Normalerweise vermeide ich es, das, was mir unsere Leitmedien als Nachrichten auf die Titelblätter, in die Tagesschau oder auf ihre Internetportale packen, zu konsumieren, weil ich zum Einen das Gefühl habe, dass ich nicht jedes Detail zum Amoklauf in Halle wissen muss, um einen Eindruck der Schrecklichkeit dieses Ereignisses zu erhalten, und zum Anderen mir nicht vorschreiben lassen will, womit sich mein Kopf beschäftigt. So ergab es sich also gestern, dass ich, durch eine berufliche veranlasste Fügung einen reisebedingten Timeslots von vier Stunden mit Tätigkeit zu füllen hatte. Leider hatte ich dazu nur eine Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) zur Verfügung, die aber, nachdem man den obligatorischen Nachrichtenteil zügig überblättert hatte, mit einem „Verlagsspezial zur Geldanlage“ aufwartete.

Cover des Verlagsspezials der FAZ vom 10.10.19
Verlagsspezial der FAZ vom 10.10.2019

Und schon war meine Neugier geweckt! Was empfiehlt denn unsere gute, alte, allwissende FAZ dem geneigten Leser als das Beste und Neueste zum Thema Investments? Es war mir nach der Lektüre ein Bedürfnis, dieses Verlagsspezial heute hier zu kommentieren.

Zum Gold

Der „Ist Gold wirklich das Krisenmetall?“ betitelte Artikel von Martin Siegel auf der ersten Seite des Verlagsspezials impliziert mit seiner Überschrift, Antworten auf die Titelfrage zu liefern. „Gold vermittelt das Gefühl von Sicherheit in Zeiten unruhiger Märkte, auch wenn dieses Gefühl langfristig nicht valide ist„, meint der Autor. Denn: „Politische Krisen wirken sich nicht nachhaltig auf den Goldpreis aus„.

Andererseits hat „Gold seine Funktion, Werte zu bewahren, grundsätzlich nicht verloren. Das Edelmetall hat über Jahre, Jahrzehnte, ja sogar Jahrtausende im Wesentlichen seine Kaufkraft erhalten.“ Auch wenn das nicht direkt mit politischen Krisen in Verbindung zu bringen ist; ist das nicht genau diese in Fiat-Währung gemessene, nachhaltige Preissteigerung in unsicheren Zeiten, die Herr Siegel zuvor noch als „nicht valide“ abgetan hat? Ich verweise hier auf die Geldfunktion „Wertaufbewahrung“, die Gold weit besser erfüllt, als beispielsweise der Euro, und ignoriere diesen Widerspruch einfach.

Weiter im Text. „Während Aktien, Anleihen und Immobilien derzeit auf Höchstständen notieren„, hatte Gold wohl noch 30 Prozent Luft nach oben zu seinem „All-Time-High“. Dass da natürlich die Hedgefonds und andere Vermögensverwalter aufspringen, weil die wohl immer auf den Höchstkurs schielen und von da aus „rechnen“ und entscheiden oder so, und damit dann den Goldpreis ebenfalls in die Höhe treiben würden, war ja nur folgerichtig, meint Herr Siegel. Deswegen auch seine Erkenntnis: „Billig ist Gold nicht mehr„. Dass der Autor dann aber doch noch zu folgendem Fazit kommt, ist wohl seiner Geschäftsführerschaft in der Stabilitas GmbH geschuldet: „Nimmt man alles zusammen, spricht wenig gegen goldene Zeiten für Edelmetallinvestoren.

Und nehme ich alles zusammen, hätte ich mir und die FAZ sich diesen Artikel auch sparen können.

Zu ETFs / Robottrading

Dass Exchange-Traded Funds (ETFs) seit der Finanzkrise 2008/2009 einen regelrechten Boom erlebt haben, sollte spätestens seit der jüngst auf ARTE über BlackRock veröffentlichten Dokumentation kein Geheimnis mehr sein. BlackRock ist mit seinem Supercomputer „Aladdin“ ein Vorreiter bzw. Klassenprimus im breit angelegten, globalen Computer-Trading, Risikomanagement bzw. automatisierten Investmentgeschäft. Kein Wunder also, dass es aus dieser Quelle auch immer fröhlich neue „Finanzprodukten“, neue „Anlagetypen“, clevere „Strategien“ heraussprudeln, die die FAZ dem finanzaffinen Leser in seinem „Verlagsspezial“ natürlich nicht vorenthalten möchte kann.

