Nicht so oft, aber doch ab und zu bekomme ich Anfragen von anderen Autoren, in denen mir Gastartikel zu bestimmten Investmentthemen angeboten werden. Der einzige Beitrag dieser Art, den ich bisher veröffentlicht habe, ist der über die „Kapitalanlageimmobilie„. Was ich mir insgeheim immer schon gewünscht hatte, aber was mir in der gewünschten Qualität einfach noch nicht angeboten wurde, war ein Artikel, der Kryptowährungen (z. B. BitCoin) ganz allgemein im Lichte des Value-Investings erstrahlen lässt. Anders formuliert wollte ich die Frage beantwortet wissen, ob ich als Value-Investor unter Verwendung der für Aktien und Anleihen geltenden, sicherlich leicht angepassten Investmentkriterien mein Geld mit gutem Willen auch in das eine oder andere „BlockChain“-Produkt stecken könnte?
Nun erschien gegen Ende November 2021 ein dreiteiliger Artikel (Eins, Zwei, Drei) von einem gewissen Peter Decker, dem „Redakteur der politischen Vierteljahreszeitschrift GegenStandpunkt„, der seeehr ausführlich auf die Entstehung der Kryptowährungen (insbesondere den BitCoin) eingeht und sie ins Verhältnis zu unseren gesetzlichen Zahlungsmitteln setzt. Dieser Artikel ist die Basis, auf der ich meine persönliche Einschätzung zur oben gestellten Frage „Krypto & Value?! Geht das überhaupt?“ stellen möchte,
Die Grundidee des BitCoin
Decker beginnt die Schilderung der BitCoin-Idee mit der Kritik Satoshi Nakamoto’s am Fiat-Geld und den daraus resultierenden Unzulänglichkeiten, die Decker wie folgt zusammenfasst.
Zum Einen: „Die ‚Zentralbank‘ bringt die Bürger regelmäßig um ihr gutes Recht, mit einer soliden Ware versorgt zu werden, die ihnen auf Dauer verlässlich das Rechnen und Zahlen und die reibungslose Abwicklung ihres sonstigen (Waren-)Verkehrs untereinander gestattet.“
Zum Anderen: „Im Setzen auf dieses gute Recht leisten sich die Bürger das ‚Vertrauen‘ […], welches notorisch verraten wird.„
Diese beiden Aspekte (solide Ware „Zentralbankgeld“ & Vertrauen darin) zusammen ermöglichen es den „Banken„, dass ihnen von den Bürgern anvertraute Geld, welches diese eigentlich nur für den elektronischen Datenverkehr („Kauf & Verkauf im Internet„) verwenden möchten, intransparent und gänzlich außerhalb jeder bürgerlichen Kontrolle zu verwenden, zu investieren, zu verspekulieren, kurzum mißbräuchlich einzusetzen.
Weitere negative Aspekte dieses Systems sind die Transaktionskosten sowie die unvorhersehbare bzw. auch beliebig steuerbare Entwertung des „soliden Zentralbankgeldes“ seitens der „Hersteller“.
Die Auflösung dieser Unzulänglichkeiten des Fiat-Geldes liegt dieser Argumentation folgend auf der Hand: Die Einführung eines wirklich vertrauenswürdigen Zahlungsverfahrens, das die Abwicklung des Warenverkehrs/der Transaktionen übernimmt. Am Endes dieser Kritik präsentiert Nakamoto also im Jahre 2008 in einem WhitePaper seine BitCoin-Idee…
Deckers Kritik
Nach der Schilderung der Grundidee des BitCoins finde ich es ganz interessant, die dieser Idee innewohnenden Widersprüche zu erwähnen, die Decker anführt.
