Wenn ich mich für das Investment in ein Unternehmen entscheide, dann sind immer mindestens zwei Voraussetzungen erfüllt. Zum Einen bin ich der Ansicht, dass ich zum aktuellen Markpreis/Aktienkurs viel mehr Unternehmenswert erhalte, als ich bezahle. Zum Anderen gehe ich natürlich davon aus, dass das Unternehmen und seine Produkte auch für die mittel- und langfristige Zukunft ähnlich viele Gewinne generieren werden, wie es in der Vergangenheit geschehen ist.
Nichtsdestotrotz bin ich mir meiner Fehlbarkeit bewusst und daher gibt es für mich drei grundsätzliche Szenarien, die nach einem Aktien-Engagement eintreten können:
- (Gold) Das Unternehmen macht weiter fröhlich Gewinne und der Aktienkurs passt sich Schritt für Schritt meiner „Meinung“ an, sodass ich irgendwann locker im grünen Bereich über dem von mir ermittelten Wert pro Aktie liege. In diesem Bereich kann ich dann neu entscheiden, ob ich weiter Gewinne kassieren möchte oder lieber doch in die Überbewertung verkaufe.
- (Silber) Das Unternehmen macht ebenfalls weiter Gewinne, aber der Aktienkurs spiegelt das nicht wider, sonder dümpelt weiter so um die Nulllinie meines Einstiegspreises. In diesem Falle ist es zwar nicht schön, dass Mr. Market blind bleibt, aber solange die Gewinne sprudeln wird der Unternehmenswert ja trotzdem weiter gesteigert. Ich partizipiere also mittel- und langfristig bilanziell durch einbehaltene Gewinne und kurzfristig „in bar“ durch das Kassieren der Dividende.
- (Holz oder Bronze) Die Gewinne sprudeln nicht. Es gibt sogar Verluste. Der Aktienkurs, in Erwartung weiterer, kurzfristiger Verluste, gibt sukzessive nach. Meine Ermittlung des inneren Wertes der Aktie stimmt immernoch
(auch nach der 1000. Berechnung)und ich bin mir sicher, dass ich richtig gerechnet habe. Was also tun? Bin ich in eine Value Trap geraten? Soll ich lieber schnell (mit Verlust) verkaufen oder ausharren?
F-Score nach Joseph D. Piotroski
In Buch „Value Investing“ von James Montier wird das Thema Value Trap behandelt und er rät dazu den von Piotroski vorgeschlagenen „F-Score“ zu errechnen. Anhand von neun einfachen Bilanzkennzahlen lässt sich damit das aktuelle mit dem letzten vollständigen Geschäftsjahr vergleichen und man „landet“ bei einer Zahl zwischen 0 und 9; bei 0 befindet man sich höchstwahrscheinlich in einer Value Trap, bei 9 höchstwahrscheinlich nicht und es heißt durchhalten.
(Das Piotroski-Papier ist für alle Interessierten im PDF-Format hier zu finden. Schneller geht es mit dem englischen Wikipedia-Artikel dazu oder einem deutschen Artikel von DIY-Investor.)
Exemplarisch möchte ich diesen Score einmal für vier Investments ermitteln: Südzucker AG (S), Hornbach Holding AG (H), EVN AG (E) und BASF SE (B). Ich beziehe mich auf den letzten und vorletzten vollständigen Geschäftsbericht (siehe Anhang) und erspare dem Leser die Rechenarbeit:
(1 heißt erfüllt, 0 heißt nicht erfüllt)
S | H | E | B | |
letzter Nettogewinn positiv? | 1 | 1 | 1 | 1 |
letzter operativer CashFlow positiv? | 1 | 1 | 1 | 1 |
Gesamtkapitalrendite gewachsen? | 0 | 1 | 0 | 1 |
operativer CashFlow größer als Nettogewinn? | 1 | 1 | 1 | 1 |
Langzeitverbindlichkeiten zu Bilanzsumme kleiner als Vorjahr? | 0 | 1 | 1 | 1 |
Current Ratio größer also Vorjahr? | 0 | 0 | 1 | 1 |
Anzahl ausstehener Aktien nicht größer als Vorjahr? | 1 | 1 | 1 | 1 |
Bruttomarge gewachsen? | 1 | 1 | 0 | 1 |
Umsatzswachstum größer als Bilanzwachstum? | 1 | 1 | 0 | 1 |
Anzahl „1“ | 6 | 8 | 6 | 9 |
Fazit
Was fangen wir nun mit dem F-Score an? Erst einmal nichts. Piotroski hat in seinem Paper einfach nur nachgewiesen, dass Aktien, die ein Score von 8-9 hatten, zwischen 1972 und 2002 eine signifikant bessere Kursentwicklung hatten, als Aktien mit einem Score von 0-3. Die Besten entwickelten sich im Vergleich zum Gesamtmarkt sogar überdurchschnittlich.
Für mich ist interessant, dass meine Einschätzung zu Hornbach durch den Score bestätigt wurde. Was ich mit einem „Mittelfeld“-Score von 6 bei Südzucker und EVN anfangen soll, weiß ich leider nicht. Zudem ist ein Energieversorger wie EVN bei einer CurrentRatio-Betrachtung per se schon anders aufgestellt, wie ein Industrieunternehmen. Kein Versorger produziert Energie auf „Vorrat“. Schwierig.
Was mir bei diesem Score fehlt, ist die Relation zum Marktpreis. Wenn BASF jetzt 9 Punkte erreicht hat, ist das zwar toll, aber bei einem Aktienkurs von hoch über dem inneren Wert dennoch kein gutes Investment. Auch bei Südzucker ist der Score wenig aussagekräftig, weil eben die neue Zuckermarktordnung angebrochen ist und das Scoring das eben nicht berücksichtigen kann.
Kurzum: wenn ich nicht gerade im 0-3er Bereich des Scorings liege, dann kann ich wohl begründet davon ausgehen, dass ich NICHT in eine Value Trap getappt bin. Oder?
Joseph D. Piotroski, „Value Investing: The Use of Historical Financial Statement Information to Separate Winners from Losers“: https://www.chicagobooth.edu/~/media/FE874EE65F624AAEBD0166B1974FD74D.pdf
Geschäftsbericht Südzucker AG 2017/18: http://www.suedzucker.de/en/Downloads/Download_Daten/Finanzberichte/2017_18/Geschaeftsberichte_2017_18/GB_2017_18/SZ_GB_2017_18_EN_1.pdf
Geschäftsbericht Hornbach Holding AG: https://www.hornbach-holding.de/media/de/mediacenter/publications/geschaeftsberichte_1/hh_3/2017_18/2018_hh_de_online_version.pdf
Geschäftsbericht EVN AG: https://www.evn.at/Downloads/EVN-Group/Investoren/Publikationen/2017-18/EVN_Ganzheitsbericht_2017-18.aspx
Geschäftsbericht BASF SE: https://www.basf.com/global/documents/de/news-and-media/publications/reports/2018/BASF_Bericht_2017.pdf
Richtig ohne betrachtung des Kurses lohnt eine Bewertung nicht. Im Einkauf liegt die Rendite oder wie es Warren sagen würde ich möchte 1€ für 50Cent kaufen 😉