Ein weiteres Unternehmen, das ich seit Jahren immer wieder beobachte, ist die Wacker Neuson SE. Vor einigen Jahren war ich bereits einmal Miteigentümer, bevor ich mich 2 Jahre später aufgrund einer Überbewertung wieder von ihm verabschieden musste. Heute möchte ich die Attraktivität der Aktie bei einem Kurs von rund 19,50 Euro analysieren und bewerten.
Ich kann mir nicht vorstellen, wie die Fundamentalanalyse vor dem Internetzeitalter ausgesehen haben muss. Heutzutage stellt ja nahezu jedes öffentlich gelistete Unternehmen alle relevanten Informationen auf seiner Investor-Relations-Webseite zur Verfügung; so auch die Wacker Neuson SE und aus diesem Fundus will ich schöpfen. Auf geht’s!
Konzernstruktur
Wacker wurde 1848 als kleines Schmiedeunternehmen in Dresden gegründet, im Jahre 1925 erblickte unabhängig davon das Landwirtschafts-maschinenunternehmen (ist das ein Wort?) Kramer das Licht der Welt. Das Jahr 1984 markierte darüber hinaus die Markteinführung des ersten Neuson Hydraulikminibaggers. Weitere Details zur wirklich von Innovationen geprägten Geschichte des Konzerns finden sich in der Unternehmenspräsentation auf Slide 12/13.
Im Wesentlichen setzt sich das Business der Wacker Neuson Group aus den Bereichen Baugeräte (Aufbruchtechnik, Pumpen, Betontechnik etc.), Kompaktmaschinen (Bagger, Radlader, Dumper etc.) und Dienstleistungen (Finanzierung, Reperatur, Vermietung etc.) zusammen. Dieses Business trägt der Konzern in die ganze Welt (siehe Unternehmenspräsentation Seite 16/17) und macht dabei in der Region Europa etwa 1.100 Mio. Euro, in den Amerikas etwa 350 Mio. Euro und in Asia/Pazifik etwa 45 Mio. Euro Umsatz.
Die Wacker Neuson SE ist eine Holding/Muttergesellschaft für alle von ihr beherrschten Tochterunternehmen. Diesen Konsolidierungskreis kann sich der interessierte Leser gern auf Seite 89/90 des 2017er Geschäftsberichtes zu Gemüte führen. Grundsätzlich ist mir aufgefallen, dass es, neben einem regelmäßigen Aufbau oder Invest in Tochterunternehmen, auch immer wieder Divestments/Abbau von Tochterunternehmen gibt, wenn das notwendig erscheint. Ein Beispiel dafür ist der Abbau der Baugeräteproduktion am Standort Manila auf den Philippinen (siehe Seite 35 des Geschäftsberichtes 2017).
Seite 12 dieses Geschäftsberichtes zeigt auch die Aktionärsstruktur der Gruppe. Den Familien Wacker und Neuson gehören jeweils um die 30% der Aktien, während sich abgesehen davon noch etwa 37% der Aktien im Streubesitz befinden. Seite 68/69 des Geschäftsberichtes beschreibt, dass sich die beiden Eigentümerfamilien zur Zusammenarbeit bei der Abstimmung über die Vorschläge der Hauptversammlung verpflichtet haben („syndiziert“).
Bilanz
Das bilanzielle Eigenkapital beträgt zum 30. September 2018 ziemlich genau 1.200 Mio. Euro. Es gibt gibt keine Minderheitenanteile/Anteile nicht beherrschender Gesellschafter. Die Eigenkapitalquote beträgt zum Stichtag etwa 66%. Der Buchwert pro Aktie beträgt zum letzten Stichtag in Q3/2018 rund 17,10€.
Das Fremdkapital des Unternehmens setzt sich zum einen aus einem 2-Tranche-Schuldscheindarlehen mit einem Gesamtvolumen von etwa 155 Mio. Euro und einer Menge Geldmarktkredite in den jeweiligen Landeswährungen des operativen Geschäfts zusammen. Eine sehr detaillierte Übersicht befindet sich im 2017er Geschäftsbericht auf den Seiten 113-115.
