Immer wenn mir ein Freund oder Bekannter eine Anekdote schildern möchte und diese mit den Worten „Mein Freund hat…“ oder „Mein Bekannter hat…“ beginnt, dann ertappe mich mich innerlich dabei, wie ich in folgenden Kurzschluss verfalle: „Jaja, alles klar, die Geschichte handelt eigentlich von dir, aber das willst du nicht zugeben, also werde ich mental alles, was du über deinen Bekannten erzählst, auf dich übersetzen. Leg ruhig los!“

Der heutige Beitrag ist aber nun einmal die Schilderung der finanziellen Biografie einer sehr guten Bekannten von mir und somit wird diese Schilderung unweigerlich wie oben beschrieben beginnen. Jeder Leser ist eingeladen, seine eigenen Schlüsse zu ziehen. Ich bestätige nichts, dementiere nichts. 🙂

(Update vom 22.05.21: die Tabellen mit den Assetbeständen funktionieren jetzt; in der ersten Version des Beitrages hat die von mir gewählte Hintergrundfarbe die Tabellen unlesbar gemacht.)

Vorgeschichte

Meine Bekannte (nennen wir sie Franka) ist inzwischen fast 40 Jahre alt und hat sich vor kurzem den Traum vom Eigenheim erfüllt. Nachdem ich Franka während meiner Studienzeit kennengelernt habe und wir uns damals schon über die besten Anlagemöglichkeiten für unsere mickerigen Ersparnisse ausgetauscht hatten, blieben wir auch nach der Studienzeit regelmäßig in Kontakt, unterhielten uns über dies und das und Franka war es unter anderem auch, die mich gegen Ende 2018 zu diesem Blog ermutigt hatte.

Der Traum vom Eigenheim / ein Haus mit gemütlicher Innenbeleuchtung bei abendlichem Dämmerhimmel / Frankas Eigenheim
Der Traum vom Eigenheim

Eben weil wir so regelmäßigen Kontakt hatten, konnte ich sie direkt nach den Einzelheiten der Finanzierung ihres neuen Heimes fragen. Sie war und ist, wie ich, eigentlich immer gegen die Verschuldung gewesen, hat sich aber dennoch dafür entschieden den Großteil ihres Eigenheim über eine Bank zu finanzieren. Ich fand es daher sehr interessant zu erfahren, wie sich ihre Vermögensverhältnisse seit dem Studium entwickelt hatten und wie es letztendlich zu der erwähnten Entscheidung kam.

Für mich klang alles, was sie schildert, auch Tage nach dem Interview noch, sehr vernünftig und nachvollziehbar, weshalb ich mit der Beitragsüberschrift die These aufstellen wollte, ob ihre Herangehensweise nicht der „Königsweg zum Eigenheim“ für diejenigen sei, die kein großes Vermögens als Warmstart zu Verfügung haben, sondern sich durch den klugen Wechsel von Sparen und Investieren über die jungen Teen- und Tween-Jahre dieses Startkapital erst aufbauen müssen.

Zeitraum: Frankas Geburt bis 2005

Franka stammt aus einer einfachen Arbeiterfamilie in Ostdeutschland. Ihr Vater war Bauarbeiter, ihre Mutter Küchenhilfe. Beide Elternteile sind Baujahr 1959 in der DDR. Als Franka 1980 auf die Welt kam durfte sie Kindergarten- und auch noch ein wenig Pionierluft schnuppern, bevor 1989 der antifaschistische Schutzwall die Mauer fiel und beide Eltern arbeitslos wurden. Ihr Vater machte sich 1991 als Händler für irgendwas selbständig und war damit so erfolgreich, dass ihre Mutter in ihrer selbst gewählten Rolle als Hausfrau aufgehen durfte.

Als Teenager besuchte Franka ein staatliches Gymnasium und die finanziellen Highlights ihrer Teenager-Jahre waren die Jugendweihe (rund 1.500 D-Mark), ihr Taschengeld (ab 14 Jahren monatlich rund 50 DM) und ihre Nebenjobs ab 16 Jahren (monatlich immer so zwischen 300 und 400 DM). Nach dem Abitur jobbte sie zunächst weiter, weil die Ansage ihres Vater ganz klar war: „Wenn du studieren möchtest, dann musst du dir das auch leisten können.“

Im Jahre 2005 also, mitten im zweiten Semester des dualen Studienganges für „International Business Administration“ an der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin lernte ich Franke kennen, deren „Assets“ zu diesem Zeitpunkt in folgender Tabelle zusammengefasst sind (ab jetzt alles in Euro).

