Jetzt könnte man meinen, dass ich nach einer mehrmonatigen Blog-Abstinenz dem Thema Finanzanlagen vollständig den Rücken gekehrt habe und diese Webseite hier den langsamen Aktualitäts-Tod sterben lasse. Dem ist allerdings überhaupt nicht so, ich bin gedanklich und finanziell sogar ziemlich aktiv gewesen und möchte einen Teil meiner Aktivitäten hier mal wieder dokumentieren.

Die Art wie ich dieses Depotupdate aber gestalte wird sich von vorherigen Updates unterscheiden, weil es mir heute wichtiger ist, meine Beweggründe und Gedanken der vergangenen Wochen zu teilen, als akribisch jede einzelne Zahl, Zahlung und Transaktion en detail wiederzugeben. Mein Musterdepot lasse ich heute mal außen vor; ein Update dazu verschiebe ich auf einen zukünftigen Beitrag. Alles, was nun folgt, bezieht sich auf mein Echtgeld („RealTime“) Depot.

Neuzugang im Depot

Im Vergleich zum Depotupdate (03/22) gibt es einen Neuzugang in meinem Wertpapierkorb: Henkel. Warum das so ist, schildere ich kurz. Irgendwann im Jahre 2019 habe ich mir diese Aktie zum Preis von um die 80 Euro einmal angesehen und sie für zu teuer befunden. Seitdem lungerte dieses Wertpapier mit seinen Stämmen auf meiner stiefmütterlich gepflegten Watchlist (siehe im Sidebar rechts) herum, bis dann im Frühjahr 2022 der von mir gesetzte Kauf-Zielwert erreicht war. Am 6. April ’22 kaufte ich folgerichtig zum Kurs von 58,78 Euro Henkel-Vorzüge und das mit der guten Nachricht im Hinterkopf, dass das Unternehmen vermeintliche Eier beweisen hatte, sein Russland-Geschäft entgegen der aktuellen deutschen Meinungsfahne NICHT aufzugeben. Schließlich produziere Henkel ja „Produkte des täglichen Bedarfs“ und wäre somit quasi überlebenswichtig für die jeweiligen Kunden vor Ort.

Ja denkste, denn am 19. April ’22 schoß dann die Nachricht über den Äther, dass das Russland-Geschäft aufgrund des „russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und der Gewalt gegen unschuldige Zivilisten“ nicht weitergeführt werden solle. War halt im März und Anfang April noch nicht „brutal genug und noch zu unschuldig“, um es früher aufzugeben. Dumm gelaufen! Ist jetzt natürlich mein persönliches Pech, aber mit dem Einstiegspreis in diese Position kann ich gut leben.

Value-Investment-Dilemma

Und hier sind wir auch schon mitten in meinem Dilemma, welches mich seit geraumer Zeit quält und nicht mehr loslässt. Bisher, also bis Anfang 2020, gab es klare Parameter für das Value-Investing. Buchwert, EK-Quote, Gewinn- und Dividendenhistorien et cetera waren immer die Säulen, auf die ich meine Investment-Entscheidung bauen konnte. Es war einfach, auf irgendwelche Jahres- oder Quartalsberichte zu schauen und ein wenig Up-to-date mit dem Nachrichtenstream zum Unternehmen bzw. zur Branche zu bleiben und schon hatte ich eine halbwegs Nachtschlaf-feste Aktien-Entscheidung zusammengebastelt.

Auf der Suche nach dem richtigen Weg…

Erschwerend hinzu kommt die Tatsache, dass das Investment-Thema mitnichten unabhängig von der gesamtgesellschaftlichen Lage in Deutschland, Europa und der Welt gesehen werden kann. Eine Aktien-Analyse für Wertpapier XY verengt den Blick so sehr, dass jedes Schreiben darüber, das Analysieren selbst sofort irrelevant wird, weil ich mitten im Orkan auf einen metaphorischen Furz schaue. Und unter dem Einfluss dieser Erkenntnis lasse ich das Bloggen lieber gleich ganz und voliá lieber Leser: hier liegt die Antwort für meine monatelange Blog-Abstinenz und die fehlenden Updates! Erst der motivierende Gedanke, mir dieses, mein Dilemma von der Seele zu schreiben und es zu teilen, hat mich zurück an den Computer geführt…