Zum letzten Stichtag im September 2018 überstiegen die kurzfristigen Vermögenswerte die kurzfristigen Verbindlichkeiten um 701 Mio. Euro. Wenn ich die Vorräte davon abziehe, weil diese im Krisenfall eventuell nicht zum vollen Buchwert veräußert werden könnten, dann betrüge der Überhang immernoch 205 Mio. Euro. Bei Wacker gibt es auf Seite 107 des Jahresberichts 2017 eine Übersicht über die Zusammensetzung der Vorräte, die ich mir einmal genauer angesehen habe.
Von 431 Mio. Euro wertberichtigten Vorräten sind etwa 320 Mio. Euro als Fertigerzeugnisse klassifiziert, sprich fertige, auslieferbereite Maschinen. Dazu passt es, dass die Wacker regelmäßig eine Kennzahl namens „Vorratsreichweite“ ausweist. Auf Slide 7 des Q3-Berichtes wird hier von 152 Tagen gesprochen, was knapp dem Durchschnitt der letzten Quartale entspricht. Offensichtlich puffert das Unternehmen regelmäßig seine Lieferkette, weil es dort immer wieder zu Engpässen kommen kann, die die Produktion und damit den Absatz beeinträchtigten.
Kurzum: Die Vorräte der Wacker bestehen hauptsächlich aus verkaufbaren Fertigerzeugnissen, was für eine hohe „Liquidierbarkeit“ des Vorratsbestandes spricht und für mich den Überhang der kurzfristigen Vermögenswerte über die kurzfristigen Verbindlichkeiten zwischen 600 Mio. Euro und 700 Mio. Euro taxiert (Net Current Assets).
Der Cash-Bestand der Gruppe beträgt Ende September 2018 rund 53 Mio. Euro.
Cash Flow
Wacker Neuson muss am 27. Februar 2019 die erste Tranche (30 Mio. Euro) seines Schuldscheindarlehens zurückzahlen. Die zweite Tranche in Höhe von 125 Mio. Euro wird im Februar 2022 fällig. Für die zweite Tranche fallen jährlich rund 1,1 Mio. Euro Zinsen an. Auf Slide 7 der Q3-Präsentation sind Cash-Flow-bezogene Kennzahlen ausgewiesen.
Der operative Cash Flow ist nach 9 Monaten in 2018 mit -25,8 Mio. Euro deutlich negativ, weil es „durch Verzögerungen in der Lieferkette, Aufbau Vormotoren und einer konservativeren Bevorratung von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen zu einem erhöhten Bestand unfertiger Erzeugnisse kam“. Anders gesagt hat das Unternehmen mehr Geld in seinen Vorratsbestand investiert, konnte aber nicht die übliche Menge fertig produzieren und absetzen, weil es eben nicht alle notwendigen Bauteile geliefert bekommen hat.
Exkurs: Brutto versus operativer Cash Flow
Die Wacker Neuson SE weist vor ihrem operativen Cash Flow noch einen Brutto-Cash-Flow aus. Der Brutto Cash Flow ist mit etwa 96 Mio. in den ersten 9 Monaten 2018 geringer als die 127 Mio. der ersten 9 Monate aus 2017. Meiner Meinung wird diese Unterscheidung in operativen und Brutto-Cash-Flow vorgenommen, um die Problematik der Lieferkettenengpässe, die ich oben erwähnt habe, in der Berichterstattung vom Ab- und Umsatz zu trennen.
Wenn es nur die operative Zahl gäbe, dann sähe es immer so aus, als könnte das Unternehmen aus seinem Absatz keine Cash-Zuflüsse generieren, weil die Investitionen in das Working Capital, je nach aktuellem Zustand der Lieferkette, diese Kennzahl „versauen“ würde. Da der Verkauf und die Vermietung der Maschinen, also das Standard-Business des Konzerns, aber regelmäßig diesen schönen Brutto-Cash-Flow generieren und die Problematik „nur“ im Management des Working-Capitals besteht, wird hier wohl diese Trennung vorgenommen (alles ohne Gewähr, aber in Zusammenhang mit der „Vorratsreichweite“ ist das aus meiner Sicht ziemlich schlüssig; siehe dazu auch Absatz 2 auf Slide 2 des Vorstand-Vorwortes des Q3-Berichtes).
