Value & Price

Glosse zur Konformität

So! Heute oute ich mich mal: Am Wochenende bin ich mit dem festen Entschluss in den Bau- und Supermarkt gefahren, keine Gesichtsmaske (Nasen- und Mundbedeckung) zu tragen und wenn doch, dann nur widerwillig und für einen kurzen Moment am „Pförtner“ vorbei. Warum? Weil ich der Meinung bin, dass die Maßnahmen gegen Corona aus anfänglich ängstlichem Aktionismus und sehr mauer Datenbasis entstanden und inzwischen nicht mehr verhältnismäßig sind. Warum denke ich das? Weil ich der von Bundespressekonferenz und Virologen gefütterten Medienfront aus ARD, ZDF und Privaten nicht trauen kann, wenn sie alle nur dasselbe widerkäuen.

Ich suchte und suche immer nach einer differenzierten Auseinandersetzung zu jedem Thema, um mir eine eigene Meinung bilden zu können. Dies ging und geht in der Corona-Krise nur über alternative Medien und ihren laaangen Erörterungen dazu. Und um das gleich klarzustellen: ich bin ein Krisengewinner. HomeOffice, 100%-Gehalt und volle Unterstützung der wirtschaftlichen Corona-Hilfsmaßnahmen.

Aber nun zurück zu meinen wochenendlichen Einkäufen ohne Maske…

Nasen- und Mundschutz

Mit einem Schal um den Hals und einer in meiner Jackentasche versteckten Atemmaske bin ich also in die Märkte, um meiner Einstellung Ausdruck zu verleihen. Im Baumarkt bekam ich eine kurze Geste bezüglich meiner fehlenden Ausstattung, der ich ohne Diskussion nachkam, aber schon nach den nächsten eineinhalb Metern war mein Schal schon wieder heruntergerutscht. So blieb es dann auch für den Rest des Einkaufes.

Das Gefühl, nicht-konform zu sein, dem Getuschel und den Blicken der Mitmenschen ausgesetzt zu sein, ist ein sehr bedrückendes. Im Gegensatz zu den gesetzlichen Anforderungen, die man in seinem eigenen privaten Dunstkreis ja öfters einfach mal ignoriert großzügig auslegt (Geschwindigkeitsbegrenzungen, Rote Ampeln, Marihuana; wo kein Kläger, da eben auch kein Richter) ist der soziale Druck zur Konformität unmittelbar und sofort spürbar. Als gäbe es nur Richter um einen herum!

Mich hat niemand angesprochen, mich hat niemand zurecht gewiesen oder mir seine Meinung zum Thema vor den Latz geknallt; aber in jeder Situation spürte ich, dass ich nicht dazu gehörte. Meine Einstellung, meine Sicht der Dinge wich von denen der anderen Einkäufer ab. Ich war zu jeder Zeit bereit, bei zu starkem Widerstand, die Mund-Nasen-Bedeckung zu „aktivieren“, um in Ruhe einkaufen gehen zu können. Ich war des Weiteren jederzeit bereit, sie ebenfalls zu aktivieren, wenn ich einen erkennbar zur Corona-Risikogruppe gehörenden passiert oder angesprochen hätte.

Erlösung

Während ich also in konstanter Hab-Acht-Stellung meine Einkäufe erledige und dem sozialen Druck im Einklang meiner eigenen Meinung zum Thema standhalte, fällt mir plötzlich jemand auf, der so gar keine Anstalten gemacht zu haben scheint, irgendwelche Mund-und-Nasenbedeckung in petto zu haben. Der hatte nix um den Hals, nix um den Kopf. Der war also noch schärfer als ich!! Dieser Moment, in dem ich eine sofortige, temporäre Bestätigung meiner eigenen Auffassung fand, war ein Schlüsselmoment. Es gab jemandem, inmitten des sozialen Drucks, mit dem ich konform war. Ich hatte Konformität gefunden!!

Nur einen Moment später war ich von mir selbst geschockt und die Inspiration für den heutigen Artikel war geboren. Mein Kopf zog sofort Vergleiche zu anderen Menschen in ähnlichen Situationen, die ein Aushalten des sozialen Drucks erforderlich machen. Jede öffentlich erkannbare Eigenschaft, die einen innerhalb einer Gesellschaft als zu einer Minderheit zugehörig definiert, muss mehr oder weniger stark, als nicht-Konformität empfunden werden (Hautfarben, Religionszugehörigkeiten, Behinderungen, Nationalitäten). Jede Erleichterung dieses Drucks also Erlösung.