„Value-Investment-Feeling“

Und nun, mitten in diesem globalen Orkan, habe ich also Geld für Aktien ausgegeben. Das Wort „Investieren“ vermeide ich hier bewusst, weil ich mehr nach Intuition, nach Bauchgefühl vorgegangen bin, als nach irgendeiner zahlenbasierten Faktenlage. Was soll ich auch mit Zahlen, wenn ohnehin alles – die Pandemie mit der direkt anschließenden „Zeitenwende“, wie unserer oberster Regierungsvorturner so schön behauptet – wenn also alles irgendwie noch nie dagewesen ist, wenn alles ein Präzedenzfall ist?

Seit meinem letzten Depotupdate im März 2022 habe ich zum Kurs von 19,10 Euro ein paar meiner Schloss Wachenheim AG Aktien verkauft und Gewinn mitgenommen, um Cash für Nachkäufe bei andere Positionen zu haben.

Damit habe ich dann von März bis heute folgende Wertpapierposition aufgestockt (kurze Begründung in Klammern dahinter):

  • Deutsche Konsum REIT (Aktienkurs gefallen und sehr nahe am NAV, 75% der Mietverträge inflationsgesichert)
  • BASF SE (Aktienkurs stark gefallen, sehr nah am Buchwert, Russen-Gas-Krise und Rhein-Pegel für Ludwigshafen zwar schwierig, aber globales Unternehmen, stark in China, starke Lobby in Deutschland und wer es überlebt, Arbeiter aus Konzentrationslagern zu beschäftigen (siehe IG Farben), kommt auch über die heutige Ungewissheit hinweg)
  • Allianz SE (Aktienkurs stark gefallen, liegt unter Buchwert, global tätig, global systemrelevant, starke Lobby in Deutschland, „Structured Alpha“ bedroht Aktienrückkäufe und Dividenden nicht)
  • Bonduelle S.A. (Aktienkurs stark gefallen, liegt unter Buchwert, global tätiges Familienunternehmen in der/dem Lebensmittelherstellung/-vertrieb, Ukraine-Krieg Schock wird verkraftet werden, glaube ich)

Ausgehend vom bilanzellen Buchwert des jeweiligen Unternehmens, meines Einstiegskurses und des aktuell verfügbaren Aktienkurses baue ich mir also eine „Story“ zusammen, warum und wie stark ich ein Wertpapier nachkaufe. Das widerspricht ehrlicherweise meiner Intention, meine Entscheidungen ausschließlich fakten- also zahlenbasiert zu treffen, aber der andauernde Präzedenzfall führt jede Prognose ad absurdum, mehr noch als sie es zu „normalen Zeiten“ schon wäre.

Der Fall „Alba SE“ (good feeling/bad feeling?)

Interessant finde ich es übrigens, dass mein Artikel über die Alba SE in meinen „mauen“ Monaten von März bis Juli am häufigsten gelesen wurde. Wahrscheinlich gibt es viele Leser, die ähnlich wie ich den „richtigen Weg“ bei dieser Aktie suchen. Die Alba SE soll ja aus dem großen Alba Mutterkonzern herausverkauft werden, hat vor kurzem zum letzten Mal die Garantiedividende ausgeschüttet und steht von nun an irgendwie allein, ja schon fast verloren da. Die Zukunft scheint ungewiss, auch wenn bis 2024 eine stabile Gewinnentwicklung erwartet wird. Es ist wohl nicht vermessen zu sagen, dass die Zukunft dieses Unternehmens im wahrsten Sinne Schrott ist. Metallschrott, um es genauer zu sagen.

Mein Einstiegskurs in dieses Papier liegt bei 60 Euro, die 4,17 Euro Dividende für dieses Jahr habe ich kassiert, der aktuelle Preis der Aktie beträgt noch knapp 27 Euro. Grundsätzlich erstmal Mist. Ich könnte die Aktie jetzt verkaufen, wie ein Mann zum Verlust stehen, den Mund abputzen und weitermachen. Aktuell fahre ich aber die Nummer der größeren Eier, schreibe im Kopf schonmal die ganzen 60 Euro ab und warte/hoffe auf einen Glücksfall. Ich muss ja nicht verkaufen, der Verlust täte mir nicht weh und am Ende vererbe ich die Aktie gegebenenfalls und meine Nachkommen können dann entscheiden.

