Zugegeben: eigentlich hatte ich nie ganz verstanden, woher so ein Micro-Blogging-Dienst wie der Weltmarktführer mit dem Vogel seine Anziehungskraft nimmt. Doch seit kurzem, seitdem ich ihn für mich entdeckt habe und jeden Nachrichten-Artikel, den ich so en passant konsumiere, direkt mit einem kleinen Kommentar versehe und damit dokumentiere, tweete ich tatsächlich selbst gerne, was der Leser auch in meiner neugestalteten Blog-Seitenleiste unschwer nachvollziehen kann.

Nun ist eines der beherrschenden Themen der letzten Tage ja das neue Dollar-Allzeithoch beim Spot-Preis des Goldes, ein Thema, zu dem ich wirklich vergleichsweise viele Mini-Kommentare (Tweets) abgelassen habe. Allerdings möchte ich im heutigen Blog-Beitrag einmal mein Gesamtbild zum Fall „Gold“ nachzeichnen. Aus meiner Sicht sind hier fundamentale Kräfte am Werk, bei denen man mit dem klassischen Value-Investing in Aktien einfach beinhart das Thema verfehlt.

„Imagine 2030“

Fangen wir also damit an uns vorzustellen, was die kommenden 10 Jahre an gesellschaftlich-technisch-wirtschaftlich-sozialen Veränderungen auf uns zukommen könnte. Zum Glück hat uns die Deutsche Bank mit ihrer Studie namens „Imagine 2030“ bereits das Gros der Arbeit abgenommen, weshalb ich mich gern darauf beziehen möchte. Die Studie stammt zwar aus 2019, also von vor Corona, ist aber in ihren Zukunftsskizzen nicht weniger interessant.

Bei denjenigen Lesern, die jetzt schon leichtsinnig auf den obigen Link zur Studie geklickt haben und die dort jetzt lesend festhängen, muss ich mich entschuldigen, weil ich nicht vorhabe, auf alle einzelnen Punkte der Studie einzugehen, sondern nur auf die, die sich mit unserem aktuellen Geldsystem befassen.

Zunächst möchte ich hier auf das erste Kapitel der Studie mit dem Titel „The End of Fiat money?“ verweisen, welches wie folgt zusammengefasst wird:

The forces that hold the fiat money system together look fragile, particularly decades of low labour costs. Over the next decade, some of these forces could begin to unravel and demand for alternative currencies, from gold to crypto, could take off.

Seite 7 der DB Research Studie „imagine 2030“

Der zweite interessante Punkt in der Studie zu meinem Thema ist der zukünftige Umgang der Regierungen mit ihren Rekordschulden („How governments will respond to record debt„). Und an dieser Stelle wiederhole ich gern, dass diese Studie aus 2019 ist, also vor allen jetzt lancierten Corona-Recovery-Programmen erstellt wurde:

With record debt levels and demographic pressures, populism has encouraged fiscal spending given many economies risk secular stagnation. With funding so easy, helicopter-money policies are possible and debt growth seems inevitable. To avoid a debt crisis, nominal yields must stay well below nominal GDP growth.

Seite 7 der DB Research Studie „iMAGINE 2030“

Der dritte und für jetzt letzte Punkt der Studie ist eine Prognose, die angesichts der aktuellen politisch-medialen Entwicklungen diesbezüglich eher anachronistisch scheint. Es geht um das Bargeld („The end of cash plastic cards„):

Many predict the end of cash but there are several reasons why notes and coins will still be around in 2030. Conversely, plastic cards could die out as smartphones and other electronic devices make physical cards obsolete.

SEITE 7 DER DB RESEARCH STUDIE „IMAGINE 2030“

Rekordschulden in Fiat-Money

Das mit der Verlässlichkeit bei Aussagen, die die Zukunft betreffen, ist immer so eine heikle Sache. „Don’t predict!“, würde mir James Montier jetzt sicherlich zurufen. Aber dass wir es in Zukunft mit einer immer höheren Verschuldung in allen relevanten Bereichen (Staat-, Privat- und Unternehmen) zu tun haben werden, ist für mich angesichts 2020 sowie der vergangenen Dekade einfach zu wahrscheinlich, als dass ich es ignorieren könnte.

Zur Illustration dieser Wahrscheinlichkeit möchte ich hier einen jungen Bloomberg-Artikel zitieren, der sich mit der unglaublichen Zahl von 15.000 Mio. (15 Billionen) US-Dollar an weltweiten Schulden befasst. Das sind nicht die Gesamtschulden der Welt, das wäre ja lachhaft, sondern nur die Schulden, die eine negative Rendite („Sub-Zero Debt„) aufweisen. Dort hat also ein Gläubiger einem Schuldner eine bestimmte Summe US-Doller geliehen und er begnügt sich damit, nicht die ganze Kreditsumme wiederzubekommen.

„But, bbbut … I really don’t want to!“

Zur weiteren Illustration noch ein etwas persönlicheres Beispiel von jemandem, der – und ja, „Hass“ ist hier wirklich das korrekte, deutsche Wort – jedwede Kreditzinsen hasst! Ich habe keinerlei Kredite zu bedienen. Dennoch komme ich nicht daran vorbei, mir 1000 Euro oder 10.000 Euro für negative 0,4% Zinsen von einem P2P-Kreditportal zu leihen; ein anderes Vergleichsportal verspricht mir sogar -5% Zinsen! Meine Bonität führt mich in Versuchung. Was soll ich da machen? Etwa NICHT zugreifen? Pah! Selbst wenn ich den Kreditbetrag liegen ließe, die Raten aus dem Kredit selbst bediente, bekäme ich am Ende immer noch Geld geschenkt! Gesche-henkt!! Daran kann ich nicht vorbei!

