Value & Price

Alba SE

Gestern bin ich in eine Investmentsituation geraten, die mir so noch nicht untergekommen ist. Beim Stöbern im 3-Säulen-Scoring-Modell für Value-Anlager von boersengeflüster.de, bin ich auf die Alba SE gestoßen und weil mir ein großes Recycling- und Müllverarbeitungsunternehmen in der heutigen Zeit unglaublich modern zu sein scheint, habe ich mich eingehender damit befasst.

Zwar zeigt sich die Gewinnhistorie nicht so verlockend, allerdings war die Dividendenhistorie im Vergleich dazu außerordentlich stabil, ja sogar fast leichtsinnig, angesichts der spärlichen Gewinne (siehe hier). Das Zauberwort an dieser Stelle lautet nämlich „Garantiedividende“ und damit habe ich auch schon den Schelm benannt, der mich mit seinem süßen Honig quasi in diese besondere Investmentsituation gelockt hat.

Symbolbild 🙂

Die Alba SE ist Teil der Alba Group, einem Konzern für Kreislaufwirtschaft. Genauer gesagt bedeutet dies, dass Metalle, Kunststoffe, Holz, Sonderabfall, Leichtverpackung, also eigentlich alles, was so an Müll anfällt, recycelt, verwaltet und wieder dem Rohstoffbedarf zugeführt wird. Mit seinen 5.250 Mitarbeitern erwirtschaftete die Group 2019 einen Umsatz von rund 1,05 Mrd. Euro.

Erst jüngst haben die beiden Eigentümer der Group, die Schweitzer-Brüder damit begonnen, die Tätigkeiten des Konzern unter sich neu zu ordnen und die Zuständigkeiten aufzuteilen. Demnach wir Erich Schweitzer künftig alle Anteile an der Alba Group Europe halten, zu der auch die Alba SE gehört. Axel Schweitzer wird alleiniger Eigentümer der asiatischen SAktivitäten, der Alba Group Asia.

„Die jetzt vorgenommene Neuordnung entspricht unseren inhaltlichen Schwerpunkten“, kommentiert Eric Schweitzer die Neuordnung. „Ich bin fest in Berlin, Deutschland und Europa verwurzelt, Axel ist in den letzten Dekaden zum anerkannten Asien-Experten geworden und zum Pionier einer Welt ohne Abfall.“

Quelle: HTTPS://320GRAD.DE/2021/07/26/ALBA-GRUPPE-WIRD-AUFGETEILT/

Diese Neuaufteilung steht zwar noch unter Vorbehalt der Zustimmung des Bundeskartellamtes, aber das dürfte nur eine Formalie sein. Und selbst wenn sie nicht erteilt wird, läuft das Geschäft der beiden Bruder problemlos weiter. Es ist ja nur eine organisatorische Trennung.

„Honigfalle“

Nun war ich also auf der Suche nach der Ursache dafür, dass die Alba SE in den letzten beiden Geschäftsjahren Verluste einfahren konnte, aber dennoch die seit 10 Jahren ausgezahlte Dividende von 3,25 Euro stabil halten konnte. Im Geschäftsbericht 2020 stieß ich auf Seite 13 auf folgende Formulierung zur Gewinnverwendung, die sich auf einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag (BGAV) zwischen der Alba Europe Holding plc & Co. KG und der Alba SE bezieht.

Den außenstehenden Aktionär*innen der ALBA SE garantiert die ALBA Europe Holding plc & Co. KG für die Dauer des Vertrages die Zahlung einer wiederkehrenden Geldleistung, die sogenannte Ausgleichszahlung. […]

Die Ausgleichszahlung beträgt für jedes volle Geschäftsjahr brutto 3,94 Euro je ALBA SE-Aktie abzüglich Körperschaftsteuer nebst Solidaritätszuschlag nach dem jeweils für diese Steuern für das betreffende Geschäftsjahr geltenden Satz.

Demnach erhalten die außenstehenden Aktionär*innen netto 3,25 Euro je Aktie für das Jahr 2020.

Jahresfinanzbericht 2020 der Alba SE

Und da war sie! Die Garantiedividende!! Seit 10 Jahren süß-fließender Honig, der sich bei einem aktuellen Kurs der Aktie von 60 Euro zu einer Dividendenrendite von sage und schreibe 5,4% quantifizieren ließ. Ferner verpflichtete der BGAV das beherrschende Unternehmen etwaige Verluste der ALBA SE zu übernehmen. Die Dividende fließt also unabhängig vom Ergebnis. Ist das nicht verlockend?

