Value & Price

Seitenblicke #4

In der von den Lesern so gut angenommenen Rubrik „Seitenblicke“ wurden mir wieder drei Unternehmen genannt, die ich mir heute in Bezug auf das Verhältnis Value zu Preis gern kurz und knackig ansehen möchte. Es handelt sich dabei um die CompuGroup Medical SE (Softwarehersteller), die BIC SA (französischer Konsumgüterhersteller) und die Aumann AG (deutscher Anlagenbauer).

Viel Spaß beim Lesen!

CompuGroup Medical SE

Schon die Startseite der CompuGroup gibt Aufschluss darüber, was das Kerngeschäft des Unternehmens ist: „Synchronizing Healthcare“. Softwaregestützte Workflows und Beratung um den Datenaustausch zwischen Ärzten, Kliniken, Apotheken, Laboren, Patienten etc. zu vereinfachen. Kurz: eHealth. Dass sich knapp 60% der Aktien in Familienbesitz befinden, die CompuGroup quasi ein Familienbetrieb ist, hört sich schon einmal sehr nach „Value“ an, finde ich.

Das Vermögen der CompuGroup (848 Mio. Euro) besteht, wie bei einem Softwareunternehmen nicht anders zu erwarten, zum größten Teil aus immateriellem Vermögen (536 Mio. Euro). Dazu gesellen sich dann 105 Mio. Euro Forderungen aus Lieferungen und Leistungen sowie 25 Mio. Euro Cash. Das Eigenkapital der Bilanz beträgt in Summe 273 Mio. Euro (EK-Quote 32%), das den Aktionären der SE zustehende Kapital rund 271 Mio. Euro. Der Buchwert je Aktie beträgt somit Ende 2018 etwa 5,09 Euro.

Der Durchschnittsgewinn des Unternehmens für die letzten 7 vollständigen Geschäftsjahre beläuft sich auf circa 0,83 Euro, die Dividende im gleichen Zeitraum im Mittel rund 0,37 Euro. Dies ergibt ein retrospektives Kurs-Gewinn-Verhältnis zum heutigen Kurs (53,65 Euro) von gerundeten 65 sowie eine retrospektive Dividendenrendite von 0,7%. Auf das Jahr 2018 bezogen, betragen diese Kennzahlen 45 und 0,9%. Aus den bisherigen Berechnung möchte ich bereits jetzt das Fazit zum inneren Wert ziehen. Wenn der Buchwert die nächsten Jahre konstant bleibt und die CompuGroup für die folgenden 7 Geschäftsjahre einen konstanten Gewinn auf dem Niveau von 2018 einfährt, dann gelange ich, ohne auch nur über eine Sicherheitsmarge nachzudenken, auf einen fairen Preis von 18,25 Euro. Wie ich den aktuellen Kurs von über 50 Euro rechtfertigen soll, wüsste ich nicht.

BIC SA

Ein wirklich sehr interessantes, französisches Unternehmen, das ich nicht auf dem Schirm hatte, ist der Konsumgüterkonzern BIC. Die drei Geschäftssegmente sind schnell genannt: Schreibwaren (TippEx, Bleistifte, Kugelstifte etc.), die wahrscheinlich weltweit bekannten Plastik-Feuerzeuge und Nassrasierer (!); ja Nassrasierer! Und ja, dieser Konzern konkurriert in diesem Segment tatsächlich mit Buffetts Gilette. Die genannte Segmentreihenfolge spiegelt auch die Wichtigkeit beim Umsatzanteil des Unternehmens dar: 772 Mio. Euro, 686 Mio. Euro und 438 Mio. Euro, was inklusive „Sonstigem“ einem Umsatz für 2018 von 1.950 Mio. Euro entspricht (-4% im Vergleich zum Vorjahr).

Von diesem Umsatz bleibt 2018 ein Überschuss von 173 Mio. Euro hängen. Für das Ergebnis pro Aktie weist das Unternehmen 3,80 Euro aus, dazu aber auch noch ein „normalisiertes“ Ergebnis je Aktie von 5,87 Euro. Letzteres liegt mehr auf Höhe des Durchschnittes der vorhergehenden 6 Geschäftsjahre (5,79 Euro). Was ist da also passiert?

