Heute Nachmittag veröffentlichte die Südzucker AG vorläufige Zahlen für das abgelaufene Geschäftsjahr 2018/19. Wir befinden uns momentan hälftig im Zuckerwirtschaftsjahr 18/19, aber schon am Anfang des neuen Geschäftsjahres 2019/20, für das das Unternehmen bereits eine erste Umsatz- und Ergebnisprognose gewagt hat.

Ich möchte in diesem Beitrag alle neuen Zahlen prüfend auseinandernehmen und werde wohl, wie angekündigt, den inneren Wert der Südzucker-Aktie neu berechnen müssen. Mr. Market hat sein Urteil ja bereits „ausgearbeitet“, der Aktienkurs sauste nach Veröffentlichung der Zahlen etwa 11% in den Keller.

Viel Spaß beim Lesen!

(die anderen Teile meiner Südzucker-Story befinden sich hier1, hier2, hier3 und hier4)

Was wurde berichtet?

Zunächst einmal erwartet die Südzucker AG das „Vorliegen eines Cash-Flow-Ereignisses“ für die Hybrid-Anleihe. Dieses Ereignis liegt vor, wenn der konsolidierte Cash-Flow der AG fünf Prozent der konsolidierten Umsatzerlöse unterschreitet (siehe dazu auch Teil 3 und Teil 4 meiner Südzucker-Story). Der Eintritt dieses Ereignisses hat zur Folge, dass die Südzucker AG für ihre ausgegebene Hybrid-Anleihe keine Vergütung (Zinsen) auszahlen muss/darf. Diese Zinszahlungen fallen demnach wahrscheinlich für die Folgetermine im Juni, September, Dezember 2019 und März 2020 aus.

Des Weiteren liegen die vorläufigen, ungeprüften Ertragszahlen für das abgelaufene Geschäftsjahr 2018/19 vor. Demnach wurden ein Konzernumsatz von 6.750 Mio. Euro und ein operatives Konzernergebnis von 25 Mio. erzielt. Das EBITDA soll bei 350 Mio. Euro und die Eigenkapitalquote bei ca. 50% liegen. Für das letzte Geschäftsjahr wird der Hauptversammlung, trotz des Gewinneinbruchs, die Ausschüttung einer Dividende in Höhe von 0,20 Euro je Aktie vorgeschlagen werden, insgesamt eine Summe, die sich auf 41 Mio. Euro beläuft.

Für das im März 2019 gestartete Geschäftsjahr lautet die vorsichtige Prognose: 6.700 Mio. – 7.000 Mio. Euro Umsatz, EBITDA zwischen 360 Mio. und 460 Mio. und ein operatives Konzernjahresergebnis zwischen 0 und 100 Mio. Euro.

Goodwill / Assets

Ein zentraler Aspekt der aktuellen Veröffentlichung ist eine Neubewertung der immateriellen Vermögensgegenstände (Goodwill) im Segment Zucker, die in einer Sonderabschreibung in Höhe von 700 Mio. Euro auf die 780 Mio. Euro „Goodwill“ mündet. Was bedeutet das nun?

Ich möchte hier nicht auf die Einzelheiten des bilanziellen Goodwills eingehen, aber wer trotzdem mehr dazu erfahren möchte, kann das hier (Wikipedia) oder hier (Warren Buffets Letter to Shareholders 1983, Appendix) gern tun. Kurz gesagt betrug der immaterielle Firmenwert des Segmentes Zucker zum letzten Bilanz-Stichtag etwa 780 Mio. Eine Neubewertung anhand der Zukunfts- und Ertragsaussichten für das Zuckermarktumfeld zwingt die Südzucker AG dazu, fast 90% (700 Mio. Euro) dieses „Firmenwertes“ abzuschreiben und als Einmalaufwand/Kosten entweder in die letzte (2018/19) oder die folgende (2019/20) Gewinn-und-Verlust-Rechnung aufzunehmen (ich denke eher, dass dieser Aufwand in das neue Geschäftsjahr gebucht wird, genau entnehmen kann ich das der Veröffentlichung aber nicht).

Darüber hinaus ergeben sich durch den angekündigten Restrukturierungsplan einmalige Restrukturierungsaufwände in Höhe von 150 Mio. für das aktuell laufende Geschäftsjahr, die zu 100 Mio. Euro aus Sonderabschreibungen durch Werthaltigkeitsprüfungen des materiellen Zucker-Anlagevermögens bestehen (zum Thema Abschreibungen hier ein Beitrag).

In Summe also werden die bilanziellen, langfristigen Vermögenswerte der Südzucker AG um 700 Mio. + 100 Mio. schrumpfen. Das Schrumpfen dieses Segments hatte ich in Teil 4 meiner Südzucker-Story erwartet. Dazu passt auch die um die Einzelheiten des angekündigten Restrukturierungsplanes erweiterte Unternehmenspräsentation (siehe Slide 34 ff.), die ein Schrumpfen für Umsatz, Zuckererzeugungsvolumen, Mitarbeiteranzahl und Fabrikanzahl in Aussicht stellt.

Innerer Wert der Südzucker-Aktie

Der endgültige Geschäftsbericht für das Geschäftsjahr 2018/19 erscheint erst am 16. Mai 2019. Daher kann für meine Berechnungen nur den Q3-Bericht des letzten Geschäftsjahres zurate ziehen. Zum 30. November 2019 betragen die langfristigen Vermögenswerte etwa 5.236 Mio. Euro. Davon ziehe ich nun die 800 Mio. Euro angekündigte Abschreibungen ab. Auf der anderen Seite der Bilanz subtrahiere ich die 800 Mio. Euro schlicht direkt vom Eigenkapital (3.366 Mio. Euro); es blieben nach Abzug noch 2.566 Mio. Euro investiertes Aktionärskapital übrig. Bei 204,2 Mio. ausstehenden Aktien ergibt das einen Buchwert von rund 12,57 Euro/Aktie.