Nachdem ich das also gelesen hatte, verstellte mir meine Gier zunächst den Blick für etwaige Risiken in dieser Sondersituation, sodass ich ohne weitere Forschung ein paar Aktien der Alba SE orderte und auch prompt ins Depot gebucht bekam. Die klassischen Bewertungsmaßstäbe wie Buchwerte oder Kurs-Gewinn-Verhältnisse konnten hier nicht angelegt werden, weil der BGAV sie obsolet machte. Einzig die Höhe und Sicherheit der zukünftigen Zahlungszuflüsse war hier für mich relevant.

Ernüchterung

Meine Gier war also befriedigt, ich musst jetzt nur regelmäßig auf die Dividendenzahlungstermine warten und die Sache war rentabel geritzt, dachte ich. Wenn sich aber mein Investment-Case auf die Garantiedividende stützte und diese wiederum abhängig vom BGAV war, dann ist es doch Due Diligence, den BGAV und seine Konditionen zu prüfen, oder? Klaro! Das hätte ich zwar vor Aktienkauf tun soll, aber naja… Besser spät als nie. Wird schon nicht so schlimm sein, dachte ich.

Der BGAV wurde am 17. Mai 2011 geschlossen. Jedem Minderheitsaktionär („Außenstehenden“) wurde eine Barabfindung in Höhe von 46,38 Euro je Stückaktie angeboten. Die Höhe der Abfindung entsprach ungefähr dem Aktienkurs der Alba SE (damals noch Interseroh SE) vor Ankündigung des BGAV. Wer das Angebot nicht annehmen wollte, dem wurde für die Laufzeit des BGAV eine Garantiedividende von 3,94 Euro (brutto) bzw. 3,25 Euro (netto) für den Verlust seiner Aktionärsrechte zugesagt. Die Schweitzer-Brüder waren damals schon mit knapp über 93% der Anteile der Hauptaktionär, der Streubesitz der Alba SE betrug/beträg nur rund 6,8%.

Einige der damaligen Minderheitsaktionäre waren „natürlich“ mit dieser Abfindung nicht einverstanden und initiierten vor dem Landgericht Köln ein sogenanntes Spruchverfahren zur Feststellung der Angemessenheit des Abfindungsangebotes. Im Jahre 2018 legte das LG Köln die Garantiedividende dann auf 4,91 Euro (brutto) bzw. 4,17 (netto) fest. Dieser Beschluss wurde vom Hauptaktionär in die zweite Instanz, das OLG Düsseldorf geschickt, aber bevor dieses ein Urteil fällen konnte, einigten sich die Parteien im April 2021 außergerichtlich mit folgendem Vergleich.

Die Barabfindung wird rückwirkend von 46,38 Euro auf 46,88 Euro angehoben und ausbezahlt. Die erhöhte Garantiedividende von 4,17 Euro (netto), so wie sie vom LG Köln festgelegt wurde, wird vom Hauptaktionär akzeptiert. Diese wird aber nicht rückwirkend gezahlt, weil das Urteil des LG Köln erst mit diesem Vergleich rechtskräftig wurde. Letzteres ist aber meine Interpretation der Sachlage, nachlesen konnte ich das noch nirgends. So oder so, die Angemessenheit des BGAV von 2011 ist damit geregelt.

Alles in Ordnung jetzt? Ist meine unendliche Dividende der Alba SE nun gesichert? Mitnichten! Am 30. Juni 2021, also vor nicht einmal einem Monat, verkündet die Alba SE per Ad-Hoc-Meldung, dass eben genau dieser BGAV mit der traumhaften Rendite, mein Investment-Case, mit Wirkung zum Ende des Geschäftsjahres 2021 gekündigt wurde! Mit der Meldung fiel der Aktienkurs von 68 Euro auf knapp 58 Euro und pendelt seitdem um die 60 Euro.

Wie geht es nun weiter für die Außenstehenden?

Zunächst die gute Nachricht: wenigstens ein einziges Mal werde ich mindestens in den Genuss einer garantierten Dividende kommen. Die 4,17 Euro werden für das Geschäftsjahr 2021 nach der nächsten HV das erste und letzte Mal ausgezahlt. Bei meinem Einstiegskurs von knapp 60 Euro bedeutet das eine Dividendenrendite von fast 7%. Aber was kommt danach? Bekomme ich meine 60 Euro wieder zurück?