Der operative Cash Flow ist also durch den erhöhten Mittelabfluss belastet. Einmalig hat das Unternehmen aber durch den Verkauf einer nicht benötigten Immobilie einen Mittelzufluss in Höhe von 60 Mio. Euro generieren können, der den operativen Cash-Outflow kompensierte. Damit liegt der 2018er Free Cash Flow, also der Cash Flow nach Abzug der Finanzierungs- und Investitionsflüsse, nach 9 Monaten schließlich doch noch bei positiven 8,8 Mio. Euro.
Ebenfalls auf Slide 7 des Q3-Berichtes ist der historische Free Cash Flow quartalsweise gelistet und man sieht, dass der einer gewissen Dynamik unterliegt, weshalb die Notwendigkeit der Kennzahl „Vorratsreichweite“ noch deutlicher wird. Das Unternehmen produziert weltweit, hat demnach auch eine weltweite Lieferkette und da kann es schon einmal zu logistischen Herausforderungen kommen, die es zu puffern gilt.
In der Kapitalflussrechnung des Q3-Berichtes ist unter der Finanzierungstätigkeit erkennbar, dass das Unternehmen es in 2018, ähnlich wie in 2017, geschafft hat, sich langfristige Darlehen zu sichern und somit einen Teil seiner Fremdfinanzierung sicherzustellen (siehe Slide 13, bei Unterpunkt „Zuflüsse aus langfristigen Darlehen“ für 2018 sind das 81,4 Mio. Euro).
Gewinne
Der durchschnittliche Gewinn je Aktie in den letzten 7 Jahren liegt bei 1,02 Euro. Die durchschnittliche Dividende in diesem Zeitraum liegt bei 0,41 Euro/Aktie. Auf Basis dieser Durchschnittswerte und einem Aktienkurs von 19,50€ ergeben sich ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 19,12 und eine Dividendenrendite von 2,1%.
Der 2017er Gewinn lag bei 1,25 Euro/Aktie (KGV: 15,6), die Dividende bei 0,60 Euro/Aktie (Dividendenrendite: 3,1%). Im Q3-Bericht wird für die ersten 9 Monate des Jahres 2018 ein Gewinn je Aktie von 1,73€ (9M/2017: 1,10€) ausgewiesen.
Auf der Grundlage dieser Kennzahlen erscheint mir der Aktienkurs von 19,50 Euro bisher ein wenig hoch und daher möchte ich gern die Krisenfestigkeit der Wacker Neuson SE überprüfen. „Glücklicherweise“ gab es ja die Finanzkrise 2008/2009 und die Geschäftsberichte aus dieser Zeit liegen ebenfalls vor. Das Geschäftsjahr 2009 schloss das Unternehmen mit einem „Gewinn“ je Aktie von negativen 1,57€. Das muss ich mir näher ansehen (Stichwort: Due-Diligence).
Exkurs: Wacker Neuson SE (Gewinn 2009)
Aufgrund der Weltwirtschaftskrise fielen die Umsatzerlöse des Konzerns um rund 31% auf 597 Mio. Euro. Abgesehen davon wurden einmalige Wertberichtigungen (GuV-relevante Aufwände) auf die immateriellen Vermögenswerte in Höhe von knapp 100 Mio. Euro vorgenommen, die sich aus der Neubewertung der Ertragsaussichten des Teilkonzerns Neuson Kramer ergaben, mit dem man im Jahre 2007 fusionierte (siehe dazu auch Geschäftsbericht 2009, Geschäftsbericht 2007 und mein Artikel zur Wirkung von Abschreibungen).
Zur gleichen Zeit betrug die Eigenkapitalquote des Konzerns rund 80 Prozent und es gab keine Finanzschulden, sondern ein Nettofinanzguthaben in Höhe von etwa 25 Mio. Euro. Im Jahr 2008 betrugen die Finanzverbindlichkeiten noch rund 60 Mio. Euro. Der Jahresverlust des Jahres 2009 war der erste und blieb bisher der einzige in der mehr als 150-jährigen Geschichte des Konzerns.
Die Jahre nach 2009 waren dann wieder von Gewinnen geprägt und sind es bis heute.
Fazit
Die Gewinnhistorie des Unternehmens ist umfangreich und ich nehme an, dass es in den nächsten 7 Jahren gut möglich ist, im Schnitt rund 0,60 Euro/Gewinn pro Aktie zu erwirtschaften. In guten Zeiten sogar etwas mehr, aber das ist dann „Kür“ und soll hier nicht „eingerechnet“ werden. Zusammen mit dem Buchwert pro Aktie von 17,10 Euro ergibt sich ein innerer Wert der Aktie von 21,30€.