AktienfondsRentenfondsCashSumme
1.700€2.000€1.600€5.300€
Frankas Assets Ende 2005 – keine Schulden vorhanden

Zeitraum: 2005 – 2010

Die „Älteren“ werde sich sicherlich erinnen. Das Jahr 2005 war ein Jahr, in dem es nach der bis 2003 anhalten „Dot-Com“-Rezession langsam wieder aufwärts ging. Für ihren Cash-Bestand, der natürlich durch sparsames Verhalten und fleißiges Arbeiten mit monatlichen Cash-Beträgen gefüttert wurde, wechselte Franka regelmäßig die Banken für ihre Tagesgeldkonten. Als Neukunde konnten beispielsweise im Jahr 2006 tatsächlich 3% Zinsen, im Jahre 2008 sogar bis zu 5% auf sofort verfügbares Tagesgeld erzielt werden. Verrückte Zeiten!

In Bezug auf ihre Aktien/Anleihen-Investments hatte Franka mit einem Immobilienfonds von 2005 bis 2008 sehr viel Glück, bevor sich diese „Glückserträge“ dann in der anstehenden Finanzkrise vollständig vaporisierten. Rentenfonds und Aktienfonds liefen gemäß des allgemeinen Aufschwunges ganz normal, soll heißen es ging vorsichtig, aber stetig aufwärts.

Die Finanzkrise 2008/2009 sorgte bei Franka dazu, dass sie sich mit der allgemeinen Funktion des Geldes auseinandersetzte. Woher kommt Inflation? Wer kontrolliert die Geldmenge? Wozu dienen Währungswechselkurse und wie haben sich verschiedene Papierwährungen in der Vergangenheit geschlagen? In dieser Zeit waren Franka und ich in regem Austausch diesbezüglich, weil wir Diskrepanzen zwischen den volkswirtschaftlichen Theorien unseres Studiums und sowie unseren Erfahrungen während der Finanzkrise wahrnahmen (grob zusammengefasst habe ich die Essenz unserer Diskussion in Blog-Beiträgen wie „Sparen, aber richtig!“ und „Der Fall Gold!„). Es begann ein allgemeiner Portfolioumbau mit folgendem Trend: von Fonds in direkte Aktien, von Cash in Gold.

Im Zuge der Finanzkrise begann Franka also damit, ihre ersten Edelmetallbestände aufzubauen. Sie schilderte mir Stolz, dass sie ihre erste Unze Gold für rund 700 Euro erwarb. Obwohl sie damals im Jahre 2009 nicht so richtig wußte, ob diese 700 Euro jetzt gut oder schlecht angelegt waren, oder wie genau man mit Gold eine Rendite überhaupt berechnet bzw. ob das notwendig ist, war diese Entscheidung, dieser erste Schritt in der Retrospektive im wahrsten Sinne „goldrichtig“. Ihr Asset-Portfolio am Ende des Jahres 2010 sah wie folgt aus:

Aktien (direkt)Gold/SilberCashSumme
2.100€23.400€500€26.000€
Frankas Assets Ende 2010 – keine Schulden vorhanden

Exkurs: ostdeutsche Immobiliengeschichten

An dieser Stelle ist es essentiell, dass ich einen kleinen Exkurs mit dem obigen Titel einschiebe, weil er für die Entwicklung von Frankas Vermögens relevant ist.

Nach dem zweiten Weltkrieg wurden in der Sowjetischen Besatzungszone (später DDR) mehrere Bodenreformen durchgeführt. Alteingesessene, reiche Landwirtschaftsgüter („Junker“-Eigentum) wurden zu Gunsten kleinerer, vorher nicht existierender Landwirte und Güter aufgeteilt („Neubauern“ – siehe Bodenreform in Deutschland). Jedes Gut, welches mehr als 100 Hektar an Land bewirtschaftete, wurde so enteignet, zersplittert. Ganz im Sinne der kommunistischen Wirtschaftsidee wurden danach viele der DDR-Bauern mehr oder weniger zwangsweise in Genossenschaften zusammengeführt (LPG), um eine planmäßige Bewirtschaftung und Versorgung der Bürger zu gewährleisten.

Nach der Übernahme Vereinigung von BRD und DDR im Jahre 1990 bestand also eine ostdeutsche Sondersituation, in der viele kleine Landwirtschaftsflächen (teilweise sogar Forstflächen) ungeklärte Eigentumsverhältnisse hatten, weil die Nachfahren der Neubauern sowie der Junker sich ihrer Ansprüche auf die Flächen aus der DDR-Zeit und davor – denn die DDR war ja ein „Unrechtsstaat“, alles was dort passierte wurde als „Unrecht“ deklariert und musste durch die Sieger BRD revidiert werden – nicht bewusst waren. Immobilieneigentum galt in der DDR nicht viel bzw. war nicht rentabel; es gab Mietobergrenzen für Wohnimmobilien), Landwirtschaftsflächen waren kollektiviert. Es gab somit quasi keinen Immobilienmarkt im rein kapitalistischen Sinne.