Zusammengefasst also sind Rekordschulden in Fiat-Geld für mich das volkswirtschaftliche Thema Nummer 1 der kommenden 10 Jahre. Weltweit! Und damit hat es direkt Einfluss auf das Value-Investing, kann aber durch das Value-Investing selbst nicht abgefedert/abgesichert werden.

In der Flut schwimmt auch der Müll oben

Wenn ich nun also deutlich gemacht habe, was ich für die nächsten 10 Jahre erwarte, dann ist es hoffentlich ebenso evident, dass ich mein Vermögen nicht mehr ausschließlich in Geldeinheiten (Euro, Dollar etc.) aufbewahren kann. Ebensowenig kann ich mich auf das Value-Investing in Aktien als alleiniges Vehikel gegen dieses Szenario nicht mehr verlassen. Warum nicht?

Ich möchte es mal so sagen: wenn ich mich auf „finanzblognews.de“ umsehe, dann trudeln dort jeden Tag Artikel ein, die sich mit dem Investieren beschäftigen. Und mein Eindruck ist, dass es eigentlich egal ist, welche Anlageklasse man wählt (Immobilien, Aktien, Fonds, P2P-Kredite etc.), alle haben Erfolg! Jeder kann es! Alle Werte und alle Strategien funktionieren, mal mehr mal weniger, aber im Groben funktionieren sie. Und ich ahne auch, warum das so ist. Es ist im Kleinen wie im Großen die aktuelle, globale Liquiditätsschwemme der Notenbanken, die dafür sorgt. Diese Schwemme sucht krampfhaft nach Rendite, akzeptiert sogar negative Zinsen und eigentlich, abgesehen von Immobilien und Aktien, besitzt sie keine Anlagealternativen mehr.

In so einem Setting steigen einfach überall die Preise, insbesondere in Immobilien und Aktien, ist hier die Kernaussage. Talent oder Fähigkeit des Einzelnen gehen im allgemeinen Anstieg aller Notierungen vollständig unter. Wir haben also keine Dienstmädchenhausse, aber dennoch meint doch offensichtlich jeder, dass er des Investierens so sehr mächtig ist, dass er auch darüber schreiben kann. Inklusive mir! Woher soll ich dann also wissen, ob mein Value-Investing-Talent krisensicher und beständig ist? Finanzkrise? Rentabel überlebt. Corona-Krise? Rentabel überlebt. Und was ist das nächste große Ding, das dann mit einem noch höheren weltweiten Schuldenlevel und unsinkbaren Zinsen zu bekämpfen sein wird? Und wie komme ich da durch?

„Am Golde hängt, zum Golde drängt…“

In meinem Artikel Gold als „Investment“ habe ich versucht, alternative Renditekennzahlen für Gold zu eruieren, das gelbe Edelmetall quasi als Value-Investment zu klassifizieren. Wenn es für festverzinsliche Wertpapiere sowie Bankguthaben keinerlei Erträge mehr zu verbuchen gibt, gewinnen die von mir aufgestellten Kennzahlen weitere Relevanz, weil das Totschlagargument gegen Gold („keine Rendite“) wegfällt (siehe auch „Gold vs. Null Prozent„).

Die Goldpreisentwicklung der letzten Tage mutet sehr spontan und überhitzt an. Ich kann mir vorstellen, dass sich viele Menschen fragen, ob sie bei 1.650 Euro für 31,1 Gramm Gold überhaupt noch einsteigen sollen. Diesen Menschen möchte ich einen weiteren Bloomberg-Artikel (Paywall) ans Herz legen, der sich mit dem Handel in „Papiergold“ (Spot-Preis) und der „physischen Lieferung echten Goldes“ befasst.

Meine ersten Unzen Gold habe ich im Jahre 2009 für etwa 800 Euro gekauft. Meine letzten Unzen Gold dann im Jahre 2013 für um die 1.200 Euro. Weil ich Edellmetall-mäßig relativ gesättigt bin und außerdem auch bei 1.200 „ge-anchort„, kaufe ich seit knapp 7 Jahren kein Edelmetall mehr nach. Ob der aktuelle Goldpreis also ein Kaufzeitpunkt ist, muss jeder für sich selbst entscheiden.

Eines möchte ich aber noch zu bedenken geben: Regelmäßig versuche ich mir vorzustellen was ich täte, wenn die bei mir so unspektakulär und stressfrei schlummernden Münzen eines Tages auf 10.000 Euro je Unze steigen. Verkaufe ich sie dann? Oder brächte ich dadurch mitten in der Fiat-Geld-Explosion mein so sorgsam gehütetes Vermögen für ein paar sterbende Geldeinheiten Gewinn zum Schrotthändler? Und was mache ich mit dem Gewinn? Auf die Bank bringen? Aktien kaufen? Oder Immobilien?

Bisher habe ich mir diese Fragen noch nicht beantworten können…

– Fin –


Post Skriptum

Ja, Kryptowährungen sind auch alternative Währungen und die DB Research Studie erwähnt sie sogar. Aber ich räume keiner Kryptowährung die Relevanz ein, die Gold in der menschengemachten Währungsgeschichte und meinem persönlichen Value-Universum innehat.