Im Januar 2020 findet die alljährliche Hauptversammlung der österreichischen EVN AG statt und gegen Ende desselben Monats fließt dann auch die Dividende an die Eigentümer dieses Versorgers. Als in Deutschland ansässiger Investor bin ich per Gesetz von der österreichischen Quellensteuer in Höhe von 27,5% betroffen. Das bedeutet, dass von einem Euro Dividende nur 72,5 Cent in meine Tasche fließen, von denen ich dann, bevor sie den Boden der soeben erwähnten Tasche berühren, die deutsche Abgeltungssteuer in Höhe von 25% (oder höher, wenn mein persönlicher Steuersatz über 25% liegt) zu berappen habe.
Nun bin ich nicht nur in meinem Musterdepot virtueller Eigentümer der EVN, sondern auch in Wirklichkeit und mit echtem Geld, sodass mich die obige Thematik vor reelle, steuerrechtlich relevante Gestaltungsfragen stellt, die ich hier gern einmal darlegen möchte.
Die Varianten
Zur steuerlichen Gestaltung habe ich im Wesentlichen zwei Varianten:
- Ich akzeptiere, dass ich österreichische Quellensteuer und deutsche Abgeltungs-/Kapitalertrags-/Einkommenssteuer zu bezahlen habe, behalte meine Aktien und belasse alles so, wie es ist.
(Yeah, right!) - Ich verkaufe meine Aktien Anfang Januar mit dem bereits bestehenden Aktienkursertrag und zahle dann darauf nur meine Einkommens-/Abgeltungssteuer in Höhe von mindestens 25%. Diese Variante ist erst sinnvoll, wenn ich einen Aktienkursgewinn erzielen könnte, der höher als die nach allen steuerlichen Abzügen erhaltene Dividende aus Variante 1 ist. Wenn ich also keinen dementsprechend hohen Aktienkursgewinn erzielen kann, dann ist Variante 1 die einzig sinnvolle.
Weil Variante 1 so schön simpel ist und für mich aktuell nicht zur Debatte steht, möchte ich hier nun tiefer in Variante 2 einsteigen, um folgende Frage zu beantworten: Sollte ich entgegen meiner Natur als Value-Investor und nur um Steuern zu sparen meine EVN-Aktien um die HV herum ver- und wieder zurückkaufen?
Ich weiß, dass ich mir bis zu 15% von der Quellensteuer auf meine Kapitalertrags-/Abgeltungssteuer anrechnen lassen kann, aber dieses formale Prozedere über österreichische Ämter mit den entsprechenden Wartezeiten scheint mir einfach zu umständlich.
Nehmen wir weiterhin an, ausgehend von Variante 2, dass ich die Möglichkeit habe, GAR KEINE Abgeltungssteuer zu bezahlen, weil ich entweder meinen Sparerfreibetrag in Höhe von 801 Euro für Kapitalerträge (1.602 Euro für Verheiratete) noch nicht ausgeschöpft habe oder weil ich mir eine Nicht-Veranlagungsbescheinigung habe ausstellen lassen, die mir bis zu knapp 9.000 Euro Kapitalerträge ohne Einkommensteuerabzug ermöglicht (ich „lebe“ quasi ausschließlich von Dividenden).
Wie sieht es nun real aus?
Für mich stellt sich die Situation nun so dar, dass ich auf etwaige Aktienkursgewinne wirklich keine Steuern zu zahlen hätte. Ich stehe vor der Wahl, pro Aktie 3 Euro Aktienkursgewinn steuerfrei oder 72,5% von 0,43 Euro pro Aktie an Dividende einzustreichen. Eigentlich möchte ich aber die EVN-Aktien behalten, der innere Wert der Aktie liegt für mich um die 25 Euro, jeder Verkauf und Rückkauf nach Dividendenzahlung ist für mich aber mit Transaktionen verbunden. Aber Steuern will ich eben auch nicht Zahlen!!