Wenn man also in den Jahren von 1995 bis etwa 2009 eifrig genug war und den einen oder anderen Erben rechtsverbindlich ausfindig machte, konnte man tatsächlich mit etwas Glück 10.000 Quadratmeter (1 Hektar) Acker- oder Forstfläche in Brandenburg für 1.000 Euro erstehen. Genau so ein „Eifriger“ war Frankas Vater und der überzeugte auch Franka davon, statt das Geld auf einem Konto liegen zu lassen, ein paar Hektar Wald oder Wiese ins Asset-Portfolio aufzunehmen.

Nachdem die Finanzkrise 2008/2009 aber allen Investoren die Flüchtigkeit von Papiergeld vor Augen führte, erlebten auch die ostdeutschen Ackerflächen eine preisliche Renaissance, sodass dieser eine Hektar Acker, der vor 5 Jahren noch für 1.000 Euro zu erstehen war, von großen Agrar-Konzernen für gut und gerne bis zu 10.000 Euro aufgekauft wurde.

In diese Zeit hinein verkaufte Frankas Vater das Gros seiner Flächen und kaufte dafür Wohnimmobilien, von denen eines Frankas kleiner Familie ab 2010 und für eine väterliche „Freundschaftsmiete“ ein neues Zuhause bot. Franka profitierte somit doppelt von der Auflösung der oben geschilderten, ostdeutschen Sondersituation: erstens konnte sie ihre Lebenshaltungskosten mithilfe einer geringen Wohnmiete im Hause ihres Vaters senken; zweitens stand auch Franka durch die Renaissance der ostdeutschen Immobilienpreise vor der Frage, wann sie Wald und Wiese in einen saftigen Ertrag konvertieren würde.


Zeitraum: 2010 – 2015

Zwei Dinge sind aus der Bilanz zum Ende 2010 unschwer zu erkennen: zum Einen hatte Franka den Mut, sich von Investmentvehikeln wie Fonds zu verabschieden, um sich mit Unternehmen und der Möglichkeit eines direkten Anteilsbesitzes auseinanderzusetzen. Im Wesentlichen folgte sie der Philosophie, dass jede Aktie einen Preis und einen darunter liegenden Wert hat und dass sich aus einer fehlerhaften Einschätzung der Relation beider Größen seitens Mr. Market interessante Investmentmöglichkeiten ergeben können, die es gewinnbringend auszunutzen gilt.

Zum Anderen hielt Franka es für angebracht, den größten Teil ihres Cash-Bestandes in Edelmetallen zu parken, statt es auf einem Tagesgeldkonto, welches in 2010 im Durchschnitt übrigens nur noch etwas über 1,5% Zinsen abwarf, liegen zu lassen. Weiterhin konnte sie durch ihren sicheren und gut bezahlten Job bei einem Pharmariesen mit Berliner Dependance weiterhin mit einem regelmäßigen Cash-Inflow frei verfügbaren Einkommens rechnen. Ähnliches galt übrigens für ihre Partnerin.

Bezüglich Aktien sowie Edelmetallen verhielt sich Franka in diesem 5-Jahreszeitraum weiterhin so, wie es das Ende des Jahres 2010 bereits vorgezeichnet hatte. Abgesehen von der Geburt zweier Kinder verlief Frankas Leben in dieser Zeit weitgehend ereignislos normal: Arbeiten, Kinder großziehen, Urlaub, Arbeiten. Der kontinuierliche Vermögensaufbau war ebenso stetig und so zog Franka am Ende des Jahres 2015 folgende Bilanz:

Aktien (direkt)Gold/SilberCashSumme
11.800€40.000€20.000€71.800€
Frankas Assets Ende 2015 – keine Schulden vorhanden

(Der Einmalertrag aus der „ostdeutschen Sondersituation“, welche im Exkurs geschildert wurde, beläuft sich auf ungefähr 25.000 Euro).

Zeitraum: 2015 – Juli 2020

Die letzten 5 Jahre vor dem Erwerb ihres Eigenheimes beschränkte sich Franka darauf, aus ihrer Sicht unterbewertete Unternehmen zu suchen, zu kaufen, zu halten und ggf. wieder zu verkaufen. Edelmetalle hat sie aufgrund des hohen Preises und ihres beruhigenden Bestandes nicht mehr nachgekauft, weshalb die Wertsteigerung dieser Assetklasse einzig auf die Preisentwicklung der Unzen im Wertschrank zurückzuführen ist. Wald- und Wiesenflächen hat Franka kaum noch welche, vielleicht ein kleines Stück an einem See irgendwo in Brandenburg, insgesamt aber nicht der Rede wert.