Ich habe also als weißer, männlicher Mitteleuropäer das erste Mal erleben dürfen wie es ist, zu einer Minderheit zu gehören, die nicht gesellschaftskonform ist.

Zur Börse

Wenn das so ist, mir die Konformität eine so starke Erleichterung in schwierigen Zeiten verschafft, dann gilt das sicher nicht nur für den Supermarkt und die Corona-Krise. Es gilt einmal mehr für die Börse. Dort dreht sich eigentlich eigentlich alles um die Konformität mit Prognosen, mit Analysenkonsensen, mit der DAX-Performance, mit anderen Unternehmen der PeerGroup, mit anderen Investoren etc.

Ich bin davon nicht ausgenommen: jede Mail, jeder Kommentar, welcher mir zeigt, dass ein Leser sich AUCH für die eine oder Aktie entschieden hat, ist für mich ein BonBon der Konformität. Es bestätigt mich und freut mich, zeigt mir, dass meine Meinung geteilt wird und macht mich irgendwie fröhlicher.

Obwohl Value-Investoren oftmals schon von Natur aus gegen den Konsens des Marktes handeln, weil der Konsens (Mr. Market) aktuell eine Unterbewertung zulässt, von der man profitieren will; also obwohl ich dieses Anti-Konsensverhalten meinerseits bereits kannte, war ich von dieser neuen, aus meinem maskenlosen Widerstand entstandene Betrachtungsweise überrascht.

Resümee

Sich gegen den Konsens, die Masse zu stellen, ist kein Selbstzweck. Ich bin nicht masochistisch oder asozial genug veranlagt, um daraus ein Hobby zu machen. Aber ich bin davon überzeugt, dass ein Großteil meiner InvestorenPerformance auf meiner Fähigkeit beruht, mich trotz eines Kribbelns im Bauch und ständiger, innerer Bewertung meines Verhaltens, meiner eigenen Ansicht zu folgen, obwohl der omnipräsente Mr. Market etwas anders meint. Meine kritische und differenzierte Betrachtungsweise ist also nützlich.

Mir ist klar, dass ich mich nicht über das Gesetz stellen darf und ignoriere jeden, der mir in dieser Richtung am helllichten Tage eine Lampe anzünden möchte.

Aus meiner Sicht und ohne den engen Blick auf die Börse ist es für eine demokratische Gesellschaft notwendig, dass es Menschen gibt, deren erstes Ziel nicht die Konformität ist. Der Schwarm, die Gruppe, die Massen sind mächtig genug, als dass sie noch Unterstützung bräuchten. Jede Minderheit, jede Minderheitenmeinung hat das Recht gehört zu werden. In der Summe aller Meinungen liegt dann der Konsens, dem sich die Gesellschaft unterzuordnen hat.

Der oben erwähnte ängstliche Aktionismus zu Beginn der Corona-Krise, dem eine Corona-Ignoranz voraussging, die den Aktionismus dann noch verstärkt hat, basierte nicht auf einem allgemeinen Konsens der Gesellschaft. Die Corona-Maßnahmen sind ein einseitiges Dekret, finde ich.

Dass soll natürlich nicht heißen, dass ich die Wahrheit gepachtet habe; aber eines habe ich gepachtet: die Meinungsfreiheit und mit ihr alle Menschen- und Bürgerrechte. Momentan habe ich aber Angst, dass mir die allgemeine Konformität dieses Pachtverhältnis streitig machen will und ich daraus nicht, wie als Value-Investor an der Börse, Profit schlagen kann.