Eine Bewertung dieser Aktie ist extrem schwierig, weil sie eben so in den Mutterkonzern eingebunden ist, es viele Abhängigkeiten gibt und jetzt aktuell der Übergang zum „Solo“-Künstler ansteht. Diese Schilderung dient dem Leser hier nur zur Illustration meiner Gedanken. Ob ich die Aktie nochmal kaufen würde? Nein! Nicht bei 60 Euro und auch jetzt nicht bei 27 Euro. Ist einfach alles zu verworren und ungewiss…

Was wäre die Alternative zum „Value-Investment-Feeling“?

Letztendlich ist mein „Value-Investment-Feeling“ eine Abwägung von Alternativen. Ich habe genug Geld zum Leben für mich und meine Familie. Des Weiteren noch einen „Notfall“-CashPool von 3-4 Monatsgehältern. Alles, was noch darüber hinaus noch an Einkommen habe, könnte ich wahlweise vom Fuck-Zins „Verwahrentgelt“ der Bank oder von der Inflation aufzehren lassen (Nein, danke!)

Eine weitere Option wäre es, jetzt noch eine mit Sicherheit überteuerte Immobilie zu kaufen/zu finanzieren, die ich eventuell noch zu einem annehmbaren Darlehenszins angeschafft bekäme. Dies allerdings wäre ein weiteres Risiko in bereits riskanten Zeiten und klingt wenig geil lukrativ (Nein, danke!).

Wenn ich das sinnlose Verprassen „Konsumieren“ von frei verfügbarem Einkommen als Alternative mal überspringe (Nein, danke!), dann wird es in Bezug auf die investierbare Assetklassen schon dünn. Bleiben also Wertpapiere (der Finanzmarkt) und physisches Gold. Und damit wären wir wieder beim Anfang, nämlich einem andauernden Präzedenzfall, durch den ich mich und mein Vermögen irgendwie hindurch navigieren möchte, ohne ruinöse Verluste zu erleiden oder gar verrückt zu werden. Es bleibt also nur die vorsichtige, riskante, oftmals ungewisse und gänzlich intuitive Option, sich irgendwie zu einer Investmententscheidung durchzuringen.

(Nix zu tun, also sich von allem zu trennen und seinen eigenen Lebenstandard soweit herunterzuschrauben, dass man mit seinen Händen allein und ohne viel körperlichem Aufwand bis an sein Lebensende ein friedliches Dasein fristen kann; dieses Nix-Tun ist erst die allerletzte Option und nicht einmal die Schlechteste, finde ich.)

Resümee

Ich hoffe, ich konnte einen guten Einblick in meine Gedankenwelt geben. Vieles scheint momentan ungewiss, unplanbar oder macht sogar Angst. Positiv gesehen wurde ich aus meiner so kuschelig warmen Comfort-Zone geschmissen und suche nun dringend eine neue, finde aber so richtig keine, habe also die Chance, mit diesem Schwebezustand sinnvoll und konstruktiv umgehen. Mein Opa sagte immer: „Sohn, nach dieser Zeit kommt eine andere!“.

In diesem Sinne schlage ich jetzt wieder den Bogen zu meinem letzten Beitrag über den „Kultur-Value“ und dem emotional spürbaren Mehrwert, den uns die Kultur, die Kunst oder andere Menschen in schwierigen Zeiten geben können. Ohne es schon gesehen zu haben ziehe ich mich jetzt also für zwei Stunden mit dem Video zu einem Vortrag plus Diskussion von Ulrike Guérot zurück und versuche herauszufinden, wie ich dazu beitragen kann, dass die Welt um mich herum im Kleinen und in der Summe aller unserer „Kleinen“ dann im Großen zu einem besseren Ort wird…

„Vom Feeling her habe ich ein gutes Gefühl…“ 🙂