Als groben Anhaltspunkt meiner Einschätzung möchte ich gern die Strategie 2022 der Unternehmensführung erwähnen, deren Fortschritt sich auf Slide 8 der Q3-2018-Präsentation nachlesen lässt. Die langfristigen Ziele dieses Strategieprogramms befinden sich auf Seite 9 des 2017er Geschäftsberichtes. Abgesehen von den strategischen Maßnahmen befinden Umsatz und EBIT-Marge auch nach 9 Monaten in 2018 gut über der von mir pessimistisch avisierten Bewertungsbasis.
Aus meiner Sicht ist Wacker Neuson mit 19,50€ pro Aktie fair bewertet. Das bedeutet allerdings, es gibt keine von Benjamin Graham so vehement geforderte Sicherheitsmarge und ein weltweiter Konjunkturabschwung hat mit Sicherheit negative Auswirkungen auf das Konzernergebnis.
Vor diesem Hintergrund wäre es mir lieber, wenn die Aktie heute nur 13-14 Euro kostete, denn dann könnte ich auch bei einer weiteren Weltwirtschaftskrise noch gut schlafen. Bei 19,50€ Einstiegskurs könnte ich das stand heute wahrscheinlich nicht.
– Fin –
Geschäftsbericht 2017: https://wackerneusongroup.com/fileadmin/user_upload/downloads_ir/finanzberichte_praesentationen/2017/GB/Wacker_Neuson_Group_Geschaeftsbericht_2017_DE_v3.pdf
Q3/2018 Quartalsbericht: https://wackerneusongroup.com/fileadmin/user_upload/downloads_ir/finanzberichte_praesentationen/2018/Q3/181108_WackerNeusonGroup_Q318_Quartalsmitteilung.pdf
Aktuelle Unternehmenspräsentation
IR-Factsheet: https://wackerneusongroup.com/fileadmin/user_upload/downloads_ir/finanzberichte_praesentationen/2017/GB/Wacker_Neuson_Group_Investor_Relations_Factsheet_03-2018_DE.pdf
Geschäftsbericht 2009: https://wackerneusongroup.com/fileadmin/user_upload/downloads_ir/finanzberichte_praesentationen/2009/Wacker_Neuson_GB_2009_de.pdf
Geschäftsbericht 2007: https://wackerneusongroup.com/fileadmin/user_upload/downloads_ir/finanzberichte_praesentationen/2007/WACKER_GB07_D.pdf
Wenn wir schon bei Chemie sind, wie ist deine Meinung zu Alzchem ?
Guten Morgen!
Leider kann ich nicht erkennen, warum wir hier „schon bei Chemie“ sind, aber wenn Sie mich schon bitten, mir das Unternehmen mal anzusehen, dann mache ich das auch kurz.
Das Business besteht aus zwei Spezialchemiesegmenten, in denen in 2018 ein Umsatz von rund 195 Mio. Euro und ein Bruttoergebnis (EBITDA) von circa 31 Mio. Euro erwirtschaftet wurde.
Das Unternehmen hat damit in 2018 seit 4 Jahren das zweite Mal wieder einen positiven Gewinn je Aktie erwirtschaftet und möchte daher, hier aber das erste Mal in 4 Jahren, eine Dividende ausschütten. Die Eigenkapitalquote ist sehr niedrig. Die Bilanzsumme ebenfalls.
Das Geschäft wäre mir zu wackelig und unbeständig. Der bilanzielle Buchwert je Aktie liegt ungefähr bei 50 Cent. Die Aktie kostet momentan über 2 Euro. Für mich wäre das also nichts…
Wacker ist nun bei 13,20€ angekommen. Wie geht es weiter?
Wenn ich das wüsste, dann müsste ich nicht mühsam innere Werte berechnen und dann darauf hoffen, dass Mr. Market mit mir d’accord geht. 🙂
Eines will ich aber mit Sicherheit sagen: Ich gehe davon aus, dass die Kurse/Gewinne irgendwann wieder steigen. Bei WACK01 sehe ich aktuell eben nur das Liquiditätsproblem und wäre daher vorsichtig… Aber grundsätzlich bin ich, wie gesagt, immer optimistisch.
Viele Grüße
V. Bouvier