Ein Grund dafür, warum ich diese Webseite hier betreibe, ist, dass ich meine Gedanken und Entscheidungen irgendwo aufschreiben möchte, um sie später, wenn ich mich an meine Entscheidungsgrundlage nicht mehr erinnere, nochmals nachlesen zu können. So verhält es sich bspw. auch mit Exchange-traded funds (ETFs). Was ist ein ETF im Kern überhaupt (Value?) und ist das etwas, was ich als bekennender Value-Investor überhaupt in Erwägung ziehen sollte?

Mein aktueller Anwendungsfall ist die chinesische Wirtschaft. Ich teile die Meinung Jim Rogers‘, der glaubt, dass das 21. Jahrhundert das Jahrhundert Chinas sein wird (Achtung! Storytelling-Alarm). So wie das 20. Jahrhundert eben das Jahrhundert der Amerikaner war. Einwohnerzahl, Bildung, Kultur und das wirtschaftliche Wachstumspotential, dass sich durch die kapitalistische Teilöffnung seit den 1980er Jahren zeigt, all das hat für mich ein langfristiges Wertsteigerungspotential und daher möchte ich gern erörtern, ob ich über ETFs langfristig in China investieren sollte. Oder anders gefragt: was bekomme ich für 100 Euro via China-ETF überhaupt an Wert in mein Portfolio? Also los!

ETF-Grundlagen

Es gibt sicherlich viele ausführliche Artikel über die Grundlagen und die Funktionsweise von ETFs (z. B. hier, hier oder hier). Ich möchte nur kurz ein paar relevante Aspekte nennen, um dann die Value-Frage eines solchen Fonds erörtern zu können.

Zunächst einmal ist ein ETF ein einfache Kapitalsammelstelle, sprich ein Finanzfonds, der von einem Institut/einer Bank/einer Investmentgesellschaft herausgegeben wird. Ein einfacher Fonds hat normalerweise ein bestimmtes „Thema/Fachgebiet“ (Rohstoffe, Immobilien, China-Aktien etc.) und bündelt das Geld der Investoren in sich. Die Fonds-Manager treffen dann die Entscheidung darüber wie und wo das Geld angelegt wird (aktiv gemanagt). Die Kosten eines normalen Fonds bestehen zum Einen aus dem Ausgabeaufschlag, weil nur die Bank/das Institut/die Gesellschaft des Fonds die Anteile ausgibt und wieder zurücknimmt, und zum Anderen aus den Tantiemen für die Fonds-Manager (Managementgebühr).

ETFs sind etwas anders als normale Fonds. Die ETF-Anteile können nämlich einfach über den freien Börsenhandel, also nicht ausschließlich über die Fondsgesellschaft, gekauft und verkauft (am „Exchange getradet“) werden. Somit entfällt im Idealfall der Ausgabeaufschlag und die jährliche Management-Gebühr ist geringer, weil meistens ein Index mit seinem Aktiengewichtungsverhältnis automatisiert abgebildet wird (physisch repliziert, passiv gemanagt).

Anders gesagt: Wenn BASF etwa 30% des Gesamt-DAX-Volumens ausmacht, dann muss dafür gesorgt sein, dass ein darauf basierender DAX-ETF auch zu 30% aus BASF-Aktien besteht. Am Ende bleibt ein ETF rechtlich aber auch nur ein Fonds mit allen dazugehörigen Regeln (Stichwort: Sondervermögen). Nur eben liquider, weil an der Börse handelbar, und günstiger, weil kein aktives Management notwendig ist, wenn Computerprogramme die Gewichtungsquoten automatisiert einhalten.

Nun gibt es für die ETFs verschieden Gestaltungsmöglichkeiten. Manche bilden ausschließlich die Preisentwicklung/Aktienkurse der Aktien ab (Preis-Index). Andere Indizes wiederum beziehen die Dividenden mit in ihre Wertenwicklung ein (DAX) und somit schütten ETFs dann vielleicht sogar Dividenden aus (Total Return). Kurzum: Es gibt, wie bei allen Dingen im Finanzsektor, unendlich viele Varianten und Produkte von allen möglichen Banken/Instituten. Die Frage ist also: Warum sollte ich so ein Produkt kaufen? Und wenn ich meine positive Antwort gut begründen kann, welches Produkt müsste ich kaufen?