So wird zum Beispiel das „Robo-Investing“ von den vielen „Online-Vermögensverwaltern“ erwähnt, die zwar keinen brandneuen Investmentansatz bieten, die aber, laut diesem referenzierten wissenschaftlichen Papier, tatsächlich einen Mehrwert bieten sollen (Interessant! Nachgelesen/Geprüft habe ich das übrigens nicht). Aber auch beim Robo-Investing gilt: „Eine langfristige Strategie erfordert Geduld.“ Ach guck! Das ist doch aber mal neu, oder doch nicht?

Des Weiteren gibt es für diejenigen, die einfache, automatisierte ETFs für zu langweilig oder renditearm halten, die SmartBeta-Strategie. Hier werden aus den Indizes, auf die der ETF sich bezieht, nur die Aktien ausgewählt, die ein gewisses Beta-Kriterium erfüllt. Sagen wir ich will nur die Dividendenstars des Indexes (wer will das nicht?), dann werden auch nur diese aus dem Index in den Beta-ETF aufgenommen. Oder ich bin eher auf die ESG-(Umwelt-Soziales-gute-Unternehmensführung)-Faktoren scharf. Dann gibt es auch dafür SmartBeta-ETFs. Glücklicherweise bleibt aber bei der FAZ die Vernunft nicht auf der Strecke und man resümiert: „Eine Erfolgsgarantie bieten die Papiere nicht.Nicht? Mist!

Selbstredend sind Robo-Investoren sowie Beta-ETFs natürlich ein My teurer als „0815-ETFs“. Ist ja klar! Die bieten doch auch diesen Mehrwert, sagt die Finanz-„Wissenschaft“.

Zum Tages- und Festgeld

Ich sage es mal so: Zinsen auf sofort verfügbares Tagesgeld gibt es aktuell nicht. Und dabei definiere ich alles unter 1% eben als „Nichts“, so wie die Europäische Zentralbank eine Preissteigerung von 2% eben als „Preisstabiliät“ definiert. Pah!

Wenn man also nicht bereit ist, die „Neukundenwelle“, die die Online-Banken ihren Bestandskunden zum Hohn immer wieder lostreten und dabei dann mal bis zu „1% für 6 Monate bis zu einem Betrag von 10.000 Euro“ versprechen, mitzumachen, bekommt man eben keine Zinsen auf sein Erspartes.

Auf Seite 3 des FAZ Verlagsspezials (V3) allerdings gibt es tatsächlich eine, ich würde schon fast sagen innovative, Neuerung, von der ich vorher noch nichts gehört hatte. Die geht so: da wir, also wir in Deutschland, uns ja in der EU befinden und alle Banken der EU sich an die gesetzlichen Vorgaben zu den 100.000 Euro Einlagensicherung halten müssen, könnte ich mein Tagesgeld ja auch online an eine Bank in Lettland überweisen, um dort Tagesgeldzinsen von bis zu 0,9% zu erhalten. Des Weiteren könnte ich einen Teil meines Spargeldes an eine französische Bank für 0,7% verleihen und so weiter und so fort, bis ich mir ein „Zinsportfolio“ aufgebaut habe. Schön, wenn es dafür eine einfache Plattform gäbe und na klar, die gibt es schon.

Ich habe mir aufgrund des FAZ-Artikels also zinspilot.de angesehen. Dort kann man für alle teilnehmenden Banken der EU sehen, welche Zinskonditionen es aktuell für Tages- und Festgeld gibt. Wenn man sich nun nicht scheut, sein Geld in Lettland oder Malta zu parken, dann führt man dieses ganze Kontoeröffnungs- und PostIdent-Prozedere ein einziges Mal durch und kann danach sein Tagesgeld EU-weit über das Portal hin und her schieben. Abgesehen davon, dass der höchste Tagesgeldzinssatz nur bei 0,5% für 10.000 Euro liegt (Alpha Bank in Rumänien), sich das für mich einfach nich lohnt und ich mir nicht ausmalen möchte was in einem Bankrun-Moment passiert, finde ich das eine wirklich interessante Idee.

Zum Bitcoin

Bevor ich auf den Bitcoin-Artikel auf Seite V3 eingehe muss ich vorwegschicken, dass ich sehr skeptisch bezüglich des „Value“ von Kryptowährungen und somit auch gegenüber den Coin-Preisen bin. Der FAZ-Artikel meint im Untertitel, dass, weil sich Bitcoin in 2019 bereits verdreifacht hat („starkes Comeback“ nennt der Autor das), diese Kryptowährung nun wieder einen Blick wert ist. Sprich, wenn etwas teurer geworden ist, dann muss man hinsehen, ob man es nicht auch kaufen sollte. Ach guck!

