Am 24. Februar 2020 veröffentlichte die Schloss Wachenheim AG (SWA) die Halbjahreszahlen für das Geschäftsjahr 2019/20. Während der Umsatz zwar leicht stieg, ließ das EBIT mit einem Abfall von 19,4 Mio. Euro auf 15,5 Mio. Euro natürlich zu wünschen übrig. Aber man sei, das war vor dem europäischen Corona-März, zuversichtlich für die zweite Hälfte des Geschäftsjahres und erwarte eine „positive Geschäftsentwicklung„.
Im nun fast schon abgelaufenen März 2020 hat sich einiges zugetragen. Die deutsche und eigentlich die gesamte europäische Wirtschaft wird brachial zu einer „Vollbremsung“ gezwungen, um dem Virus die Stirn zu bieten beziehungsweise den Virus daran zu hindern, die Anfälligkeit des eigenen, neoliberal optimierten Gesundheitssystems zu offenbaren.
In einem solchen gesamtwirtschaftlichen Rahmen werden Unternehmen einem extremen Stresstest unterzogen, welcher natürlich die in rosigen Zeiten so schön unsichtbaren Schwächen zum Vorschein bringt. Nicht selten führt so etwas dann zu Insolvenzen (siehe Vapiano), dem Albtraum eines jeden Unternehmenseigentümers (Aktionärs).
Nun halte ich in meinem Musterdepot die kleine, feine Schloss Wachenheim AG, bei der ich mir, offen gesagt und mit Blick auf Corona, ein paar Gedanken bezüglich der Liquidität mache. Während der operative CashFlow im Halbjahr 2018/19 noch bei 183.000 Euro lag, beträgt er zum Halbjahr 2019/20 negative 5,5 Mio. Euro. Und das alles, bevor die „Vollbremsung“ überhaupt angedacht war.
Kennzahlen zur Insolvenzprognose
Wie immer, wenn mich ein mulmiges Gefühl befällt, verbringe ich viel Zeit damit, objektive Belege für oder gegen meine Bedenken zu erarbeiten. Zu meinem Artikel über die Wacker Neuson SE und deren Liquidität habe ich glücklicherweise ein paar akademisch fundierte Kennzahlen gefunden, die ich heute gern auf die SWA anwenden möchte.
Als Vergleichsgrundlage dienen mir die vollständigen SWA-Geschäftsjahre 2008/09, 2009/10, 2017/18, 2018/19 und teilweise die Jahre 2012/13, 2013/14.
Na das sieht doch mal durchwachsen aus oder? Die Einfärbungen in rot, gelb und grün habe ich übrigens gemäß des Weiß’schen Normenprofils zur Insolvenzprognose vorgenommen.
Aus den zu Beginn des Artikels erwähnten Halbjahreszahlen des aktuellen Geschäftsjahres lassen sich übrigens nur zwei Weiß’sche Kennzahlen sinnvoll ermitteln, weil eben kein „Gesamtjahr“ vorliegt: die bereinigte EK-Quote (4,8%) und der Liquiditätsgrad 2 (4,3%); beide ROT.
Und gerade weil das Weiß’sche Normenprofil hier so schön uneindeutig ist, möchte ich nun noch gern eine F-Score-Berechnung anfügen, die die beiden letzten Geschäftsjahre der SWA miteinander vergleicht.
Et voliá!
Das aktuelle F-Score der SWA beträgt also 7 von 9 möglichen Punkten.
Interpretation
Jede tolle Rechnerei ist eben auch nur Statistik!
Obwohl die bereinigte EK-Quote im roten Bereich liegt, ist sie signifikant höher als zum Zeitpunkt der Finanzkrise 2008/09. Die Weiß’sche EK-Quote wird ohne immaterielle Vermögenswerte berechnet, aber genau diese Vermögenswerte sind doch für einen Schwaumweinhersteller und -verkäufer essentiell und gewinnträchtig (Stichwort: die Marke „Robby Bubble“). Somit ist die bereinigte EK-Quote hier irrelevant, finde ich.
Auch der rote Liquiditätsgrad 2 scheint angsteinflößend. Wenn ich ihn aber mit den Krisenjahren 09/10 vergleiche ist er fast 3-mal so hoch. Und auf die letzten zehn, immer gewinnträchtigen Jahre zurückgeblickt, lag er eigentlich immer in roten Bereich des Weiß’schen Normenprofils. Offensichtlich ist ein einstelliger Wert für diese Kennzahl „normal“ für das Geschäft der SWA und sollte daher weiterhin „funktionieren“.
Zusammen mit dem F-Score deuten meine heutigen Berechnungen für mich daraufhin, dass sich die Schloss Wachenheim AG am Ende des letzten Geschäftsjahres im Vergleich zu anderen Geschäftsjahren in einer „guten“, wenn nicht sogar verbesserten finanzellen Lage befand. (Ich verweise hier auch gern auf meinen SWA History 2008/2009 Artikel, in dem ich die Unternehmensituation während der letzten Finanzkrise etwas genauer unter die Lupe nehme.)
… und nun Corona?
Ja genau, nun Corona. Zwar dürfen die Supermärkte und Lieferdienste auch während der Corona-Krise weiter verkaufen, allerdings ist, wie eigentlich in der gesamten Wirtschaft, ein signifikanter Umsatzeinbruch zu erwarten. Auch wenn es gut möglich wäre, dass in diesem Zusammenhang die Dividende für das aktuelle Geschäftsjahr ausfällt, gehe ich langfristig davon aus, dass das Geschäftsmodell der SWA sich trägt.
Der Buchwert der Aktie beträgt zum Halbjahr 2019/20 rund 21,22 Euro. Dieser Buchwert besteht, wie bereits angedeutet, zu einem Großteil aus immateriellen Vermögenswerten. Wenn ich diese Vermögenswerte nur zur Hälfte ansetze (eine Sicherheitsmarge einbaue), dann erhalte ich einen Buchwert je Aktie von 15,29 Euro.
Wenn ich nun also gewillt bin, eine Insolvenz der Schloss Wachenheim AG im Rahmen der Corona-Krise auszuschließen und für die kommenden 3 Jahre einen Gewinn je Aktie von sehr pessimistischen 0,50 Euro annehme, dann ist ein aktueller Kurs von 12,20 Euro doch ein guter Preis für diesen Anteilsschein. Oder?
Wir werden sehen…
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