Auf Seite 175 des 2018er Geschäftsberichtes werden die gesamten Umsatzerlöse des abgelaufenen Geschäftsjahres sowie das „income from operations“ (IFO) nach Geschäftssegmenten gelistet. Dort ist zu erkennen, dass das Schreibwaren-Segment (Stationery) einen Verlust von 14,1 Mio. Euro zu verbuchen hatte. Eine Seite vorher, auf Seite 174, ist zu lesen, warum das so war. Die Marken „Cello“ und „Pimaco“ mussten ein Goodwill-Impairment (eine Abschreibung auf Firmen- oder Markenwert) in Höhe von 74,2 Mio. Euro über sich ergehen lassen. Ohne diese außergewöhnliche Abschreibung (normalisiert also) betrüge das IFO in diesem Segment 62,8 Mio. Euro.

Bei einer Bilanzsumme von 2.367 Mio. Euro, einm Eigenkapital in Höhe von 1.638 Mio. Euro (EK-Quote 69%), Goodwill/immateriellen Vermögenswerten in Höhe von 287 Mio. Euro und einem Cash-Bestand von 162 Mio. Euro, ist das Unternehmen finanziell solide aufgestellt. Der Buchwert je Aktie (45,6 Mio. Aktien) beträgt rund 35,92 Euro. Der Hauptaktionär der BIC SA ist übrigens die Familie Bich, die mit Gonzalve Bich sogar den CEO des Unternehmens stellt.

Der Durchschnittsgewinn je Aktie für die letzten 7 Jahre beträgt 5,51 Euro, was beim aktuellen Kurs von 63,10 Euro einem retrospektiven Kurs-Gewinn-Verhältnis von 11,5 entspricht. Die Dividende in der Zeit lag im Mittel bei 3,11 Euro, die zum heutigen Kurs mit 4,9% rentiert.

BIC ist weltweit aufgestellt und weist für seine Geschäftssegmente einen erheblichen Marktanteil in den eigenen Produktgruppen aus (siehe Geschäftsbericht 2018). Die Strategie „Simple products that are build to last“ scheint sehr gut zu funktionieren. Die Finanzsituation ist solide, dennoch kann es aufgrund von schwankenden Wechselkursen, politischen Entwicklungen, außergewöhnlichen Abschreibungen immer wieder zu vermögenswirksamen Beeinträchtigungen kommen, denke ich; eben so, wie es 2018 der Fall war.

Wenn ich einen inneren Wert für die BIC-Aktie berechnen müsste, dann verlangte ich auf den Buchwert je Aktie eine 10%ige (32,32 Euro) und auf den Durchschnittsgewinn der letzten 7 Jahre eine 20%ige (4,41 Euro) Sicherheitsmarge. Für die nächsten 5 Jahre erhielte ich dann 54,37 Euro als abgesicherten Einstiegskurs. Wäre ich risikofreudiger und würde den zukünftigen Betrachtungszeitraum auf 7 Jahre ausdehnen, dann läge der innere Wert bei 63,19 Euro und das entspräche ziemlich genau dem aktuellen Kursniveau.

Aumann AG

Der erste prüfende Finanzblick auf die Aumann AG zeigt mir, dass der Gewinn je Aktie seit 2014 immer gestiegen ist, vor 2017 keine Dividende gezahlt wurde und das aktuelle Kurs-Gewinn-Verhältnis (2018er Gewinn) rund 10 beträgt. Rückwirkend, also seit 2014 gerechnet, beträgt der durchschnittliche Gewinn je Aktie rund 0,79 Euro, was einem retrospektiven KGV von rund 16 entspricht. Soweit also erst einmal alles ganz ok.

