Wie bereits erwähnt bleibe ich meinen „verflossenen“ Unternehmen regelmäßig durch den IR-Verteiler treu, um eventuell spätere Investitionsmöglichkeiten nicht zu verpassen. Solch ein Unternehmen ist auch die grundsolide Fielmann AG, die jüngst den Generationenwechsel an der Spitze des Vorstandes vollzogen hat.
Der aktuelle Aktienkurs pro Fielmann-Aktie beträgt rund 59 Euro bei 84 Mio. ausstehenden Anteilsscheinen und ich möchte gern analysieren, ob das Unternehmen zu diesem Preis einen guten Einstiegspreis sowie eine akzeptable Sicherheitsmarge für einen Value Investors bietet.
Geschäftsstruktur
Die Fielmann AG ist deutscher Marktführer in der augenoptischen Branche. Jede zweite Brille wird hierzulande von Fielmann verkauft. Das Unternehmen ist Designer, Hersteller, Agent und Augenoptiker in einem, ist also entlang der gesamten Wertschöpfungskette tätig.
Nicht zuletzt durch verbraucherfreundliche Leistungen hat das Unternehmen es geschafft, die „Kassenbrille“, also das Modell, das die deutsche gesetzliche Krankenkasse dem Versicherten bezahlt und das erfahrungsgemäß immer nur ein häßliches Standarddesign hat, salonfähig zu machen. Fielmann hat die „Diskriminierung per Sozialprothese“ abgeschafft, wird in jedem Geschäftsbericht verkündet.
Beim Abschluss einer „Nulltarif-Versicherung“ können Kunden auch nach dem Wegfall der Kassenleistungen für nur 10 Euro jährlich alle 2 Jahre eine neue Brille zu Top-Konditionen erhalten:
Unsere Versicherten können unter mehr als 90 Nulltarif-Modellen aus Metall oder Kunststoff in mehr als 600 Varianten wählen. Derartige Brillen kosten in ähnlicher Ausführung beim traditionellen Wettbewerber üblicherweise zwischen 60,– bis 120,– Euro.
Fielmann Geschäftsbericht 2017, Seite 14
Hinzu kommt das Qualitätsversprechen, das sich in einer bedingungslosen Geld-zurück-Garantie und einer 3-Jahres-Garantie für jede Brille ausdrückt. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass man sogar mit einer „fremden“ Brille in ein Fielmann-Geschäft gehen kann, um am Bügel zum Beispiel eine dieser winzig kleinen Schrauben festziehen zu lassen.
Insgesamt betreibt das Unternehmen zum Abschluss des 2017er Geschäftsberichtes 723 Filialen, wovon sich 597 in Deutschland, 42 in der Schweiz und 37 in Österreich befanden. Zukünftiges Wachstum soll nicht vorrangig aus der Erhöhung Anzahl der Niederlassungen generiert werden, sondern durch Ausbau bestehender Geschäfte in „augenoptische Großeinheiten mit mehr als 50 Mitarbeitern“ oder durch den Umzug in attraktivere Lagen.
Im Bereich Digitalisierung testet Fielmann die Einsatzmöglichkeiten. So werden online bestellte Kontaktlinsen bereits zum Endkunden verschickt, während dieser Versandweg für Brillen nicht gangbar ist. Allerdings pilotiert das Unternehmen in Österreich momentan die „3D-Anprobe“ , bei der der Kunde sein Modell bereits von Zuhause mit seinem Gesicht „abgleichen“ kann.
Ein weiterer Geschäftsbereich, der stark wachsen soll, ist der der Hörakustik. Ende 2017 betrieb das Unternehmen 180 Hörakustikstudios und diese Zahl soll mittelfristig auf bis zu 250 ansteigen. Der Markt ist lt. Fielmann stark fragmentiert und bietet viel Potential für zukünftige Gewinne.
Bilanz
Die Bilanz des Unternehmens ist schlichtweg beeindruckend. Die Eigenkapitalquote beträgt im Q3-Quartalsbericht 2018 etwa 72%. Die kurzfristigen Vermögenswerte ABZÜGLICH der Vorräte (Net-Quick-Assets) übersteigen ALLE Verbindlichkeiten um 135 Mio. Euro bei einer Bilanzsumme von rund 935,7 Mio. Euro.
Der bilanzielle Cash-Bestand beträgt 103 Mio. Euro, allerdings gibt es darüber hinaus so viel Finanzanlagen, dass Fielmann das gesamte Finanzvermögen nach Fristigkeit aufgeteilt separat ausweisen muss (siehe Seite 5, des Quartalsberichtes). Demnach beträgt das Finanzvermögen der AG rund 311 Mio. Euro; das Unternehmen ist, wie Günther Fielmann so gern betont, schuldenfrei.
Der Buchwert pro Aktie beträgt 7,99 Euro, allein das Finanzvermögen pro Aktie beträgt dabei schon 3,70 Euro.
Gewinne & Dividende
Der durchschnittliche Gewinn pro Aktie des Unternehmens beträgt für die letzten 7 Jahre 1,78 Euro. Für den aktuellen Kurs von rund 59 Euro ergibt das ein vergangenheitsbezogenes Kurs-Gewinn-Verhältnis von 33,1. Auf Basis des 2017er Gewinnes ergibt sich ein KGV von 29,5.