Eine Sache, die Franka aber gesondert erwähnte, war ihr „Bonitätsmanagement“, wie sie es nannte. Während sie und ihre Partnerin in den Jahren vor 2018 noch oftmals dazu neigten, notwendige/s Haushaltsgeräte/Inventar für 0-Prozent zu finanzieren, um den gesparten Gesamtbetrag anderweitig zu verwenden, achteten beide ab 2018 strikt darauf, dass solcherlei „Scoring“-schädliche Einträge aus ihrer Bonitätshistorie gelöscht sind. Dazu nutzten beide die jährliche, kostenlose Schufa Datenauskunft, korrigierten falsche Einträge, Adressen und steigerten somit ihr Scoring im Jahre 2020 auf bis zu 99,5%.

Bevor also im Juli 2020 ein Kreditvermittler mit der Kaufpreisfinanzierung für das Haus des Vaters, in dem die junge Familie lebte, beauftragt wurde ging Franka mit folgendem Asset-Portfolio ins Rennen um ihr Eigenheim:

Aktien (direkt)Gold/SilberCashSumme
63.000€70.000€16.000€149.000€
Frankas Assets Mitte 2020 – keine Schulden vorhanden

Zusammenfassung

Franka und ihre Partnerin kauften in der zweiten Jahreshälfte 2020 für insgesamt 320.000 Euro das Wohn- und Gewerbehaus ihres Vaters, in dem sie seit 10 Jahren bereits wohnten. Das Haus befindet sich in einer brandenburgischen Kreisstadt, wurde vom Gutachter mit etwa 370.000 Euro bewertet und wurde im Jahre 1937 erbaut. Der effektive Jahreszins liegt bei 0,66%, das verwendete Eigenkapital beträgt 80.000 Euro, der Zins ist für 10 Jahre gebunden, Sondertilgung bis zu 5% der Kreditsumme von 240.000 Euro ist jährlich möglich.

Aus meiner Sicht gibt es mehrere Faktoren, die diesen Königsweg zum Eigenheim erst ermöglicht haben:

  • eine sichere Einkommenssituation (beider Kreditnehmer), die sicherlich auf einer guten Ausbildung und Jobentscheidung basiert
  • stabile Familienverhältnisse (keine Scheidung, kein Erbstreit, keine Unterhaltsforderungen)
  • die 25.000 Euro Sondereffekt als Profit aus einer historisch einmaligen Sondersituation (siehe Exkurs)
  • der Mut, in der Finanzkrise entgegen der meisten Mainstream- und Bankberater einen Teil der Ersparnisse in Edelmetalle zu investieren
  • die Entscheidung, ein Haus zu kaufen, in dem man schon eine ganze Weile wohnt; ein Haus, das man sehr gut kennt
  • die Entscheidung, schon frühzeitig im Haus des Vaters für eine Miete unter Mietspiegel zu wohnen
  • die Entscheidung, nicht in einer prestigeträchtigen, teuren Großstadt wie Berlin oder ihrem Speckgürtel, sondern in der Brandenburger Provinz leben zu wollen
  • die Entscheidung, vom Vater zu kaufen und damit Maklerprovision sowie Grunderwerbssteuer zu sparen
  • die Entscheidung, erst im Alter von knapp 40 Jahren zu kaufen und vorher Eigenkapital aufzubauen sowie die eigene Bonität zu pflegen
  • die Entscheidung ein Haus zu kaufen, dass einen Gewerbeanteil hat, der als „Vermietreserve“ dient
  • der Immobilienwert des Eigenheims überdeckt solide die Grundschuld
  • nachdem der Kauf des Eigenheims abgewickelt ist, sind immer noch Aktiva im Wert von über 60.000 Euro vorhanden (Eigenkapitalreserve)

Schlussbilanz

Wir haben 2021, der Kauf ihres Eigenheims ist für Frankas Familie inzwischen Schnee von gestern. Höchste Zeit also, zum Ende diese langen Beitrages auch eine Schlussbilanz zu ziehen:

Aktien (direkt)Gold/SilberCashSumme
23.000€30.000€10.000€63.000€
Frankas Assets März 2021
VerbindlichkeitenImmobilienwert
230.000€370.000€
Frankas Schulden März 2021

Insgesamt hat Franka viele der Punkte berücksichtigt, die ich in meinem 2019er Artikel für einen Eigenheimerwerb mit Value-Brille, wenn es so etwas überhaupt gibt, bereits skizziert hatte. Ob sie das intuitiv gemacht hat oder nicht, weiß ich nicht. Jedenfalls danke ich dir Franka für deine Geduld mit mir, meinen Fragen und für deine Zustimmung, diese Story zu publizieren. Ich wünsche dir und deiner Familie alles Gute!

– Fin –