des Berichtszeitraumes. Inklusive der beiden neuen Spalten sieht das Ganze dann so aus:

Status Liquidität Musterdepotunternehmen Ende letztes Geschäftsjahr
Statustabelle Liquidität inkl. Bedarf für 3 Jahre und Ist-Cash der Unternehmen

Kennzahlen

Nun kann ich aus der obigen Tabelle fröhlich Kennzahlen errechnen. Wie weit deckt der operative CashFlow der letzten beiden Jahre, wenn er mit bspw. 10% Sicherheitsmarge in die zukünftigen 3 Jahre extrapoliert wird, plus aktuellem Cash-Bestand den CashBedarf der nächsten 3 Jahre ab (Liq1)? Wie sieht es mit 30% Sicherheitsmarge aus (Liq3)? Wie weit decken Liq1 bzw. Liq3 plus der ungezogenen Kreditlinien den CashBedarf der nächsten 3 Jahre ab (Liq1a/Liq3a)? Und das ganze dann bitte in einer griffigen Kennzahl, die Auskunft zur Über-/Unterdeckung des Liquiditätsbedarfes gibt (Liq1P/Liq1aP/Liq3P/Liq3aP). Für mein Musterdepot inkl. Wacker Neuson sieht das tabellarisch so aus (mehr als 100% ist Überdeckung / weniger als 100% ist Unterdeckung; alles was rot ist, ist absolut gesehen eine Unterdeckung):

Kennzahlenberechnung auf Basis des Liquiditätsstatus Ende des letzten Geschäftsjahres

Einarbeitung aktueller Quartalsergebnisse

Als wäre das alles nicht schon theoretisch genug, haben wir ja noch die jeweils aktuellsten Quartalszahlen zu verwursten. Nicht zuletzt waren es die Q3-Zahlen 2019 von Wacker Neuson, die mich dazu veranlasst haben, diese Position zu liquidieren. Wie also weiter?

Das Logischste ist natürlich, zunächst den aktuellen Cash-Bestand in die Statustabelle zu übernehmen. Des Weiteren werden in den CashFlow-Tabellen der Quartalsberichte (hoffentlich) „Zuflüsse durch die Aufnahme/Inanspruchnahme kurzfristiger Darlehen“ ausgewiesen, woraus man auf einen Geldzufluss aus den vorher noch nicht in Anspruch genommenen Kreditlinien schließen könnte. (Liest das hier überhaupt noch einer?) Demnach lassen sich auch die Werte in der Spalte ungKredit sehr schön anpassen. Der Investitionsbedarf der nächsten 3 Jahre (invCash3) wird sich ebenso wie der CashOutflow (outCash3) wahrscheinlich wenig verändert haben, kann, aus Sicherheitsgründen, also konstant bleiben.

In der Natur eines Quartalsberichtes liegt es, dass er nur einen Teil des Geschäftsjahres abbildet und demnach nicht mit einem Gesamtjahr vergleichbar ist. Aus Mangel an Alternativen schlage ich also vor, den ausgewiesenen CashFlow des jeweiligen Quartales durch die Anzahl Quartal, die er umfasst zu teilen, und auf ein volles Jahr hochzurechnen. Bei Q1-Berichten ist das eine ziemlich sinnlose Übung, Q3-Berichte hingegen sind für das Gesamtjahr fast schon repräsentativ. Mit diesen neuen operativen CashFlows (opCashN) und ohne den bisher für Berechnungen ungenutzten FreeCashFlow (FrCash2) darzustellen, stellt sich die mit Quartalsergebnissen angereicherte Statustabelle zur Liquidität meiner Musterdepot-Unternehmen inkl. Wacker Neuson wie folgt dar:

Liquiditätsstatus am mit eingebauten Quartalsergebnissen
Statustabelle Liquidität mit eingebauten, extrapolierten Quartalsergebnissen

Und daraus lassen sich dann wieder sehr schön die obigen Kennzahlen errechnen, die auf eine vermeintliche Über- oder Unterdeckung des Finanzbedarfes der Unternehmen für die nächsten 3 Jahre schließen lassen:

Liquiditätskennzahlen auf Basis des neuen Liquiditätsstatus

Fazit (eeendlich!!)

Sollte nun tatsächlich noch ein Leser übrig sein, der sich mit mir gemeinsam durch diese pseudo-wissenschaftliche Wall-of-Text gekämpft hat, freue ich mich sehr, mit ihm zu resümieren. Es ist offensichtlich, dass mich mein Gefühl bezüglich Wacker Neuson nicht ganz getäuscht hat. In keinem der beiden Sicherheitsmargenszenarien (10% und 30%) wird der Liquiditätsbedarf des Unternehmens der nächsten 3 Jahre gedeckt. Und das auch dann nicht, wenn ich die 150-Mio.-Euro Anleihe, die Wacker Neuson im ersten Halbjahr 2019 emittiert hat, einkalkuliere! In den nun dämmernden, konjunkturell schwierigen Fahrwassern sieht das nach einer heiklen Angelegenheit für den Baumaschinenhersteller aus.

Auf der anderen Seite freut es mich, dass sich die Hornbach Holding im Vergleich zum Ende 2018 liquiditätsmäßig auf Vordermann gebracht hat. Hier darf man nicht vergessen, dass outCash3 eigentlich outCash5 heißen müsste, weil ich eben aus Mangel an besserem Quellmaterial alle Verbindlichkeiten mit einer Laufzeit von 1 bis 5 Jahren berücksichtigen musste. Alle andern Unternehmen sind mit den ihnen zugesicherten Kreditlinien sowie dem gezeigten operativen CashFlow in Bezug auf Liquidität aus meiner Sicht gut versorgt. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

– Fin –


Post Skriptum: Dieser Artikel ist ein Versuch, das schwierige Thema der Liquidität greifbar zu machen. Die Methode ist mit Sicherheit nicht tadellos, bietet aber dennoch dem Einen oder Anderen eine neue Perspektive auf den Sachverhalt. So, wie sie es für mich getan hat.