In gesellschaftlich dunklen Zeiten, die wenig inspirierend sind und mich somit eigentlich vom Bloggen abhalten, weil jede Aktienkursbewegung eines Unternehmens eigentlich irgendwie Corona-bezogen ist, freue ich mich besonders, wenn mich mal wieder ein Thema so „flasht“, dass ich darüber schreiben muss. Heute also eine schnippische Glosse zur gesunden, deutschen Rational AG und ihrer kapitalistischen Affäre mit dem globalen Zuhälter BlackRock.

In diesem Zusammenhang frage ich mich übrigens, in welchem objektiv messbaren Moment ein sogenanntes „Wachstumsunternehmen“ aufhört ein „Wachstumsunternehmen“ zu sein und den Status eines „normalen“ Value-Unternehmen annimmt. In meinem ersten Beitrag zur Rational AG kam ich, unter der Annahme der Gewinn je Aktie der AG in den Jahren 2019 bis 2028 würde jährlich um 1,30 Euro steigen, zu einem fairen „Wachstumswert“ dieser Value-AG von 250 Euro je Aktie. Dass das EPS in Zeiten in und um Corona, in denen Großküchen, Hotel bzw. Großveranstaltungen ja nicht mehr „en vogue“ zu sein scheinen, sehr großzügig gerechnet ist, ist hoffentlich nachvollziehbar.

Ad-hoc Meldungen 2020 zur Rational AG (Teil 1)

Zugegeben: meine Watchlist am unteren, rechten Seitenrand dieses Blogs habe ich schon lange nicht aktualisiert. Aber dennoch habe ich, wie es sich für einen guten Investor gehört, die Ad-Hoc-Meldungen aller von mir behandelten Unternehmen abonniert. So auch für die Rational AG. Inzwischen ist das Jahr 2020 fast schon passé, aber was mir aufgefallen ist, ist die Fülle an Ad-hoc-Meldungen, die in Bezug auf die Stimmrechte der AG das BlackRock-Konglomerat betrafen. Das fand ich irgendwie ulkig. Aber schön der Reihe nach.

Die erste Meldung der Rational kam im Februar 2020 und beinhaltete die vorläufigen Geschäftszahlen des abgelaufenen 2019. Alles wie immer: „Rational auf Erfolgskurs“ und „gut für die Zukunft“ gerüstet (das war kurz vor Corona). Umsatzanstieg bei 8%, EBIT-Marge auf Vorjahresniveau.

Am 09.03.20 dann eine Doppelmeldung: Im Rahmen einer Gütertrennung zwischen Peter Wiedemann an Jutta Wiedemann durfte Peter an Jutta Aktien im Wert von knapp 140.000 Euro übertragen. Ob Scheidung oder nicht kann ich nicht sagen, ist mir auch nicht wichtig, denn was hält schon für immer (ausser vielleicht die Wachstumsaussichten der Rational AG?).

Juttas übertragene Aktien hatten noch einen „Wert“ von 615,00 Euro pro Stück und daher war Jutta Ende März 2020 gut beraten, zum Kurs von 486 Euro nochmals im Gesamtvolumen von 48.754 Euro nachzukaufen. Jutta muss ihre Transaktionen übrigens melden, weil Peter im Vorstand der Rational AG sitzt und „in Beziehung“ mit Jutta steht, sagt die Meldung. Und daher wusste Jutta zum Kaufzeitpunkt wahrscheinlich auch, dass die AG am 30.03.20 ihren Dividendenvorschlag für 2019 von 10,70 Euro auf 5,70 Euro anpassen würde.

Offensichtlich wusste sie es aber nicht (böser Peter!), weil der Aktienkurs der Rational AG Ende März 2020 auf dem Jahrestiefpunkt von 400 Euro anlangte. Den Nachkauf hätte sie besser timen können, finde ich. Hier war zu viel Anstand im Spiel. Oder vielleicht haben sich Peter und Jutta wirklich scheiden lassen und das ist Peters Art, Jutta nochmal eine mitzugeben. Aber wie dem auch sei, jemand anderes war cleverer und hat das Kursniveaus genutzt…

Ad-hoc Meldungen 2020 zur Rational AG (Teil 2)

BlackRock beteiligt sich am 08.07.2020 zum ersten Mal an der Rational AG. Die Liste der Tochterunternehmen (siehe verlinkte Ad-hoc-Meldung ganz unten) weist bis dato keinerlei Rechte aus. Somit sind die 4,16% an Stimmrechten (NICHT reine Aktien, sondern CFDs und „Rechte aus Wertpapierleihen“), die BlackRock an diesem Tage meldet, die ersten, die das Unternehmen ersteht. Am 24.07.2020 liegt diese Stimmrechtskontrolle dann schon bei 4,64% und am Ende des Tages 27.07.2020 bei 5,09%.

