Value & Price

Seitenblicke #3

Und wieder habe ich drei börsennotierte Unternehmen zusammen, die ich so nicht selbst auf meinem Value-Radar sehe, die ich aber nun gerne für den interessierten Leser kurz und bündig unter die Lupe nehme. Die heutigen Kandidaten sind die Aktie der TUI (Kurs: 9,41 Euro), die der Jost Werke AG (26,10 Euro) und die der Deutsche Wohnen SE (31,72 Euro). Viel Freude beim Lesen des neuesten Beitrages aus der Kategorie „Seitenblicke“.

TUI Group

Die TUI Group ist der führende Touristikkonzern der Welt.„, sagt TUI. „Unter dem Dach des Konzerns bündeln wir das große Portfolio starker Veranstalter, 1.600 Reisebüros und führende Online-Portale, sechs Fluggesellschaften mit rund 150 Flugzeugen, über 380 Hotels, 17 Kreuzfahrtschiffe sowie Zielgebietsagenturen in allen wesentlichen Urlaubsländern rund um den Globus.“ Das liest sich ja schon einmal geschäftig. Der Gesamtumsatz des Konzern belief sich 2018 auf etwa 20.000 Mio. Euro, woraus sich ein EBITA (ja, ohne D) von 1.060 Mio. Euro und ein Jahresüberschuss von rund 819 Mio. Euro ergab.

Das bilanzielle Eigenkapital der Aktionäre je Aktie beträgt Ende 2018 etwa 6,29 Euro, der Durchschnittsgewinn für die letzten 7 Jahre liegt bei 0,90 Euro je Aktie, was einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 10,5 entspricht. Die Tatsache, dass TUI in seiner Berichterstattung die Abschreibungen/Wertberichtigungen ausklammert (also das D in aus EBITDA) beunruhigt mich etwas, weil diese Größe doch erheblichen Einfluss auf den letztendlichen Gewinn und den Wert des Anlagevermögens haben kann. Wenn in den 5.500 Mio. Euro Sachanlagen der TUI beispielsweise auch die Anschaffungskosten der 17 Kreuzfahrtschiffe enthalten sind, wovon ich natürlich ausgehe, dann möchte ich mir nicht ausmalen, wie eine Eintrübung der wirtschaftlichen Aussichten auf den Gewinn der TUI Group wirkt (hier nur ein kleiner Hinweis von Seite 170 des 2018er Geschäftsberichtes: „Bei Kreuzfahrtschiffen und deren Hotelbereichen wird bei erstmaliger Bilanzierung von einem Restwert in Höhe von bis zu 35% der Anschaffungskosten ausgegangen.„; sprich: 1.000 Mio. Euro bezahlt, es stehen aber nur 350 Mio. Euro in der Bilanz; ist das ein guter Einsatz von 1.000 Mio. Euro?)

Hinzukommt, dass die aktuelle Klimathematik Dienstleistungen rund um Flugreisen, Kreuzfahrten und globaler Touristik im Allgemeinen nicht gerade attraktiver macht. Die letzte Dividende von 0,72 Euro rentiert zum aktuellen Kurs zwar mit etwa 7,6% und auch das KGV ist niedrig. Dennoch müsste ich bei TUI für Buchwert und Gewinn eine gehörige Sicherheitsmarge berücksichtigen und komme daher zu dem Schluss, dass der aktuelle Kurs maximal eine faire Bewertung für das Unternehmen darstellt. Ein Schnäppchen oder gar ein begehrenswertes Geschäftsmodell sehe ich hier nicht.

Jost Werke AG

Ein Unternehmen, das mir vorher gänzlich unbekannt war und das ich nun kennenlernen darf, ist die Jost Werke AG (Danke nochmals für den Leserhinweis!): „Der Jost Konzern ist ein weltweit führender Hersteller und Lieferant von sicherheitsrelevanten Systemen für Zugmaschinen, Auflieger und Anhänger„. Ich lese also: „Weltweit führend“, „sicherheitsrelevante Systeme“ und gaaanz grob gesagt „LKWs“, also interpretiere ich „transportbranchenabhängig (Logistik)“ und somit getragen von dem wirtschaftlichen Aufschwung des Güterverkehrs über die „Straße“, nicht „Schiene“ oder „Luft“. Auf Seite 4 und 5 des 2018er Geschäftsberichtes sehe ich, dass „sicherheitsrelevant“ nicht diebstahlsicher, sondern „fahrtechnisch sicher“ bedeutet.

Währende 2018 offensichtlich das „beste Jahr der Firmengeschichte“ war, sahen die vergangen drei Geschäftsjahre, in denen teilweise enorme Verluste je Aktie zu Buche standen, nicht rosig aus. Der Börsengang des Unternehmens selbst ist noch gar nicht so lange her, gelang erst im zweiten Anlauf und war offensichtlich dazu gedacht, die „Schuldenlast zu halbieren“. Das liest sich für mich zwielichtig, ist aber zunächst nur ein subjektiver Eindruck. Das Eigenkapital je Aktie beträgt etwa 16,88 Euro, bei den Gewinnen kann ich leider nur 5 Jahre zurückblicken und erhalte im Schnitt einen „Überschuss“ von negativen 1,49 Euro je Aktie.

