Als wäre das ständige Auf-und-Ab der Börse noch nicht genug, gibt es tatsächlich die Möglichkeit, den Nervenkitzel der eigenen Finanzinvestition um einen sportlichen, wettkampfbezogenen Aspekt zu erweitern, indem man in die Aktie eines Bundesliga-Vereins investiert. Normalerweise würde ich, rein betriebswirtschaftlich gesehen, gern in den „Branchenprimus“, sprich Rekordmeister der Fussball-Bundesliga investieren wollen, allerdings befinden sich dessen Aktien gänzlich in privater Hand:

Der FC Bayern München eV ist Hauptanteilseigner der FC Bayern München AG. Der Mutterverein hält 75 Prozent der Anteile. Die restlichen Anteile (jeweils 8,33 Prozent) liegen bei den langjährigen FCB-Partnern adidas AGAUDI AG und Allianz SE.

Webseite der FCB AG

Tja! Es liegt also nahe, die vermeintlich „zweitbeste“ Option zu betrachten, nämlich die Aktie der Borussia Dortmund GmbH & Co.KGaA (BVB). Auf geht es also zu Value-Analyse…

Geschäftsstruktur / Branche

Der Leser möge sich bitte den „Geschäftsverlauf“ des Unternehmens auf Seite 32 des letzten vollständigen Geschäftsberichtes (2018/2019) zu Gemüte führen, der aus drei kurzen Absätzen mit den Überschriften „Bundesliga„, „DFB-Pokal“ und „UEFA Champions League“ besteht. Ich denke es ist klar, dass sich hier also alles ausschließlich um den professionellen Fußballsport und alle um ihn herum gelagerten Einnahmequellen dreht.

Auf Seite 13 des genannten Berichtes finden sich somit auch die entsprechend tätigen Tochterunternehmen der KGaA: die „Stadionmanagement GmbH„, die „besttravel Dortmund GmbH“ (Reiseveranstalter), die „Merchandising GmbH„, die „Event & Catering GmbH„, die „Asia Pacific Pte.“ (asiatische Vermarktungsdependance) sowie ein 33%-iger Anteil an einer GmbH namens „Orthomed Medizinisches Leistungs- und Rehabilitationszentrum“ (ImageFilm dazu).

Die Aktionärsstruktur des BVB setzt sich wie folgt zusammen:

  • Evonik Industries AG: 14,78%
  • Bernd Geske: 9,33% (Aufsichtsratsmitglied)
  • Ballspielverein Borussia 09 e.V. Dortmund: 5,53%
  • SIGNAL IDUNA: 5,43%
  • PUMA SE: 5,0%
  • Streubesitz: 59,93%

Die Geschäftsführungsstruktur verdient es, etwas genauer betrachtet zu werden. Der persönlich haftende Komplementär der KGaA, als des Unternehmens, von dem man Aktien erwerben kann, ist „Borussia Dortmund Geschäftsführungs-GmbH“ (BVB GF). Der Vorstand der BVB GF wird allerdings nicht von der Hauptversammlung der KGaA gewählt, sondern von einem BVB GF Beirat, der sich wiederum aus Mitgliedern des Vorstand und Wirtschaftsrates des „Ballsportvereins Borussia 09 e. V. Dortmund“ rekrutiert. Wem das alles zu technisch ist, der möge sich Seite 116 des 2018/19er Geschäftsberichtes vor Augen führen. Fakt ist, als Aktionär wählt man nur den Aufsichtsrat, der aber kein Bestell-, sondern ausschließlich ein Überwachungsrecht in Bezug auf die Geschäftsführung der KGaA hat.

Bilanz

Was hat denn so ein Fußballverein so für Vermögenswerte? Ich stelle mir vor, dass das für horrende Summen gekaufte Fussballspieler sowie allerlei Marken- und Stadionrechte sind. Schauen wir also mal in die Bilanz. Der Bilanzsumme von insgesamt 500 Mio. Euro setzt sich unter Anderem aus 164 Mio. Euro „immaterielle Assets“, 184 Mio. Euro „Sachanlagen“, 55 Mio. Euro „Zahlungsmittel“ und 30 Mio. „Forderungen“ zusammen.

Hier wird es interessant: Die „Immateriellen“ setzen sich zu 161 Mio. Euro aus „Spielerwerten“ zusammen. Man möge sich hierzu die Tabelle auf Seite 186 des letzten Geschäftsberichtes zu Gemüte führen, um ein Gefühl für die Bilanzierung der Spieler inklusive „Anschaffungs- und Herstellungskosten„, „Abschreibungen“ sowie „zur Veräußerung gehaltener Vermögenswerte“ (32 Mio. Euro) zu bekommen. Selten lag das Profi-Fußballgeschäft als bloße, fast unmenschliche Geldmaschine so offen vor mir! Auf transfermarkt.de kann man eine Gefühl für „stille Reserven“ des BVB-Kaders bekommen, wenn der Gesamtwert mit rund 640 Mio. Euro beziffert wird.