Die Alba SE Aktie ist ganz normal weiter handelbar, die täglichen Umsätze sind aber überschaubar. Einer meiner Mit-Minderheitsaktionäre ist zum Beispiel der TBF Special Income Mischfonds. Wenn ich mir seinen Halbjahresfinanzbericht vom Ende 2020 ansehe, dann besaß er zum Berichtszeitpunkt 82.348 Alba SE Aktien und hatte im Berichtszeitraum 2.568 Stück davon gekauft sowie 5.440 Stück verkauft (Seite 6). Ein wenig Bewegung und damit Kurspotential ist also da, auch wenn mir als Value-Investor diese Kursfokussierung mächtig auf den Sack gegen den Strich geht. Eventuell könnte ich also meine Aktien mit einem kleinen Kursgewinn wieder veräußern und mich aus der Sache zurückziehen.

Ich könnte aber auch „im Boot“ bleiben und auf den Abschluss eines neuen BGAV bzw. eines aktienrechtlichen Squeeze-Outs spekulieren. In beiden Fällen müsste es eine neue, von extern durchgeführte Unternehmensbewertung nebst Festlegung einer Barabfindung geben, die dann sicherlich wieder von den außenstehenden Minderheitsaktionären („The Outsiders“ könnte man sagen) in einem langwierigen Spruchverfahren geprüft werden würde. Hierbei scheint es gang und gäbe zu sein, dass „die Mindesthöhe der Barabfindung der nach Umsatz gewichtete durchschnittliche Börsenkurs während der letzten drei Monate vor der erstmaligen Bekanntgabe des Squeeze-out“ ist. Insofern habe ich also eine gewisse Risikoabsicherung nach unten mit einer Chance auf erneute Garantiedividende (neuer BGAV) oder erhöhte Barabfindung nach Spruchverfahren (beim Squeeze-Out).

Der Worst-Case wäre aber, wenn der Hauptaktionär beschließt, überhaupt nicht tätig zu werden. Kein BGAV, kein Squeeze-Out. Einfach alles ruhen zu lassen. In diesem Falle würde meine Unternehmensbeteiligung zu einer Aktienleiche mutieren. Der Kurse würde so vor sich hin dümpeln und ich würde die Aktien nach Jahren frustrierter Eigentümerschaft vielleicht aus Resignation abstoßen.

Somit habe ich jetzt also bis zur nächsten HV Zeit, mir dazu Gedanken zu machen und die Entwicklungen abzuwarten. Vielleicht ist die nächste HV ja schon der Showdown, an dem sich alles entscheidet. Oder vielleicht wollen bis dahin noch so viele andere in die „süße Honigfalle“ tappen, dass ich bis dahin schon wieder ausgestiegen bin. Wir werden sehen, ich werde berichten…

9 Kommentare

  1. FoxSr

    Hallo Vincent,
    2 Schritte weiter ist der Vergleichsfall MAN, eine Perle mit 250 jähriger Geschichte, die ich auf Top-Ebene seit 1978 kenne (wenn du bei Regenwetter Zeit hast, kannst Du in meinem Wikifolio „Aktien im Schlußverkauf“ auf MAN clicken, es gibt seit Februar 2020 einige Kommentare in Wikifolio von mir).
    Mit entsprechender Geduld konnte hier über 75% in 10 Monaten verdient werden, was aber während der haussierenden Aktienmärkte nicht ganz einfach ist.
    Rückblick: der BGAV wurde beim OLG in 2018 für MAN bestätigt und anschließend gekündigt, die Dividende gestrichen. Die Alt-Anleger haben nicht zu 90 Euro ausgeübt, der Kurs fiel auf 40 Euro. Die Abfindung beträgt jetzt gem. HV-Beschluß 70,68 Euro.
    Nach Ende des Spruchverfahrens rechne ich mit einer Nachbesserung nach oben.

    P.S. bei Alba wird der Weg schwierig, vielleicht kann man unter 40 Euro kaufen. Danach braucht man Geduld.

