Natürlich gibt es bei Wikipedia auch wieder einen Artikel, der sich mit Abschreibungen befasst und diese Begriff ausreichend gut erklärt. Ich möchte mich heute allerdings mehr aus der Investorensicht mit dem Begriff befassen, weil die Höhe und die Art von Abschreibungen eine relevante Größte für die adäquate Bewertung der Gewinne und Finanzströme von Unternehmen sind.

Im Studium habe ich gelernt, dass die Abschreibung auf einen Vermögensgegenstand eine Komponente der Selbst- oder Innenfinanzierung von Unternehmen ist. Wie funktioniert das also?

Zunächst unterscheidet man zwischen materiellen (Maschinen, Gebäuden oder eben alles, was man anfassen kann, sprich Sachanlagen, „tangible“) und immatriellen Vermögenswerten (Patente, Rechte, Unternehmenswerte, sprich eben alles, was man nicht so richtig anfassen kann, „intangible“).

Materielle Vermögensgegenstände nutzen sich mit der Zeit ab und müssen irgendwann ersetzt werden. Dafür ist es notwendig, dass das Unternehmen einen Kostenpunkt („Abschreibung für Abnutzung“, kurz Abschreibung) in seine Gewinn-und-Verlustrechnung (GuV) einkalkuliert. Sagen wir also eine Maschine hat eine Lebensdauer von 7 Jahren (die Lebensdauern werden übrigens über die sogenannten Abschreibung-für-Abnutzung-Tabellen von den Finanzämtern vorgegeben, siehe hier für die Übersicht und hier für mein Beispiel) und sagen wir, sie hat bei der Anschaffung 700 Euro gekostet.

Daraus ergeben sich also Kosten pro Jahr Lebensdauer der Maschine von 100 Euro, die jedes Jahr in der GuV des Unternehmens erscheinen. Immaterielle Vermögenswerte haben meist keine Lebensdauer, sondern werden nach standardisierten Methoden jedes Jahr neu bewertet und je nach Marktsituation im Wert angepasst;  steigt der Wert des „intangible Assets“, wird dem Vermögenswert etwas „zugeschrieben“ (Appreciation), fällt sein Marktwert, wird ihm etwas „abgeschrieben“ (Depreciation).

CashFlow & EBITDA

Das EBITDA („Earnings-Before-Interest-Taxes-Depreciation-Appreciation“) ist die Gewinngröße, die den Gewinn VOR dieser ganzen Ab- und Zuschreibungsarie ausweist. Solange die Maschine nämlich nicht ersetzt werden muss, verbleiben diese 100 Euro ja im Unternehmen und es kann damit wirtschaften. Anders ausgedrückt sind in dem Jahr, in dem die 100 Euro an Kosten entstanden sind, gar keine 100 Euro aus dem Unternehmen abgeflossen, sondern einzig der bilanzielle Wert der Maschine MUSSTE sich ändern.

Dies ist auch der Grund, warum bei Cash-Flow-Rechnungen die Abschreibungen zum operativen Gewinn hinzugezählt werden. Es ist schlicht kein Geld aus dem Unternehmen geflossen, es war nicht „zahlungsrelevant“ und daher hat sich der Cash-Bestand auch nicht geändert

Ich möchte gern ein praktisches Beispiel (meiner) Südzucker AG anfügen. In der Q3-Meldung von 2018 auf Seite 3 finden sich die Kennzahlen zum 30. November 2018. Das EBITDA für Q3 beträgt 85 Mio. Euro, die Abschreibungen liegen bei -108 Mio. Euro. und somit entsteht das operative Ergebnis mit -23 Mio. Euro. Natürlich ist die Abschreibung eine wichtige Größe bei der Gewinn/Verlust-Ermittlung, allerdings ist hier offensichtlich, dass in Bezug auf die Abschreibungen KEIN Cash aus dem Unternehmen geflossen ist, sondern dass die materiellen und immateriellen Vermögenswerte einfach neu bewertet wurden.

Stille Reserven

Des Weiteren gilt es zu beachten, dass Maschinen, die lt. Finanzamt nur 7 Jahre „leben“, nach 7 Jahren nicht zwangsweise „tot“ sind. Sie haben lt. Bilanz nur eben keinen Vermögenswert mehr. Nicht selten ist es aber der Fall, dass Vermögenswerte noch weit über die vom Bundesfinanzministerium veranschlagten Abschreibungszeiten hinaus leben und im Unternehmen verwendet werden. Dies sind dann sogenannte außerbilanzielle und stille Vermögenswerte, die man in einem einfachen Geschäftsbericht eben nicht in der Bilanz findet, die allerdings in die Bewertung des Unternehmens einfließen sollten!

Leider habe ich bisher noch keine Möglichkeit gefunden, ein Unternehmen auf diese „außerbilanziellen“ Vermögenswerte abzuklopfen und muss mich mit dem, was ich in den Berichten finde, begnügen. Für einen Rat in dieser Hinsicht wäre ich natürlich dankbar.


Afa-Tabellen 2018 Übersicht: https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Steuern/Weitere_Steuerthemen/Betriebspruefung/AfA-Tabellen/afa-tabellen.html

Afa-Tabelle Maschinenbau 2018: https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Steuern/Weitere_Steuerthemen/Betriebspruefung/AfA-Tabellen/2001-12-06-afa-108.pdf

Q3-Meldung Südzucker AG: http://www.suedzucker.de/de/Presse/Aktuelle_Meldungen/Archiv_2019/2019/IR-10_01_2019/2019-01-10_Suedzucker_bestaetigt_Jahresprognose_im_anhaltend_schwierigen_Zuckermarktumfeld.pdf