Warum Fonds/ETFs?

Als Value-Investor mag ich es sehr, mir Unternehmen anzusehen, die Zahlen zu wälzen, dann ein paar Berechnungen anzustellen und abschließend eine eindeutige Aussage darüber treffen zu können, ob ein Aktie ein gutes oder schlechtes Investment ist. Dieses Zahlenwälzen setzt voraus, dass ich verstehe, also textlich/inhaltlich, verstehe, was ich da wälze. Das mag für die Sprachen Englisch und Deutsch noch ganz gut funktionieren, aber was ist mit Spanisch, Japanisch oder Chinesisch?

Zu dem Aspekt, dass ich die Sprachen nicht verstehe, gesellt sich die Schwierigkeit, dass ich mich in dem Rechtsraum, in den ich gerne investieren möchte, nicht auskenne. Die amerikanischen oder chinesischen Gesetze/Regelungen sind mir nicht ausreichend geläufig. Was passiert bei Insolvenzen? Wie ist die Rechtssprechung in dem einen oder anderen Fall? Was sind aktuelle Themen, die die Menschen in dem jeweiligen Land bewegen? Und dass ich mal zu einer Hauptversammlung nach China fahre, um dem Management meine Meinung zu geigen, ist schlicht unwahrscheinlich. Wenn aber Marc Fielmann den Job seines Vaters nicht gut weiterführt, dann fühle ich mich fast schon mutig bei der Vorstellung, ihm irgendwann meine Meinung in seiner Muttersprache geigen zu können.

Ich sehe mich also schlicht nicht in der Lage dazu, einzelne Aktien aus mir fremden Rechtsräumen, Kontinenten und Ländern so zu beurteilen, dass sie eine Investment-Entscheidung meinerseits ausreichend unterfüttern. Hier stellte sich für mich also die Fonds-Frage im Allgemeinen und die ETF-Frage im Speziellen.

Beispiel: China-ETF

Wenn ich nun soweit bin, ETFs als Workaround meiner sprachlichen und juristischen Defizite in Betracht zu ziehen, ergeben sich für mich sofort neue Fragen: Was ist ein guter Preis für einen ETF? Wieviel „Value“ bekomme ich also für meinen „Price“? Was ist mit meiner heiß-geliebten Sicherheitsmarge?

In meinem Beispiel möchte ich in das „Jahrhundert“-Land China investieren. Einzelne Aktien auszuwählen traue ich mir nicht erfolgversprechend zu und interessanterweise müsste ich das auch gar nicht, denn unser Warren Buffett hat bewiesen, dass es auch die besten Hedge-Fonds-Manager nicht schaffen, einen passiven ETF zu schlagen (Stichwort: „The Bet“; siehe hier, hier oder am besten direkt aus Buffetts Feder).

(Dass ich dieses „Index“-schlagen durch Stockpicking in Deutschland und Österreich offensichtlich trotzdem versuche, schreibe ich einfach meiner instrinsischen Arroganz zu und dafür kann ich ja wohl nichts.)

ETF-Auswahl

Auf der Seite „justetf.com“ werden mir per se schon einmal über 1350 verschiedene ETFs gelistet. Auf „finanzen.net“ sind es sogar über 1800. Also schicken wir die Filter los: Anlageklasse „Aktien/Aktienindizes“, Land „China +. Hong Kong“. Ergebnis: Noch 20 auf justetf.com, noch 35 auf finanzen.net.

Also weiter: Ich möchte nicht soviel Gebühren bezahlen (maximal 0,60% TotalExpenseRatio) und regelmäßige Ausschüttungen aus dem Fonds („ausschüttend“) erhalten. Darüber hinaus möchte ich gern, dass der ETF so einfach wie möglich strukturiert ist und seinen gewählten Index voll repliziert (siehe dazu die Replikationsmethoden). Ich bilde mir ein, dass ich den Kursverlauf der ETF-Anteile dann besser nachvollziehen kann, als bei Swap-basierten ETFs.

