In meinem ersten Teil der „History“-Serie analysierte ich rückblickend die Aktie der BASF SE im Jahre 2008/09. Meine Motivation damals so wie heute war und ist, anhand meiner Value-Analyse-Methode zu erkennen, welche Unternehmen ungeachtet der damaligen, medialen Schwarzmalerei gestärkt und profitabel aus Finanzkrisen der Makroebene hervorgegangen wären. Aus diesem Rückblick erhoffe ich mir die Möglichkeit, meine Methode zu validieren, um sie auch zukünftig noch aussagekräftig anzuwenden. Da der Chemieriese BASF SE eigentlich „unzerstörbar“ war und es fast schon logisch erschien, dass er die Finanzkrise überleben würde, habe ich mir heute die Schloss Wachenheim AG (SWA) herausgesucht (Jahresumsatz im Schnitt etwa 300 Mio. Euro). Mal sehen, wie bei denen die Finanzkrise verlief…

SWA-Geschäftsjahr 2008/2009

Das volkswirtschaftliche Umfeld der SWA war mit dem der BASF SE vergleichbar und daher führe ich das hier nicht weiter aus, sondern verweise auf die entsprechende Passage des BASF-History-Artikels.

Das Geschäftsjahr 2008/09 war für die SWA von zwei Wesentlichen Faktoren geprägt: Zum Einen musste der starke Anstieg der Rohstoffpreise bis Herbst 2008 durch Preiserhöhung für Kunden und durch Sortimentsbereinigungen kompensiert werden. Für den anderen bestimmenden Faktor des Jahres 2008/09 zitiere ich den damaligen Vorstandsvorsitzenden und heutigen Aufsichtsratsvorsitzenden Nick Reh:

Diese Veränderungen (Preiserhöhungen und Sortimentsbereinigungen; Anm. d. Autors) hatten wir bereits eingeleitet, bevor die Finanzkrise im Laufe des Geschäftsjahres ab September 2008 mit ihren negativen Folgen immer mehr zum Tragen kam. Die Finanzkrise hatte bisher auf die Teilkonzerne Deutschland und Frankreich nur geringe negative Folgen auf Umsatz und Ergebnis. Anders in Mittelosteuropa: Hier war seit Oktober 2008 eine deutliche Kaufzurückhaltung zu spüren. Hinzu kam, dass die Stabilität der Wechselkurse im Zuge der weltweiten Vertrauenskrise und der damit einhergehenden Risikoaversionen nicht mehr gegeben war.

Nick Reh, Geschäftsbericht 2008/09, Schloss Wachenheim AG

Die Organisationsstruktur der Schloss Wachenheim AG damals entsprach im Wesentlichen bereits der heutigen. Es gab die Teilkonzerne Deutschland, Frankreich und Mittelosteuropa. Darüber hinaus wurden und werden die Produkte des Unternehmens in alle Welt verkauft. Steigende Rohstoffpreise, schwierige Wechselkursesowie neue und sterbende Marken im Sortiment gehören bereits seit über 15 Jahren zum „Daily Business“ der SWA. Nichtsdestoweniger ist die Beteiligung an beziehungsweise der Erwerb von renommierten Weinhandelshäusern damals wie heute eine bewährte Strategie für die Vergrößerung der Vertriebsbasis/Markenreichweite (2008: Vintalia; 2018: Rindchens Weinkontor; siehe mein SWA-Update-Artikel dazu).

Ein interessantes Beispiel für die regelmäßigen und erfolgreichen Anpassungen der Konzernstruktur ist auch der Rückzug aus dem Wodka-Geschäft im Jahre 2003, der hinter diesem Link dokumentiert ist.

Die Finanzzahlen

Die Eigenkapitalquote des Schloss Wachenheim AG wurde im Geschäftsjahr von 34% auf 40% gesteigert. Das den Aktionären zurechenbare Eigenkapital (91,7 Mio. Euro) entsprach 11,58 Euro je Aktie. In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, dass sich die Anzahl der ausgegebenen Aktien (7,92 Mio. Stück) seit 2003/04 nicht verändert hat (siehe Geschäftsbericht 2005/06; Seite 11). Alle Übernahmen, Investitionen, Veränderungen in dieser Zeit wurden also ohne zusätzliches Aktionärs-Eigenkapital gestemmt. Das F-Score der SWA beträgt Ende 2008 übrigens starke 8 (siehe Tabelle im Anhang).

Vorsichtig, wie Nick Reh zu sein scheint, schlägt er den Aktionären im Rahmen des Geschäftsberichtes 2008 vor, auf Grund der Unsicherheiten der aktuellen Krise keine Dividende auszuschütten. Das war auch im Geschäftsjahr 2007 der Fall. Der Durchschnittsgewinn je Aktie der Jahre 2005 – 2009 beträgt rund 0,72 Euro, die Durchschnittsdividende in dieser Zeit 0,09 Euro. Im 2009er Aktienkurstal kostet die SWA-Aktie circa 4,50 Euro und somit ergibt sich ein retrospektive Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 6, eine retrospektive Dividendenrendite von 2% (trotz 2 „Null-Dividende-Jahren“).

Ich will nicht unerwähnt lassen, dass bei der SWA ein Jahr zuvor, im Geschäftsjahr 2007/08, ein Jahresfehlbetrag in Höhe von 700.000 Euro zu Buche stand, obwohl EBIT und EBITDA gut positiv waren. Dieser Fehlbetrag fiel allerdings den Minderheitsgesellschaftern (den Miteigentümern der Beteiligungsunternehmen) und nicht den Aktionären zu. Die oben beschriebenen Restrukturierungsmaßnahmen wirkten sich finanziell hauptsächlich also bereits 2007/08 auf das Geschäftsergebnis aus; daher auch das gute Ergebnis im darauffolgenden 2008/09er Geschäftsjahr (0,69 Euro Gewinn je Aktie; KGV 6,5).

Resümee

Wie sich die Schloss Wachenheim AG in den Jahren nach 2009 geschlagen hat, ist in meinem allerersten Artikel dazu nachzulesen. Aus Value-Sicht ist aber bereits 2009 erkennbar, dass das Unternehmen trotz stetiger Veränderung immer rentabel bleibt und seine Marktposition ausbauen kann. Zu einem Preis von 4,50 Euro erhielt ich auf dem Tiefpunkt des Aktienkurs in 2009 also über 11 Euro pure, prickelnde, familiengeführte, immaterielle (durch Marken- und Firmenwerte unterlegte) Schaumweinfreude. Ohne zukünftige Gewinne ab 2009 überhaupt nur in Betracht gezogen zu haben, schien die Schloss Wachenheim AG Aktie in 2009 ein echtes Value-Schnäppchen zu sein!


F-Score-Tabelle

F-Score Tabelle Schloss Wachenheim AG 2008 2009
F-Score Tabelle Schloss Wachenheim AG 2008/2009