Im Gegenteil: eine Underperformance droht…

3 Kommentare

  1. Misanthrop

    geschätzter herr BOUVIER,
    das gibt minus punkte. ich verstehe Ihren ansatz, aber denke nicht, dass dies der beste zeitpunkt ist, um sich als freiheitskämpfer zu etablieren. die masken mögen nicht supersinnvoll sein, aber sie lassen die menschen achtsam sein. es wollen ohnehin alle nur mehr party machen und back to normal. und in geschlossenen räumen machen masken imho durchaus sinn. viele menschen müssen den ganzen tag mit masken ihre arbeit verrichten, da wird es uns glücklichen börsenzockern wohl möglich sein für einen baumarktbesuch eine maske aufzusetzen ohne auf dramaqueen zu machen? was wirklich effektiv war, werden wir erst irgendwann erfahren und bis dahin ruhig bleiben und zusammenarbeiten – auch wenn es nicht immer sinnvoll erscheint und lästig ist. vermute wir werden eine zweite welle spätestens ende des jahre bekommen (it is a grippe after all) und das wird oasch wie wir in wien zu sagen pflegen. es ist für mich kein bürgerrecht unvorsichtig zu sein, weil es bequemer und spaßiger ist, da so ein verhalten auch immer andere gefährdet. was sich jemand selbst antut oder lustig findet, ist mir ansonsten scheißegal. vieles läuft nicht optimal in punkto krisenmanagement, doch ob ihr wirklich richtig steht….

  2. Michael

    Hallo Herr Bouvier,
    ich gebe Ihnen zwar keine Minuspunkte – aber ihr „unvorsichtiges“ Verhalten gegenüber Mitmenschen ist fragwürdig. Sie tragen die Maske nicht um sich zu schützen, sondern um andere zu schützen. Ob das jetzt sinnvoll ist oder die Konformität in der Masse zu schwimmen ihrerseits negativ ausgelegt wird, ist nebensächlich. Was Sie an der Börse (oder im Berufsleben) erfolgreich macht, nämlich die eigene bis ins letzte durchdachte und mehrfach durchgekaute Meinung bzw. der Prozess dahin, ist hier kein gangbarer Weg! Wir haben in Deutschland ein Pfund gegenüber Corona: das ist das gesellschaftliche (Nicht-) Zusammenleben. Opa/Oma leben in der Regel nicht wie in Italien und Spanien im gleichen Haushalt – es gibt auch mehr Single Haushalte. Nicht jeder herzt den anderen wenn er ihn sieht. Eine in diesen Ländern als unterkühlt geltende Begrüßung war im Frühjahr viel Wert. Und natürlich die flächendeckend bessere medizinische Versorgung (also nur halb kaputt gespart). Alles andere würde uns in die gleiche Lage wie Italien, Spanien und das medizinisch wohl fatal ausgestattete England versetzen. Mit den gemeinhin bekannten Folgen und höheren Sterberaten. Ebenso scheint eine gewisse körperliche Fülle die Gefahr zu erhöhen (USA, England…?) – hier ist auch ein „leichter“ Vorteil. Sich gegen Auflagen zur Wehr zu setzen ist (noch) nicht notwendig. Außerdem dürften vielen lauten Corona-Gegner ihre wirtschaftliche Lage viel(!) wichtiger sein, als die leibliche Unversehrtheit ihrer Mitmenschen, insbesondere wenn diese im Rentenalter sind. Vor dem Alter haben immer weniger Respekt. Noch inhaltlich zum Artikel: Was mich zum Nachdenken bringt, ist die Überlegung: will ich öfter Mr. Market ein Schnippchen schlagen(?), weil ich Recht haben will….und deshalb gegen die Masse schwimme? Oder wäre es besser mit dem Strom zu schwimmen (kein Kauf von Lufthansa oder Wirecard). Wo muss ich meinem Instikt (als Anleger) folgen und wo Vorsicht walten lassen? Freundliche Grüße!

  3. Alexander Nagel

    ich finde Ihre Einstellung nicht in Ordnung!
    Natürlich kann man nicht mit Gewissheit sagen wie groß der Nutzen dieser Masken nun ist, aber die jetzige Datenlage bescheinigt einen positiven Einfluss, weshalb die Maskenpflicht eingeführt worden ist.
    Einzelne Vorgaben und Maßnahmen unserer Regierung mögen falsch sein, aber der Vergleich mit den USA oder GB zeigt wie effektiv die Gesamtheit aller Maßnahmen ist.
    Deswegen ist es in dieser Zeit geboten dem Staat zu vertrauen, sich an die Vorgaben zu halten und nicht die Kompetenz eines riesigen Apparates anzuzweifeln dessen Expertise weiter geht als meine und Ihre. Sondern vertrauen zu haben und als Gesellschaft zusammen zu stehen.
    Sollte man auch nur ein Leben durch die Dinger retten hat es sich gelohnt und wenn es keinen Nutze gebracht hat war das Opfer doch nicht allzu groß.

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