Aufgrund der schlechten Performance des letzten Jahres (-5%), der Managementgebühr von 0,60%, dem Alter von knapp 8 Jahren und dem vergleichsweise hohen Fondsvolumen von 386 Mio. Euro, wähle ich den „HSBC MSCI China UCITS ETF USD“ (WKN: A1JF7L). Wieviel darf ein Anteil an diesem Fonds am freien Markt nun kosten, um ihn als ein gutes Value-Investment einstufen zu können?

Value vs. Price

Auf beiden ETF-Auswahlseiten werde ich nun zum selben ETF-Factsheet geleitet. Das Factsheet stammt aus dem Januar 2019. Offensichtlich gibt es monatliche Berichte zu diesem ETF, was ich schon einmal gut finde. Und die Berichte liegen in deutscher Sprache vor. Der ETF A1JF7L der HSBC bildet also den MSCI China Index physisch (voll repliziert) nach, schüttet halbjährlich eine Dividende aus und hat im Januarbericht einen Nettoinventarwert (NAV) von 7,85 Dollar. Interessant ist, dass der aktuelle NAV von der HSBC täglich publiziert wird (siehe hier; bevor die Seite sich öffnet, muss der Leser die Nutzungsbedingungen für Privatkunden akzeptieren).

Aus dem Monatsbericht kann ich erkennen, welche Unternehmen die 10 größten im Fonds sind. Eigentlich ist das eine redundante Information, weil ich mir ja auch den MSCI China Index direkt ansehen kann, um die Zusammensetzung des ETF zu erkennen. Darin sehe ich dann nicht nur die größten 10, sondern eben alle. Auf ein weiteres kleines Detail sollte ich hier noch hinweisen, nämlich dass die Indexanpassung vierteljährlich geschieht. Somit kann es sein, dass sich die ETF- von der MSCI-China-Index-Zusammensetzung innerhalb von 3 Monaten kurzzeitig unterscheiden.

Zum Zeitpunkt dieser Niederschrift betrug der Preis für einen ETF-Anteil 7,31 Euro. Der NAV von gestern, dem 21.03.2019, betrug 8,32 Dollar. Der aktuelle Euro-Dollar-Kurs liegt bei 1 Euro zu 1,13 Dollar, was einem NAV von 7,36 Euro entspricht. Eine wirkliche Sicherheitsmarge ist das nicht, aber ich muss sagen, das mir die Nachvollziehbarkeit und Transparenz gefällt. Mr. Market muss wahrscheinlich schon einen richtig schlechten Tag haben, um hier eine irrationale Abweichung in die eine oder andere Richtung zuzulassen.

Fazit

Sicherlich gibt es viel kompliziertere ETFs und Konstellationen, die man hier konstruieren könnte. Als Value-Investor ist mir aber die Nachvollziehbarkeit und Transparenz, also ein Verständnis davon, in was ich mein Erspartes investiere, unabdingbar wichtig. Dieser Notwendigkeit ist in meinem obigen Beispiel genüge getan, denke ich. Was ich an „Value“ für meinen „Price“ bekomme ist offensichtlich: es nach Indexvorgaben gewichtete Aktienpakete an realen Unternehmen.

Das obige Beispiel macht ferner deutlich, dass es ein Währungsrisiko gibt. Meine Erträge hängen unter anderem vom Euro-Dollar-Kurs ab, der sie sowohl positiv als auch negativ beeinflussen könnte. Auch die Ausschüttungen erfolgen m. E. in Dollar und unterliegen diesem Risiko. Quellensteuer dürfte nicht anfallen, da wir uns ja in der EU (HSBC Irland) befinden.

Dem Währungsrisiko könnte durch einen auf EUR lautenden ETF auf den MSCI China Index Abhilfe geschaffen werden (leider habe ich bisher keinen gefunden, der alle obigen Eigenschaften abbildet und auf EUR dotiert ist).

Gerne lese und höre ich andere Meinungen zu diesem Thema und steige in die Diskussion ein. Nachdem ich diesen, meinen Text aber nun mehrmals durchgelesen habe, ist meine Argumentation für mich schlüssig und ich komme zu der Erkenntnis, dass gut ausgewählte ETFs zu einem vernünftigen Preis mir als Investor eine Möglichkeit bieten, in Märkte ausserhalb des Heimatmarktes zu investieren und an deren Wertentwicklung zu partizipieren.

– Fin –