Bevor ich diesen Beitrag inhaltlich befülle möchte ich gern vorausschicken, dass ich nicht nur in meinem Musterdepot an der BASF beteiligt bin, sondern auch mit „echten Talern“. Insofern bin ich unmittelbar am wirtschaftlichen Erfolg dieses Unternehmens interessiert und ich bitte den Leser dies für den folgenden Text im Hinterkopf zu behalten.


In meinem kleinen Bericht zur BASF-Hauptversammlung (HV) im Mai 2019 schilderte ich die Tatsache, dass im Rahmen der Aussprache auf der HV auch Themen angesprochen wurden, die sich unter anderem mit Lobbyarbeit, sozialer Verantwortung und Umweltschutz auseinandersetzen, die aber, insgesamt gesehen, vom Vorstand, Aufsichtsrat und den anwesenden Aktionären defacto ignoriert wurden. In den der HV folgenden Monaten bis heute fiel der BASF-Aktienkurs (damals 74 Euro) nach Gewinnwarnung und weiter eskaliertem USA-China-Handelskonflikt auf unter 58 Euro, woraufhin sich der CEO Martin Brudermüller dazu veranlasst sah, seine HV-Statement, „die Dividende würde jedes Jahr steigen“, nochmals medial effektiv zu bekräftigen! Ist das nicht quasi ein Versprechen zur Dividende im nächsten Jahr? Toll!

Brudermüller will mehr

Schon auf der HV rief der BASF-Vorstandsvorsitzende die Regierung zur Verantwortung; er äußerte die Ansicht, dass die deutschen Unternehmen im Allgemeinen, die BASF im Speziellen, nicht allein finanziell für die Bekämpfung des Klimawandels herangezogen werden dürften. Die Regierung wäre in der Pflicht, Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass Klimaschutz „reizvoll“ (sprich: wirtschaflich) für die Unternehmen ist. Schon auf der HV war ich froh darüber, dass das keine öffentliche Aussage war, denn wie kann der CEO eines globalen Unternehmens, welches seit Jahrzehnten auf Kosten im Zusammenspiel mit der Natur Milliardengewinne einfährt, das verlangen?! Gestern dann ein Artikel im Manager-Magazin über Brudermüller, in dem der CEO impliziert, dass, wenn das Thema Klimaschutz falsch angegangen würde, Arbeitslosigkeit die logische Konsequenz ist: „Gesellschaftliche Unterstützung wird es nur geben, wenn Klimaschutz nicht in Arbeitslosigkeit mündet“, meinte er. Na? Gemerkt? Er spricht nicht im Namen der BASF, sondern er spricht im Namen unserer Gesellschaft! Toll!

En passant fordert Brudermüller noch mehr: „Die Bundesregierung sollte an eine neue Agenda 2010 denken.“ Aha! Der BASF-CEO möchte also nicht nur staatliche Anreize für ein klimafreundliches Wirtschaften, sondern er lanciert darüber hinaus seinen Bedarf an staatlicher Unterstützung dafür, „flexibler“ mit den Mitarbeitern bzw. deren Beschäftigungsverhältnis umgehen zu können. Flexibler noch, als er es mit den 3.000 angekündigten Stellenstreichungen in Ludwigshafen bis 2020 sein darf.

Als Teil der Agenda 2010 wurde damals, neben der Einführung erheblicher Flexibilierungsmaßnahmen für Arbeitgeber/-nehmer, übrigens auch eine Rentenreform durchgeführt, deren Früchte nun in einem regelrechten „Beschäftigungsboom“ bei Rentnern zu erkennen sind. Dass dieser Boom natürlich nur eine Farce ist, wird hier erläutert. Vielleicht ist also Brudermüllers „Versprechen“ einer Dividende für das Geschäftsjahr 2019 sein ganz persönlich und gesellschaftlich verantwortlicher Beitrag zur Bekämpfung der Altersarmut. Und um dieses Beitrag leisten zu können, muss der Staat die BASF eben beim Klimawandel und der Arbeitsmarktflexibilisierung unterstützen. Toll!

Reality Check!

Nun bin ich fast schon bereit, mich selbst als Kapitalisten zu bezeichnen. Über Gewinne freue ich mich und ich tue auch viel dafür, diese zu maximieren. Wenn der „von mir beauftragte“ CEO Brudermüller nun also mit seiner Propaganda Lobbyarbeit Öffentlichtkeitsarbeit alles dafür tut, die Gewinne der BASF-Aktionäre zu maximieren und in diesem Kontext auch Unterstützung vom Staat einfordert, dann sollte ich doch eigentlich zufrieden sein und mich zurücklehnen können, oder?

Kann ich aber nicht!

Mein kapitalistisches Streben, das gemeinsame kapitalistische Streben der BASF-Aktionäre, das kapitalistsiche Streben der BASF selbst, das kapitalistische Streben aller Unternehmen der Welt, findet nicht in einem Vakuum, auf einer Insel oder in einem eigenen, unabhängigen Kontext statt, sondern im Zusammenspiel mit Mensch und Natur. Positiv formuliert sind also die Probleme, die wir in Deutschland haben/haben werden, überwiegend mindestens teilweise auf dieses kapitalistische Streben zurückzuführen. Daraus folgt, dass Themen wie Klimawandel, Umweltschutz, Armut, Kriegsbeteiligungen etc. ohne eine Einbeziehung des kapitalistischen Strebens und seiner Auswüchse in unserem Lande/auf der Welt nicht sinnvoll diskutiert werden können.

Wer muss diese Debatte denn aber nun anstoßen, moderieren und zielführend begleiten? Unsere gewählten Volksvertreter, die sich einem riesigen Lobbyapparat gegenübersehen und in Zeithorizonten von 4 Jahren denken? Oder unsere Medienlandschaft, die unterteilt in einzelne wenige Unternehmen selbst mit dem kapitalistischen Streben beschäftigt ist? Oder alternative Blogs, Internetseiten oder alle Gretas dieser Erde zusammen?

Nun ja. Ich gehe davon aus, dass sich nichts ändern wird. Im Grunde wusste ich das auch schon vor diesem Beitrag, aber es brannte mir eben in den Fingern, die freche Art und Weise, mit denen Brudermüller Forderungen an den Staat, an unsere Gesellschaft richtet, zu kommentieren. Insofern: Ziel erfüllt! Toll!