In meiner gestrigen Glosse sinnierte ich über die Wichtigkeit der Trinkwasserversorgung und die Möglichkeit, in „Wasserunternehmen“ zu investieren. In diesem Zusammenhang versprach ich auch, mir die Gelsenwasser AG näher anzusehen, einer „EVN AG“ in deutsch und kleiner. Der aktuelle Aktienkurs beträgt übrigens 860 Euro und nun möchte ich gerne wissen, wieviel Value ich für diesen Preis bekäme.
Auf geht’s!
Geschäftsmodell / Produkte
Gleich auf Seite 2 des 2018er Geschäftsberichtes findet sich eine Übersicht aller Beteiligungen der Gelsenwasser AG. Diese Beteiligungen sind in die Kategorien Wasserver-/Abwasserentsorgung, Vertrieb/Handel, Netz/Infrastruktur, Stadtwerke und Internatonal unterteilt. Aus dieser Liste gehen ebenfalls die prozentuale Beteiligungsquote am Tochterunternehmen sowie die Bilanzierungsart der Tochter in Bezug zur Gelsenwasser-Bilanz (konsolidiert vs. anteilig) hervor. Beteiligungen, die unter 20% liegen oder keine operative Geschäftstätigkeit ausüben, werden im Geschäftsbericht nicht berücksichtigt, steht auf Seite 2 ganz unten rechts im Kleingedruckten.
Die Gelsenwasser-Gruppe hat im letzten Geschäftsjahr 384,8 Mio. m³ Wasser an die Kunden geliefert (Umsatz 448 Mio. Euro), 188,1 Mio. m³ Schmutzwasser von den Kunden entsorgt (Umsatz 331,2 Mio. Euro), 62.144 Mio. kWh Gas (Umsatz 1.556,8 Mio. Euro) und 5.245 Mio. kWh Strom (Umsatz 757,8 Mio. Euro) an die Kunden verkauft. Mit dieser Auflistung ist das Hauptgeschäft der Gruppe schon gut umrissen.
Über die oben genannten „Produkte“ hinaus bietet die Gelsenswasser AG Dienstleistungen rund um das Wasser-, Abwasser- sowie Energiemanagement für Geschäftskunden an und berichtet im hauseigenen „ImPuls“-Magazin regelmäßig von diesen Projekten. Diese Projektgeschäft findet übrigens auch teilweise in Polen und Tschechien statt (siehe 2018er Bericht auf Seite 143).
Aktionärsstruktur
Nur etwa 7,1% er Aktien des Unternehmens befinden sich im Freefloat. Das Gros, also über 90% der Anteilsscheine, befindet sich im Eigentum der „Wasser und Gas Westfalen GmbH“, was auch auf den ursprünglichen Wirkungsbereich der Gelsenwasser AG hindeutet. Ein zusätzliches Detail zu den Eigentumsverhältnissen findet sich hier:
An der Wasser und Gas Westfalen GmbH sind die Stadtwerke Bochum Beteiligungsgesellschaft mbH und die Dortmunder Stadtwerke AG mittelbar über die Wasser und Gas Westfalen GmbH & Co. Holding KG zu jeweils 50 % beteiligt.
Quelle: Investoren-Webseite der Gelsenwasser AG
Nun sind dort aber immernoch nur juristische Personen benannt und sintemal forsche ich weiter nach den wirklichen Eigentümern. Auf Seite 2 des Geschäftsberichtes 2017 der Stadtwerke Bochum zum Beispiel befindet sich ein interessantes Schaubild. Demnach sind letztendlich die Städte Bochum, Herne und Witten Eigentümer der „Stadtwerke Bochum Beteiligungsgesellschaft mbH“.
Auf der anderen Seite befindet sich die Dortmunder Stadtwerke AG (DSW21) lt. Wikipedia zu 100% im Eigentum der Stadt Dortmund. Neben der Beteiligung an der Gelsenwasser AG hält die DSW21 ein Sammelsurium von Anteilen an anderen Wasser-, Abwasser- und Energiemanagement-Unternehmen im Rhein-Rhur-Gebiet.