Jetzt, wo ich diese Zeilen hier schreibe, scheint für mich die Antwort in folgender Betrachtung zu liegen:
- Variante: Wenn ich nichts tue, bezahle ich nur die Quellensteuer, pro Aktie bedeutet das einen Ertrag von 0,31 Euro.
- Variante: Wenn ich 3 Euro pro Aktie Kursgewinn einstreiche, die Aktie also vor der Hauptversammlung für 16,50 Euro verkaufe (1% Transaktionsgebühr entsprechen etwa 0,17 Euro), den Dividendenabschlag abwarte und danach für 16,07 Euro zurückkaufe (1% Transaktionsgebühr entsprechen etwa 0,16 Euro), liegt mein Ertrag pro Aktie bei 2,67 Euro. Weil ich aber die Dividende nicht bekomme, die ich ja in Variante 1 bekommen hätte, muss ich die auch noch berücksichtigen und erhalte somit einen Ertrag pro Aktie von 2,36 Euro.
Zusammenfassung
Am Ende des Liedes habe ich weiterhin die EVN-Aktien, habe keinerlei Steuern gezahlt und habe einen Ertrag pro Aktie von 2,36 Euro eingestrichen. Liest sich nicht schlecht, denke ich. Eine weitere Erkenntnis dieser Betrachtung ist die Grenze, ab welchem Aktienkursgewinn sich Variante 2 lohnt: die Dividende (abzüglich Quellensteuer), plus Kauf- und Verkaufskosten. Im obigen Beispiel liegt der Break-Even/der Mindestaktienkursgewinn demnach bei 0,64 Euro. Alles was darüber liegt ist „Gewinn der Variante 2“. Alles was darunter liegt, sollte in Variante 1 geschehen, denn das wäre als „Verlust der Variante 2“ anzusehen.
Das alles ist natürlich auf mein persönliches Beispiel zugeschnitten, nimmt pauschalisierte Transaktionskosten an, muss von jedem selbst für seine Situation adaptiert werden und trifft hier nur für die EVN sowie mich als Allemannen zu. Aber ich weiß jetzt wenigstens dokumentiert und nachvollziehbar, was ich Anfang Januar 2020 zu tun habe…
Hallo Herr Bouvier,
sie haben die Variante 3 vergessen. Diese ist Variante 1 und Sie stellen am Jahresende beim Finanzamt Bruck-Eisenstadt einen Antrag auf Erstattung der österreichischen Abzugssteuer. Der Antrag wird vorab online übermittelt, per Post ist lediglich die Dividendenbenachrichtigung, die Wohnsitzbescheinigung Ihres deutschen Finanzamtes und der ausgedruckte, unterschriebene Antrag nachzureichen. bisher habe ich immer spätestens im Oktober (wenn ich bis Februar der Antrag gestellt habe) meine Abzugsteuer wieder auf meinem Konto gehabt. Very simple.
Hallo Herr Dr. Wörner,
vielen Dank für die Ergänzung!
Wenn im Januar 2020 die Dividende fließt reichen Sie bis Ende Februar 2020 die Dividendenbenachrichtigung beim FA Bruck-Eisenstadt ein und erhalten im Oktober 2020 wieviel der Quellensteuer zurück?
Viele Grüße
V. Bouvier
Sehr geehrter Herr Bouvier,
leider nein. Der Antrag kann erst nach Ablauf des Jahres des Dividendenzuflusses gestellt werden, allerdings zusammen mit den anderen Dividendenabzügen (z.B. Agrana). Die Steuer Januar 2020 ist daher erst im Oktober 2021 wieder auf dem Konto.
Genauso klappt es mit Schweizer und finnischen Dividendenabzügen, diese erhalten Sie auch innerhalb von 9 Monaten. Hände weg allerdings bei dänischen Aktien, hier warte ich bereits vier Jahre auf die Bearbeitung meiner Steuererstattung und werde regelmäßig vertröstet.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wörner