An dieser Stelle möchte ich dann auch mein Fazit ziehen: Die Logistikbranche ist ein hartumkämpfter Markt, die Arbeitsbedingungen für die Fahrer sind widerlich sehr schwierig, der Wettbewerb ist hart. In diesem Umfeld kann eine Nische, die sich ausschließlich mit „sicherheitsrelevanten Systemen“ befasst, attraktiv sein, aber von einem Gesamtabschwung in der Branche wären auch die „sicherheitsrelevanten“ Komponenten „sicherlich“ betroffen. Abgesehen davon sind die Finanzkennzahlen von Jost für die letzten Geschäftsjahre alles andere als schön, weshalb ich den aktuellen Kurs der Aktie als äußerst spekulativ einstufe.

Deutsche Wohnen SE

Unternehmensbewertung für Immobilienunternehmen ist vergleichsweise einfach, finde ich, weil man sich eigentlich nur das Immobilienportfolio ansehen muss, seine buchhalterische Bewertung und den daraus generierten Gewinn. Die Deutsche Wohnen liefert die Bestandszahlen bereits auf den ersten Seiten des 2018er Geschäftsberichtes: „Unser Bestand umfasst rund 167.000 Wohn- und Gewerbeeinheiten mit einem Gesamtwert von ca. EUR 22,2 Mrd. sowie Pflegeimmobilien mit 12.100 Pflegeplätzen und Appartements für Betreutes Wohnen im Wert von EUR 1,3 Mrd.„. Diese SE ist dann auch noch so freundlich, ihren eigenen Net-Asset-Value je Aktie auszuweisen. Für 2018 betrug diese Kennzahl 42,26 Euro, was bei einem Aktienkurs von knapp über 30 Euro erst einmal enorm attraktiv erscheint.

Die Frage, die sich nun stellt, ist, wie wurde der NAV berechnet? Das Thema NAV habe ich in meinem Blog bereits mehrmals behandelt und möchte nun einmal sehen, wie die Deutsche Wohnen diese Kennzahl ermittelt: „Der Nettovermögenswert wird unter Ansatz der Verkehrswerte des Immobilienportfolios ermittelt, wobei Jones Lang LaSalle (Vorjahr: CB Richard Ellis) die Immobilienbewertung als Gutachter verifiziert.“ Alles klar! Jedes Jahr beauftragt das Unternehmen also einen externen Gutachter, der den Verkehrswert der Immobilien bewertet, und das ist dann der „Asset Value“, der für den NAV und alle darauf basierenden Renditekennzahlen zugrunde gelegt wird.

Nun kann der Gutachter im Zusammenspiel mit seinem Auftraggeber natürlich in sein Gutachten schreiben, was er so meint in den Metropolregionen „gesehen“ zu haben. Bei Immobilienverkehrswerten, wie eigentlich bei jedem Vermögenswert, ist es aber nun einmal so, dass kein Preis für immer steigt und dass man zu seinem angesetzten Verkehrswert erst einmal jemanden finden muss, der bereit ist, genau diesen Preis zu zahlen. Erfahrungsgemäß gibt es bei schwieriger Marktlage an dieser Stelle immer einen gehörigen Abschlag. Die Bilanz der Deutsche Wohnen SE hingegen basiert im Gegensatz zum NAV auf den Anschaffungskosten der Vermögenswerte und liefert einen Buchwert je Aktie von 32,38 Euro (Ende 2018).

Deutsche Wohnen SE – Gewinnqualität

Wenn ich im aktuellen 6-Monatsbericht des Konzerns folgendes lese: „Die Deutsche Wohnen hat das erste Halbjahr 2019 mit einem Konzerngewinn von EUR 603,1 Mio. erfolgreich abgeschlossen. Der Rückgang von 8 % gegenüber dem Vorjahreswert ist insbesondere auf die geringeren Aufwertungen unseres Immobilienportfolios von rund EUR 450 Mio. (H1 2018: EUR 678 Mio.) zurückzuführen.„, dann ist auch der in den letzten Jahren so stark gestiegene Gewinn je Aktie nicht mehr so beeindruckend, weil der Hauptteil davon eben einfach nur auf die gestiegenen Marktpreise für Immobilien zurückzuführen ist. Das eigentliche Kerngeschäft, die Vermietung, stieg Ende 2018 insgesamt um 3,4%, davon nur 1,4% bei Bestandsmieten (also ohne Neu-Vermietung). Und wenn die Vermietung das eigentliche Kerngeschäft ist, was interessieren mich dann Verkehrswerte, die ich eigentlich gar nicht einstreichen werde/möchte, weil ich ja im Kern ein „Bestands“-Vermieter und kein Immobilien-Händler bin?