Ich stelle also fest, dass sich ein nicht-marginaler Teil der deutschen Wasser- und Energieversorgung in öffentlicher, kommunaler Hand befindet. Das beruhigt mich zum Einen und zum Anderen hätte ich als täglicher „Wasser- und Energiekonsument“ über die Gelsenwasser AG-Aktie die Möglichkeit, an einem so essentiellen Baustein meines Lebens finanziell teilzuhaben.
Bilanz / Gewinn
Die Bilanzsumme der Gelsenwasser AG beträgt rund 1.760 Mio. Euro. Davon entfallen etwa 670 Mio. Euro auf Sachanlagen, rund 311 Mio. Euro auf Finanzvermögen, 339 Mio. Euro auf Beteiligungen und circa 237 Mio. Euro auf Forderungen aus Lieferungen und Leistungen. Demgegenüber steht Eigenkapital in Höhe von 779 Mio. Euro (Eigenkapitalquote 44,2%; zum Vergleich EVN AG: 52%), wovon 777,8 Mio. Euro den Aktionären der Gelsenwasser AG zusteht. Hieraus ergibt sich bei etwa 3,44 Mio. Aktien ein rechnerischer Buchwert je Aktie von 226,10 Euro.
Das operative Ergebnis der Gelsenwasser AG lag 2018 bei 68,5 Mio. Euro. Hierfür sind maßgeblich die voll-konsolidierten Beteiligungen verantwortlich. Hinzu kommen die anteilig bilanzierten Töchter, deren Überschüsse insgesamt weitere 45,2 Mio. zum Ergebnis beisteuert, was in toto einen Jahresüberschuss in Höhe von 108,90 Mio. Euro ergibt. Dieses Ergebnis entspricht einen 2018er Gewinn je Aktie von 31,70 Euro.
Im Durchschnitt der letzten 7 Jahre erzielte das Unternehmen einen Gewinn je Aktie von 27,20 Euro, woraus sich ein retrospektives Kurs-Gewinn-Verhältnis von 31,6 errechnen lässt (Zum Vergleich EVN AG: KGV4=12,39; KGV7=21,21). Zu den Gewinnen ist ein anderes Detail ungeheuer wichtig: Zwischen der Gelsenwasser AG und der Wasser und Gas Westfalen GmbH besteht ein Gewinnabführungsvertrag, der für die Freefloat-Aktionäre „nur“ eine Garantiedividende vorsieht. In den letzten 5 Jahren betrug diese Dividende konstant 21,16 Euro, was einer aktuelle Dividendenrendite in Höhe von rund 2,5% gleichkommt.
Fazit
Die Gelsenwasser AG ist für mich eine auf Wasser- und Energieunternehmen spezialisierte Beteiligungsgesellschaft. Mehr noch: Sie ist selbst Teil eines riesigen, kommunellen Beteiligungskonzerns, innerhalb dessen sie regelmäßig das Gros ihrer Gewinne abzuführen hat. Dass sich diese Tatsache in naher Zukunft einmal ändern wird, halte ich für unwahrscheinlich, und darum ist mit überraschenden Gewinn- oder Dividendensprüngen in diesem Kontext auch nicht zu rechnen.
Der innere Wert der Aktie dieser AG ergibt sich somit aus dem, was der Buchwert darstellt, zuzüglich der Garantiedividende. Das Geschäftsmodell der Gelsenwasser ist zukunftsträchtig und wird noch auf sehr lange Sicht einen Großteil der Bürger Deutschlands mit Wasser, Wärme und Energie versorgen. Auf 10 Jahre eine konstante Dividende angenommen und zum aktuellen Buchwert hinzuaddiert, ergibt sich für mich ein innerer Wert der Aktie von etwa 446 Euro. Somit ist die Aktie sicherlich ein Value-Investment, aber bei einem heutigen Kurs von 860 Euro einfach zu teuer!
Bei den Geschäftszahlen ist wohl ein „Mio“ bei den m³-Angaben verloren gegangen.
Im Übrigen möchte ich mich für die gut strukturierten Analysen von EVN und Gelsenwasser bedanken! Dank der Quellenangaben lässt sich alles gut nachvollziehen/gegenrechnen.
Grüße aus Österreich!
Hallo Steffen,
vielen Dank für den Hinweis, ich habe es nachgebessert, und viel Freude weiterhin beim Lesen!
Viele Grüße
V. Bouvier