    Schönes Wochenende

    FoxSr

    • Vincent Bouvier

      Hey! 🙂

      Danke für das MAN-Beispiel. Dann sitzen wir ja auf demselben Fluß in zwei unterschiedlichen Booten. Geduld ist zwar nicht mein zweiter Vorname, aber leidensfähig bin ich allemal. Viel Erfolg weiterhin!

      Ebenfalls ein schönes Wochenende!

      V. Bouvier

  2. Thomas Mühlenhoff

    Hallo Vincent,

    Ich lese Deine Kommentare immer sehr gerne: sprachlich ein Genuss und mit einer feinen Ironie. Da ich mich bei Twitter abgemeldet habe, freue ich mich über Deine Newsletter.

    Deine Anlageentscheidungen kann ich nicht immer teilen. Auch ich bin überwiegend in small caps investiert, aber eine gewisse Handelbarkeit ist mir auch wichtig.

    Ich habe seit Jahren IVU im Depot. Teuer- nach KGV- aber ein irrer Burggraben und ein sehr gutes Management. Dividende auch, aber bei 1 Prozent Rendite deutlich zu vernachlässigen…:-)

    Neu- seit 2021- habe ich Ökoworld. Der Name ist Programm und der Kurs überhitzt langsam. Das Geschäftsmodell skaliert aber top.

    So sehe ich auch GFG , meine größte Position, wegen schöner Kursgewinne seit April 2020.

    Viel Erfolg weiterhin

    Liebe Grüße

    Thomas

    • Vincent Bouvier

      Hallo Thomas,

      danke für deinen freundlichen Kommentar!

      Das sind ja einige Firmen dabei, die ich erstmal googlen musste. Gut, dass selbst das deutsche Anlageuniversum immer Nischen bietet, die man entdecken kann. Dir ebenfalls weiterhin viel Erfolg!

      Viele Grüße

      V. Bouvier

  3. Michael

    Danke fürs Schreiben über Alba SE. Der Artikel ist sehr spannend und das Unternehmen scheint für Anleger wirklich interessant zu sein.
    Ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg beim Investieren.

    • Vincent Bouvier

      Gerne! Ebenfalls viel Erfolg beim Investieren!

      Viele Grüße

      V. Bouvier

  4. Micha

    Hallo Vincent,

    bin jetzt erst auf die Alba SE aufmerksam geworden. Stand heute (12. Nov) steht auf der Homepage NICHTS von einem gekündigtem Vertrag.
    Das wäre doch Irreführung, oder?
    Zitat: „Die von der ALBA Group plc & Co. KG gehaltenen Aktien sowie der zwischen der ALBA SE und der ALBA Group plc & Co. KG bestehende Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag gingen am 27. März 2019 auf die ALBA Europe Holding plc & Co. KG mit Sitz in Berlin über. Bei diesem Unternehmen handelt es sich um eine 100 %ige Tochtergesellschaft der ALBA Group plc & Co. KG.
    Die Zahlung erfolgt jeweils am ersten Arbeitstag nach der ordentlichen Hauptversammlung.“
    https://www.alba.info/unternehmen/investor-relations-alba-se/

    Für 2021 wird Gewinn erwartet. Wer weiß, vielleicht wird die „Aktienleiche“ doch nicht so schlimm.

    Würde mich über eine Einschätzung deinerseits sehr freuen.

    • Vincent Bouvier

      Hallo Micha,

      du hast mich auf etwas aufmerksam gemacht und dafür bin ich dir dankbar. Der Link zur Ad-hoc-Meldung mit dem gekündigten Gewinnabführungsvertrag in meinem Beitrag war fehlerhaft bzw. verwies auf die neueste Ad-hoc-Meldung, welche sich auf die Ergebnissteigerung für 2021 bezog. Ich habe den Link nun angepasst und tatsächlich, die ad-hoc-Meldung zum gekündigten Vertrag ist immer noch auf der Alba-Seite zu finden. Somit also alles beim alten, keine Irreführung zu finden. 🙂 bzw. 🙁

      Viele Grüße

      V. Bouvier

      • Michaela

        Hi Vincent,

        ich bin auch in die „Honigfalle“ gestolpert. Da ich aber eh in ein Recycling-Unternehmen investieren wollte, sehe ich’s sportlich. Ich werde meine Aktien behalten. Vielleicht fluche ich in 10 Jahren, vielleicht freue ich mich. Immerhin gehört Alba angeblich zu den globalen Top Ten.
        Herzliche Grüße
        Michaela

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