Vor diesem Hintergrund liegt der Aktienkurs der SE momentan auf dem nachvollziehbaren Niveau des bilanziellen Buchwertes je Aktie, was ich auch vernünftig finde. Allerdings bin ich als Value-Investor immer an einer Sicherheitsmarge für Fehlberechnungen und Wirtschaftsabschwünge interessiert, weshalb ich den aktuellen Kurs der Aktie dennoch als zu hoch einschätze. Die Qualität der Gewinne der letzten Jahre basiert hauptsächlich auf dem spekulativen Gebahren der Immobilienkäufer und -verkäufer in den Regionen und das gefällt mir nicht bzw. spricht nicht für die Nachhaltigkeit der in den letzten Jahren erzielten Gewinne.

5 Kommentare

  1. Daniel_S

    Hi,
    mich würde mal deine Meinung Herangehensweise bei einer Aktie wie BIC “ FR0000120966″ interessieren. Man kennt die Marke von den Stiften und Feuerzeugen. Die Aktie fällt wie ein Strich seit knapp 3 Jahren. Umsätze gehen Zurück und Gewinn auch. Die Frage wäre nun, ab wann wird den so eine Aktie aus deiner Sicht wieder interessant. Die Margen laut Morningstar sahen während und nach 2009 noch ziemlich gut aus – also nicht allzu zyklisch. Schulden sind gering.
    Derzeit würde ich sicher nicht ins fallende Messer greifen, aber ab wann wird eine solche Aktie wieder Interessant?

    Beste Grüße
    Daniel

    • Vincent Bouvier

      Hallo Daniel,

      danke für die Anregung. Ich werde mich bemühen, eine Antwort zu geben.

      Viele Grüße

      Bouvier

  2. Malte

    Hallo Bouvier,

    erstmal besten Dank für die schnelle Umsetzung meiner Empfehlung zur Analyse der Deutschen Wohnen!!

    Mich verwundert hierzu deine/Ihre Argumentation:
    Wenn die Bilanz auf den Anschaffungswerten beruht, dann ist das aus meiner Sicht enorm konservativ bewertet. Die Immobilienpreise sind seit Anschaffung mit Sicherheit gestiegen. Hierfür gibt es diverse Gründe: Inflation, begrenztes Angebot, Urbanisierung, steigende Mieten, Niedrigzinsphase…

    Nun gehe ich mit, dass man die Gewinne nach dem Ertragswertverfahren, also den eingefahrenen Mieten bewerten sollte. Aber dann bedeuten die stark gestiegenen Immopreise doch immense stille Reserven!! Denn theoretisch könnte das Unternehmen die Immos ja auch verkaufen.
    Das ist ein bißchen so wie in Gold sparen, da ja auch Immos (insbesondere in Ballungsgebieten) begrenzt sind.

    Daher denke ich, dass die Deutsche Wohnen derzeit attraktiv ist.

    Viele Grüße
    Malte

    • Vincent Bouvier

      Hallo Malte,

      die Bewertung dieser Immobilien ist eine schwierige Sache. Die Anschaffungskosten spiegeln natürlich nicht die gestiegenen Immobilienpreise wider, aber die gestiegenen Immobilienpreise spiegeln auch mit Sicherheit nicht das wider, was man bei Verkauf erzielen würde, wenn man Immobilien in diesem Volumen auf den Markt brächte. Und wie gesagt: Nur weil die Immobilienpreise steigen heißt das nicht, dass der Ertragswert, also die zu erzielenden Mieten im gleichen Maße steigen.

      Somit liegt die Wahrheit irgendwo zwischen Buchwert und Verkehrswert. Die Frage, die sich jeder nun selbst stellen muss, ist, hält man den optimistischeren Wert (Marktpreis) für realistischer oder eben den pessimistischeren (Anschaffungskosten inkl. Abschreibungen). Ich orientiere kich von Natur aus eher an Letzerem, weil Immobilien eben nicht wie Gold sind. „Es gibt immer was zu tun“, wie irgendeine Baumarkt-Werbung einmal andeutete; Immobilien kann man nicht einfach „im Safe liegen lassen“, sie wollen auf die eine oder andere Art immer gepampert werden. Und von den Mietern bzw. der Mieterverwaltung selbst habe ich da noch gar gesprochen.

      „Die Wahrheit ist irgendwo da draußen“ 🙂

      Viele Grüße

      Bouvier

  3. Tina

    Hi,

    zunächst mal vielen Dank für die vielen unabhängigen und ausführlichen Aktienanalysen, die ich sehr gerne lese!
    Als Seitenblick-Vorschlag hätte ich die Aumann AG (DE000A2DAM03). Die Aktie wurde erst 03/2017 gelistet – damals mit 42€. Heute liegt sie bei etwas über 13€, was ziemlich genau den Buchwert trifft…

    Beste Grüße
    Tina

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