Das Unternehmen zählt auf seiner Internetseite die Branchen „Automotive, Luft- und Raumfahrt, Schienenverkehr, Verbraucherelektronik, Landwirtschaft und Cleantec“ zu seinen Zielkunden. Für diese Kunden werden „vorwiegend Spezialmaschinen und automatisierte Fertigungslinien konstruiert, gefertigt und vertrieben„. Unterteilt wird dieses Business in die Bereiche „E-mobility“ und „Classic“, wobei sich aus der Bezeichnung der Bereiche ergibt, worauf der jeweilige Fokus liegt. Im Bereich „Classic“ beispielsweise dreht es sich hauptsächlich um klassische Verbrennungsmotoren sowie deren Fertigungslinien, Antriebsstränge und zugehörige Services.

Für das letzte vollständige Geschäftsjahr 2018 weist Aumann einen Gesamtumsatz von 290 Mio. Euro aus, wovon etwa 105 Mio. Euro auf den Bereich E-Mobility entfallen. Das EBIT lag bei 18,2 Mio. Euro, was einer EBIT-Marge von 9,2% entspricht. Das Aumann-Vermögen Ende 2018 in Höhe von 336 Mio. Euro besteht zum größten Teil aus „Forderungen aus Lieferungen und Leistungen“ (130 Mio. Euro) und eben Cash (106 Mio. Euro). Bei einer Eigenkapitalquote von soliden 58% sitzt das Unternehmen auf einem Nettofinanzguthaben von über 80 Mio. Euro. Der Buchwert pro Aktie beträgt Ende 2018 rund 12,84 Euro und lt. Halbjahresfinanzbericht 2019 etwa 13,23 Euro.

Die Aumann AG ist solide finanziert, so viel steht fest. Leider ist das Unternehmen erst 2017 an die Börse gegangen und daher ist die historische Krisenfestigkeit schlecht nachprüfbar. Wenn ich also aufgrund der Abhängigkeit vom klassischen Verbrennungsmotorengeschäft, der kurzen Börsenhistorie und der relativen „Winzigekeit“ des Unternehmens auf den Buchwert und zukünftige Gewinne eine 30%ige Sicherheitsmarge verlange, erhalte ich einen inneren Wert für diese Aktie von etwa 13,23 Euro (1). Der aktuelle Kurs von 12,44 Euro ist aus meiner Sicht somit für alle Interessierten ein guter Einstiegspreis. Mit der MBB SE und deren Anteil am Grundkaital von etwa 38% findet man sich dann sogar im im Boot eines starken Ankerinvestors wieder.


(1) Buchwert 13,23 Euro weniger 30% ergibt 10,18 Euro; Durchschnittsgewinn 0,79 Euro weniger 30% ergibt 0,61 Euro; in Summe also wieder 13,23 Euro! Kurios!! 🙂

3 Kommentare

  1. Lasse

    Hi,

    zunächst einmal vielen Dank für den Beitrag!
    Schon mal die japanische Kikkoman Corp. angesehen? Da ich gerne asiatisch esse ist mir aufgefallen, dass fast jeder die Sojasauce von dem selben Hersteller benutzt: Kikkoman. Der erste Blick auf das Unternehmen lässt dieses allerdings sehr teuer aussehen, aber vielleicht übersehe ich da ja etwas 🙂

    Beste Grüße

    Lasse

  2. Tina

    Hi,

    vielen Dank, dass mein Aumann AG Vorschlag gleich in #4 (kurz-) analysiert wurde! Sehr interessant!

    Ich hätte auch gleich 2 weitere Vorschläge für einen Seitenblick irgendwann in der Zukunft:
    1. Die Villeroy & Boch AG (DE0007657231), die sich seit ein paar Monaten in einer Seitwärtsbewegung im Bereich um 1.5 KBV und 10er KGV bewegt.
    2. Die Hermle AG (DE0006052830), die mit einem KBV von über 5 und einem KGV von über 15 noch sehr teuer ist. Allerdings ist sie aktuell um 260€ zu erstehen und somit deutlich von ihrem Höchststand (ca. 400€) gefallen und zuletzt 2016 so günstig gehandelt wurde.

    Viele Grüße
    Tina

  3. Dr. Wörner

    Eine weitere Anregung für Seitenblicke wäre Fiskars WKN 871059.

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