Die durchschnittliche Dividende im selben Zeitraum belief sich auf 1,58 Euro/Aktie und das ergibt eine Dividendenrendite zum heutigen Kurs von rund 2,7%. Die 2017er Dividende betrug 1,85 Euro/Aktie und ergibt eine Rendite von 3,1%.
Weil ich so ein Kontrollfreak bin möchte ich hier noch den Geschäftsbericht 2009 der AG erwähnen, der die Finanzkrise beinhaltet und die Krisenfestigkeit des Fielmann-Geschäftsmodells demonstriert. In diesem Geschäftsbericht wird der Gewinn je Aktie mit 2,64 Euro angegeben und war seit 2005 stetig gewachsen (siehe Seite 2).
Aktionärsstruktur & -politik
Rund 71% der Aktien befinden sich im Besitz der Fielmann-Familie, die erst jüngst den Staffelstab an ihren neuen „Läufer“ Marc Fielmann übergeben hat. Günther Fielmann, der „alte“ Läufer, wird dem Unternehmen aber weiter eng verbunden bleiben und mit Rat und Tag zur Seite stehen, auch wenn er zukünftig nur noch einen Euro verdienen wird. Der Rest der Aktien befindet sich im Streubesitz.
Die Anzahl der ausstehenden Aktien im Jahre 2009 betrug 42 Mio. Stück, heute sind es 84 Mio. Stück. Im Jahre 2014 erfolgte ein Aktiensplit im Verhältnis 1:2 weil die Aktie mit fast 100 Euro wohl zu teuer erschien.
Des Weiteren kann ich die Behauptung, die Mitarbeiter des Unternehmens würden sich auch finanziell mit Fielmann identifizieren und sich an der AG beteiligen, aus eigener Erfahrung bestätigen. In einem der kostenlos angebotenen Sehtests in einer der Filialen kam ich mit einer Augenoptikerin darüber ins Gespräch und ich kann jedem Interessierten nur ans Herz legen, sich diesen Eindruck von Filiale, Marke und Geschäftsgebahren einmal selbst zu verschaffen.
Darüber hinaus ist in der Liste der Insidertrades sehr schön erkennbar, dass die Mehrzahl der Insider die Fielmann-Aktie bei einem Kurs zwischen 55 und 65 Euro pro Aktie wohl für eine gute Investition hält.
Fazit
Die Fielmann AG ist ein solide kapitalisiertes Familienunternehmen mit einem wirklich nachhaltigen und krisenfesten Geschäftsmodell. Regelmäßig und über Jahre hinweg werden Gewinne erwirtschaftet, die, aufgrund es Finanzvermögens, sogar fast vollständig ausgeschüttet werden können.
Ich muss zugeben, dass ich für dieses Unternehmen versucht bin, das ganze Gerede von Sicherheitsmarge und Value Investing in ein Gerede über Quality Investing umzuwandeln. Frei nach Warren Buffett, der meinte: „Ich kaufe lieber ein hervorragendes Unternehmen zu einem guten Preis, als ein gutes Unternehmen zu einem Schnäppchenpreis.“
Einen Versuch will ich aber starten: Der aktuelle Aktienkurs von rund 59 Euro beträgt gut das 7,3-fache des bilanziellen Buchwertes von rund 8 Euro, ich habe also rund 50 Euro Aufschlag zu rechtfertigen. Wenn ich „für Fielmann und mich“ davon ausgehe, dass die AG auch in den nächsten 20 Jahren 2 Euro Gewinn je Aktie einfährt, habe ich erst 40 Euro gerechtfertigt. Das reicht einfach immer noch nicht.
Auch KGV und das Kurs-Cash-Flow-Verhältnis von 17,5 weisen darauf hin, dass die Investoren davon auszugehen scheinen, dass Fielmann für immer so weiter machen wird. Ich gebe zu, mir fällt eigentlich auch kein Gegenargument ein (nicht mal Mr. Spex beunruhigt mich da).
Leider ist die Aktie für mich momentan (59 Euro) trotzdem zu teuer und so ganz will ich einen Horizont von 20 Jahren konstanter Gewinne ohne Sicherheitsmarge sowieso nicht annehmen. Da bleibt mir also weiterhin nur der sich regelmäßig meldende IR-Verteiler, der mir sagt, wie toll das Unternehmen ist und wie hoch der letzte Gewinn war. Ich zähle hier voll und ganz auf die depressiven Phasen Mr. Markets und muss bis dahin Geduld üben.
Q3 2018 Quartalsbericht: https://corporate.fielmann.com/fileadmin/Redaktion/pdf/ir/fielmann_bericht_sept18_BRVB6De4.pdf
Geschäftsbericht 2017: https://corporate.fielmann.com/fileadmin/Redaktion/pdf/ir/fielmann_bericht_2017_Bkz69WwtaFzY9F.pdf
Geschäftsbericht 2009: https://corporate.fielmann.com/fileadmin/Redaktion/pdf/ir/fielmann_bericht_2009.pdf
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