Zu den Sachanlagen (Punkt 2 des Anhangs):

Das Sachanlagevermögen im Wesentlichen das Stadion, die BVB FanWelt, das Grundstück Rheinlanddamm mit dem darauf befindlichen Verwaltungsgebäude sowie das Grundstück Strobelallee 81. Weitere Bestandteile sind die Einrichtungen des Trainingsgeländes Dortmund-Brackel, des Jugendhauses, der Fußballakademie, der Gastronomiebauten im Stadion und der Hauptverwaltung sowie deren Gegenstände, die zur Betriebs- und Geschäftsausstattung gehören.

Geschäftsbericht 2018/2019, Seite 187

Die Passivseite der Bilanz besteht im Wesentlichen aus Eigenkapital (354 Mio. Euro, EK-Quote: 71%), Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen (60 Mio. Euro) und sonstigen, langfristigen, finanziellen Verbindlichkeiten (34 Mio. Euro). Der Buchwert für eine der 92 Mio. Aktien des Grundkapitals beträgt laut Bilanz 3,85 Euro. Wenn ich die „immateriellen Spielerwerte“ wohlwollend verdoppele (161 Mio. Euro auf 322 Mio. Euro), um die „stillen Reserven“ gemäß transfermarkt.de wenigstens teilweise zu berücksichtigen, dann erhalte ich einen Buchwert je Aktie von 5,60 Euro (siehe auch Net-Asset-Value). Der aktuelle Kurs der BVB-Aktie liegt bei etwa 8,45 Euro.

Gewinne / Dividende

Der Durchschnittsgewinn der letzten 7 Jahre des BVB beträgt circa 0,28 Euro je Aktie. Daraus ergibt sich ein retrospektives Kurs-Gewinn-Verhältnis von 30. Ich habe diese Berechnung angestellt, weil ich es bisher immer so gemacht habe. Allerdings bin ich fest der Meinung, dass die Retrospektive für die Zukunftsaussichten eines Fußballvereins keinerlei Relevanz hat. Ob der BVB in den nächsten 5 bis 10 Jahren in der so einträglichen UEFA Champions League spielt, ist noch viel weniger planbar, als es die Geschäftsaussichten eines „normalen“ Industrieunternehmens ohnehin schon sind.

Auf Seite 196 in Punkt 15 des Anhangs des letzten Geschäftsberichtes wird deutlich, wie sich der Umsatz des BVB zusammensetzt. TV-Vermarktung, Transfergeschäfte und Werbung sind die Top 3 Umsatzlieferanten. Zwei davon sind wesentlich vom sportlichen Erfolg des Vereins abhängig, während das reale „Spielertrading“ natürlich eine gewisse intrinsische „Krisenfestigkeit“ liefert. Auch die anderen Umsatztreiber (Spielbetrieb, Merchandising, Conference & Catering) fühlen sich für mich so an, als könnten sie eine gewisse Kristenfestigkeit beziehungsweise Umsatzstabilität gewährleisten. Nichtsdestotrotz ist und bleibt der fußballerische Erfolg Umsatz- und Gewinntreiber Nummer 1.

Die Dividende der letzten 7 Jahre liegt im Schnitt bei 0,07 Euro. Nachdem sie im Jahre 2015 von 0,10 Euro auf 0,05 Euro gesenkt wurde, ist seit 2016 mit 0,06 Euro konstanter Dividende wenigstens hier eine gewissen Kontinuität erkennbar. Die retrospektive Dividende rentiert zum aktuellen Aktienkurs mit 0,8%, die 2019er Dividende allein nur mit 0,7%.

Zusammenfassung

Dem geübten Leser ist hoffentlich auch ohne mein Resümee klar geworden, dass die Aktie des BVB zum aktuellen Kurs kein Schnäppchen ist. Darüber hinaus kann ein nicht-kontinuierliches, ein hauptsächlich vom sportlichen Erfolg einer Fußballmannschaft abhängiger Gewinn aus meiner Sicht kein Value-Investment sein. Abgesehen von der niedrigen, aber ganz gut vom Gewinn gedeckten Dividende fällt mir keine akzeptable Methode ein, die zukünftigen Gewinne des BVB nur annähernd zu quantifizieren.

Für Fans allerdings, die ihr leidenschaftliches Herz ohnehin jede Woche den Toren der schwarz-gelben Borussia entgegenwerfen, bietet sich vielleicht bei etwa 4 Euro eine gute Alternative zur klassischen Sportwette, denke ich, wenn sie denn auch finanziell vom sportlichen Erfolg ihres Vereins profitieren wollen.