Nun schnell weiter zu den zukünftig erwartbaren Gewinnzuflüssen, bei denen es natürlich sehr mau aussieht. Die Gewinne der letzten 7-10 Jahre bieten hier einfach keinen Anhaltspunkt, weil sich die Südzucker AG und ihre Wettbewerber nach dem Ende der EU-Zuckermarktordnung mitten im Restrukturierungs- und Konsolidierungsprozess befinden (siehe dazu Teil 1 meiner Südzucker-Story). Das Unternehmen wird für das letzte und wahrscheinlich auch für das laufende Geschäftsjahr einen Verlust pro Aktie ausweisen. Dieser Verlust resultiert hauptsächlich aus dem niedrigen und volatilen Weltzuckerpreis, der zum Einen nur mickrige Umsätze im Zuckersegment zulässt und dadurch zum Anderen sehr hohe Abschreibungen auf das gesamte Zuckergeschäft notwendig macht.

Wenn ich hier also eine Sicherheitsmarge einbauen will, was ich als Value-Investor einfach tun muss, dann gehe ich für das letzte und das laufende Geschäftsjahr von einem Verlust je Aktie von minus 1 Euro aus. Für die folgenden 5 Geschäftsjahre, und das traue ich dem Konzern zu, nehme ich einen vorsichtigen Gewinn je Aktie von 0,50 Euro an. In Summe addiere ich zum Buchwert also noch 0,50 Euro (2*-1 + 5*0,5) zukünftige Gewinnzuflüsse und erhalte auf 7 Jahre gesehen einen inneren Wert der Südzucker-Aktie von etwa 13,07 Euro.

Ausblick

Das Wichtigste vorab: Ich habe, nachdem der Kurs auf 11,70 Euro abgesackt war, wieder ein paar Südzucker-Aktien gekauft. „Ist der denn verrückt?“ fragt der geneigte Leser sich nun? Gerne führe ich das weiter aus:

  1. Wenn ich nicht schon Südzucker-Aktien besäße, hätte ich jetzt meine erste Position aufgebaut. Den tiefsten Punkt eines gebeutelten Aktienkurses trifft niemand, aber bei Südzucker liegen die Karten jetzt auf dem Tisch: der Ertrags- und Firmenwert (Goodwill) des Zucker-Segments wird großzügig abgeschrieben, der Zuckerumsatz- und Gewinnanteil innerhalb des Konzerns wird weiter schrumpfen, alle anderen Segmente sind solide (siehe dazu auch CropEnergies AG und Agrana). Bei 11,70 Euro ist die Aktie aus meiner Sicht, unter Berücksichtigung einer kleinen, aber guten Sicherheitsmarge, zu pessimistisch bewertet. Die Bewertung muss ohne die Berücksichtigung meines eigenen Einstiegskurses (etwa 15 Euro) erfolgen.
  2. Das EBITDA, also die Erträge des Konzerns vor den ganzen bilanziellen Neubewertungs- und Abschreibungsarien sowie Steuern/Zinsen, ist auch während der Restrukturierungsjahre gut positiv (2017/18: 758 Mio. Euro; 2018/19: 350 Mio. Euro; 2019/20: geschätzt zwischen 360 Mio. Euro und 460 Mio. Euro). Über alle Segmente gesehen ist die Südzucker AG also im Kern ertragreich. Die Aufwände durch Werthaltigkeitsprüfungen im Segment Zucker sind aufgrund der neuen Zuckermarktsituation notwendig, aber vorübergehend.
  3. Ich habe Zeit! Mein Investmenthorizont beträgt grob gesagt 5 – 10 Jahre, kann aber, je nach Aktienkurs, auch länger oder kürzer dauern. Mich zwingt niemand, mein Aktienpaket mit Verlust zu verkaufen. Mr. Market blitzt bei mir ab. Südzucker ist diversifiziert aufgestellt, einer der Marktführer in der europäischen Lebensmittelbranche und hat sich im Segment Zucker eben an die neue Marktordnung anzupassen. Gerne lasse ich die Verantwortlichen gewähren („Fokussierung auf EU-Markt, Weltmarktexporte nur, wenn opportun„) und kaufe währenddessen immer wieder kleine Positionen dazu.
  4. Konzernweit erzielt die AG immernoch einen Gewinn von 25 Mio. Euro, der auf die Aktionäre entfallende Gewinnanteil ist sicherlich negativ. ABER: Die Hybrid-Anleihen-Inhaber erhalten für das laufende Geschäftsjahr keinerlei Vergütungs-(Zins-)zahlungen, während die Aktionäre hingegen mit einer Dividende von 0,20 Euro je Aktie beschenkt werden sollen. Das finde ich gut priorisiert!
  5. Übliche Bewertungsmaßstäbe wie Durchschnittsgewinn, KGVs und Margen der letzten Jahre können aus meiner Sicht in der aktuellen Findungs- und Konsolidierungsphase der EU-Zuckerproduzenten einfach nicht zu Rate gezogen werden. Alle Marktteilnehmer bewegen sich in unkartierten Gewässern („Nordzucker steigt in die Rohrzuckerproduktion ein„), navigieren auf Sicht und verfallen vor lauter Hilflosigkeit ins Storytelling. Aussagen über die Zukunft sind schlicht unseriös. In dieser Situation entscheide ich mich aufgrund meiner Analysen also bewusst für den „Tanker“ der Südzucker AG.

Wenn es einfach wäre, dann könnte es ja jeder!