4 abgerundete schwarze Steine black Rocks hinter einem weißen Stein, auf dem Vertrauen steht
Schwarze Steine im Kontrast zu Vertrauen

Interessant hierbei ist vielleicht noch die Tatsache, dass BlackRock zu diesem Zeitpunkt 0,27% der Aktien verliehen hatte. Ich muss kein Sherlock sein um zu deduzieren, dass es sich bei den Aktienschuldner um Leerverkäufer handelt, denn wer um alles in der Welt sollte sich sonst Aktien leihen? Ein Bruchteil von 0,11% der BlackRock-Stimmrecht an der Rational AG wurde übrigens über CFDs, also mit ähnlichen Hintergründen wie bei der Aktienleihe, kontrolliert.

Am 03.08.20 kam dann die Meldung, dass BlackRock seine Stimmrechte von 5,09% auf 4,99% reduziert hatte. Dies hauptsächlich durch das Auflösen eines Teils der CFDs. Und wer BlackRock gern beim „Arbeiten“ zusehen mag, der möge sich den Kursverlauf der Rational-Aktie zwischen dem 27.07.20 und dem 03.08.20 ansehen (Kursabfall am 28. und am 30., leichter Anstieg dann erst wieder am 03.08.20).

Der Kursanstieg am 03.08.20 hat eventuell etwas damit zu tun, dass BlackRock am 04.08.20 eine erneute Aufstockung der Stimmrechtsanteile vermeldete (von 4,99% auf 5,24%). Dieser Anstieg ist aber hauptsächlich durch den Kauf von echten Aktien zu erklären (Aktien im BlackRock-Besitz von 4,63% auf 4,96%).

Ad-hoc BlackRock und kein Ende…

Bis heute liegen noch 14 Ad-hoc Meldungen vor, die BlackRock betreffen und weil ich den Leser mit soviel Prosa nicht einschläfern will, hier jetzt nur noch eine tabellarische Übersicht.

DatumAnz. AktienVerliehenCFDs
31.08.3,58%1,68%0,01%
01.09.3,63%1,65%0,01%
07.09.3,58%1,63%0,01%
08.09.2,74%2,45%0,01%
18.09.3,50%1,73%0,001%
22.09.3,38%1,84%0,001%
29.09.3,43%1,80%0,001%
01.10.3,32%1,91%0,001%
07.10.3,48%1,75%0,001%
12.10.3,59%1,64%0%
13.10.3,73%1,59%0%
17.11.3,47%1,44%0,0002%
30.11.3,79%1,45%0,01%
04.12.5,35%1,10%0,002%
Ad-hoc Meldungshistorie BlackRock bei der Rational AG 2020 YTD

Auf CFDs hatte BlackRock ab September dann nicht mehr soviel (Black)Bock, dafür aber auf Aktienausleihen. Jedesmal, wenn der Aktienbesitz abnimmt und die „Stimmrechte auf Verliehene“ steigen, dann haben wahrscheinlich Leerverkäufe der Aktienschuldner stattgefunden. Die Kursbewegung in diesem Zeiträumen möge sich jeder Interessierte selbst daneben legen.

Angesichts dieser Tabelle kann ich den am 09.10.2020 im Handelsblatt zitierten Berenberg-Analyst Phillipe Lorrain übrigens nur als Spinner bezeichnen. Im verlinkten Artikel bezeichnet er BlackRock tatsächlich als „Long-Only-Investor“. Selten so geschmunzelt!

Ad-hoc Meldungen 2020 zur Rational AG (Teil 3)

Im Gegensatz zu BlackRock gibt es aber auch Investoren, die den Namen eher verdient hätten, weil sie eben kaufen und liegen lassen, statt sich an Kursspekulationen zu beteiligen. Am 08.04.20 beispielsweise kauft ein holländischer Pensionsfonds („APG“) 3,003% der Anteile. Ja, einfach nur 3,003% der Aktien der Rational AG.

Oder der Baillie Gifford Asset Management und Investment Trust. In insgesamt drei Schüben sichert sich dieser Fonds erst 3,01%, dann 3,69% und letztendlich 5,04% der Aktien des Küchenherstellers. Und dagegen kann ich als alter Kapitalismuskritiker ja nicht mal etwas sagen, weil ich ja nicht anders wäre bin.

So! Jetzt kommt aber die Pointe: Dem lieben Herren Wolfgang Meister, seines Zeichens Sohn des Rational-Gründers Siegfried Meister, ist das ganze Küchengeschäft offensichtlich zu heiß (!) und daher verkauft er in insgesamt drei Schüben knapp 12% seiner Anteile; einfach mitten in die Corona-Krise hinein am 10.02., am 21.04. und am 02.06. bis er schließlich bei „nur noch“ 2,97% Anteilsbesitz landet. Warum auch nicht. Die Aktien sind eh zu teuer, finde ich.

Und vielleicht ist auch genau dies der Moment, an dem man innehalten sollte. Ein Sohn des Gründers eines Wachstumsunternehmens verabschiedet sich peu-á-peu aus dem Geschäft, die BlackRocks et al. übernehmen die Anteile, die Spekulation nimmt zu, die hohe Bewertung bleibt, Corona wohl auch.

Na mal sehen wie das weitergeht…

– Fin –