Bitcoin Bild FAZ Verlagsbeilage
Bild zum Bitcoin-Artikel FAZ Verlagsspezial

So, nun bitte ich den Leser zunächst, sich als erstes das hier von mir abfotografierte Bild zum FAZ-Artikel zu Gemüte zu führen. Nur zu… Ich warte… … …

So und jetzt frage ich Sie, ob es für Sie auch so scheint, als wären Bitcoins gelblich-metallische Münzen? Haben Sie auch den Eindruck, als wäre Bitcoin so etwas wie Gold? Toll oder? Der Text im Artikel weist zwar auf die Schwierigkeiten der Kryptocoins bei der Anerkennung als „Anlageklasse“ hin; auch die Tatsachen, dass es bisher „leider“ noch keinen Bitcoin-ETF gibt und dass „Asset-Managern die Hände gebunden sind„, wenn sie in Bitcoins investieren wollen, werden erwähnt. Dennoch gesteht der Autor, mit dem fast schon ironischen Namen Feingold, dem Bitcoin denselben Status einer „Fluchtwährung“ aus Notenbankspirenzien und politischen Unsicherheiten zu, wie dem eigentlichen Gold. Und dabei dürfen Hinweise auf die anerkannten und sicheren Kryptohandelsplätze wie Coinbase oder eToro natürlich nicht fehlen. Einfach toll!

Resümee

Das Verlagsspezial schließt auf der letzten Seite mit den „Möglichkeiten in Betongold“ zu investieren. Alles rund um das Thema Immobilien bzw. die Möglichkeit in diese zu investieren und auch noch ein Artikel zur momentan juristisch strittigen Grundsteuer. Ach ja: Auf Seite V2 des Spezial wird übrigens noch erörtert, inwieweit eine Direktinvestitionen in Sachanlagen, sprich Kakaoplantagen oder Ähnliches, opportun ist. Schließlich sind da „mit 3.000 Euro in 6 Jahren im Schnitt 5% jährlich drin“, meint David Riemann von der Verbraucherzentrale (?!) NRW. Der Showstopper an dieser Stelle dürften aber etwaige Nachschusspflichten oder eben Naturkatastrophen in den entsprechenden Regionen sein. Aber jeder so wie er mag. Danke FAZ für diese „Anlageklasse“!

Wirklich interessant fand ich hingegen das Interview mit der Bloggerin Margarethe Honisch, die sich mit ihren Beiträgen zu Finanzthemen speziell an Frauen wendet. Durch dieses Interview bin ich nun übrigens unsicher, ob Frauen für dieses Metier besonders/dediziert angesprochen müssen, oder ob sich Frauen von meinem Blog (ich, männlich) nicht angesprochen fühlen (denn das können sie gern tun!). Hmm… Komisch!

Das war dann auch das Wichtigste aus dem Verlagsspezial zur Geldanlage der FAZ vom 10.10.19. Die meisten der Autoren der Artikel sind direkt in der Finanzwirtschaft tätig und somit ist auch der „Spin“ der Texte eigentlich vorhersehbar. Mir missfällt eben nur, dass der gemeine FAZ-Abonnent ein falsches Bild von der Finanzwirtschaft vermittelt bekommt. Irgendwelche Vehikel, zu irgendwelchen Konditionen von irgendwelchen Emittenten zu kaufen, um nach Gebühren dann irgendeine Rendite zu erhalten, die die 0% des Sparkontos schlägt. Mit diesem Verhalten wuchert die Finanzbranche immer weiter, erhebt sich über die Realwirtschaft und droht, wie immer, sie mit ihrem kranken Wachstum zu zerstören. Der FAZ-Abonnent müsste aber in die andere Richtung gehen und denken, um das „moderne“ Finanzgebahren zu mitigeren.

Warum kann man dem FAZ-Leser nicht sagen, er möge auf diesen ganzen Finanzbullshit verzichten und sich stattdessen im lokalen Heimatverein oder dem Kindergarten/der Grundschule/Sportverein engagieren? Das Geld in der eigenen Gemeinde so anlegen, dass mein Dorf, mein Bezirk auch für die Nachkommen gesund, sicher, sauber und modern ist? Dem Bäcker, dem Tante-Emma-Laden, um die Ecke oder gar der Stadt (!) einen Kredit gewähren? Oder vielleicht einen Fonds gründen, mit dem man lokale Jungunternehmer, kleine Bauern, Studenten unterstützen könnte? Oder vielleicht den das Dorf umgebenden Wald und Acker aufkaufen und als Geimeinschaftseigentum positiv beeinflussend gewinnbringend verpachten? Warum gilt das nicht als Geldanlage? Warum macht man nicht mal ein Verlagsspezial darüber, wie man sein eigenes Umfeld, den Menschen seines Dunstkreises hilft und die Gemeinschaft fördert? Da wäre mal was! FAZ!!

– Fin –