- das von Nakamoto eingeführte „elektronische Zahlungsverfahren“ eliminiert zwar das Problem der „dritten Partei“, der vertraut werden muss, aber es eliminiert gleichzeitig auch das Fiat-Geld, mit dem die Bürger, wie Nakamoto ja richtig festgestellt hat, zu wirtschaften pflegen
- weil das so ist, muss er sozusagen als „Beiwerk“ ein „virtuelles Zahlungsmittel“ für sein „Zahlungsverfahren“ erschaffen, hier den BitCoin
- die „Identifizierung“, die Verschmelzung eines Zahlungsmittels mit seinem Zahlungsverfahren, denn nur sie beide gehören zusammen, bezeichnet Decker als „blödsinnigen Riesenaufwand“; insbesondere wenn dann behauptet wird, dass dieses Virtuelle besser sein soll, als das, was im realen Leben verwendet wird
Der BitCoin
Bleiben wir aber beim BitCoin. Was ist das, das da so unglaubliche Preise erzielt und das da so unglaubliche „Wertsteigerungen“ produziert? Jeder kann diese Frage selbst ergoogeln und sich die tausend Antworten, die man da bekommt, durchlesen. Ich versuche es hier mal mit einer eigenen, aus meiner Sicht kinderleichten Erklärung dafür, was ein BitCoin darstellt.
Ein Coin, den ich mein Eigentum nenne, ist eine vollständige Liste aller vorherigen Eigentümer dieses Coins (eben dieser Eigentümerliste). Eigentümer des Coins bin ich, weil ich der letzte bin, der diese Eigentümerliste und alle bis dato durchgeführten, miteinander verketteten Transaktionen unterschrieben hat. Alle anderen Eigentümer anderer Coins wissen, dass ich der Eigentümer meiner Eigentümerliste bin, so wie ich weiß, wem alle anderen Eigentümerlisten gehören. (dezentrale Datenbank oder auch Kassenbuch). Alle Listen-Eigentümer sind Teil des Coin-Netzwerkes und tauschen regelmäßig ihre Daten über Transaktionen, Eigentümer und Eigentümerlisten aus.
Der Vollständigkeit halber lasse ich jetzt noch einmal Peter Decker zu Wort kommen. Also was ist ein BitCoin?
„Die einzelnen Münzen werden als eine Art digitale Unterschriftenliste konstruiert, sodass sie in gar nichts anderem als in der Geschichte ihres Gebrauchs bestehen; die Teilnehmer an dem Zirkus bestätigen die Transaktionen in ihrer Community autonom, indem sie sich laufend an der Fortschreibung der sog. „Blockchain“ beteiligen.“
Oder noch technischer:
„Ein einzelner Daten-Block verbuchter Zahlungen enthält eine kryptographische Prüfsumme des zuletzt angefügten Blocks, die im nachfolgenden einzutragen ist, worüber alle Blöcke fortlaufend als Kette miteinander kryptographisch verknüpft werden und so jede Verfälschung von Transaktionen, jedes willkürliche Kopieren und Vervielfältigen des digitalen Geldes im Prinzip ausgeschlossen sein soll.„
Ja, aber warte. Wie entsteht denn diese Eigentümerliste überhaupt? Was ist am Anfang? Das hier:
„Wer als erster den Block zu verbuchender Zahlungen erstellt und die Blockchain fortschreibt, indem er eine kryptographische Rechenaufgabe am schnellsten löst, erhält aus dem Nichts die dafür ausgelobte Menge an Bitcoins; indem man sich verdient macht ums Zirkulieren des Geldersatzes, verdient man ihn sich.„
Von den Erfindern dieses Prinzips wir das so beschrieben:
„Durch Konvention ist die erste Transaktion in einem Block eine spezielle Transaktion, die einen neuen Coin schöpft, der dem Erzeuger des Blocks gehört… Das ständige Hinzufügen einer konstanten Anzahl neuer Coins ist analog zu Goldgräbern, die Ressourcen aufwenden, um mehr Gold in Umlauf zu bringen.“
Indem man also Zahlungen/Transaktionen im Netzwerk mittels oder zusammen mit einer kryptografischen Aufgabe verbucht/löst, entsteht eine neue Eigentümerliste, an dessen Anfang derjenige steht, der eben diese Zahlung/Transaktion zusammen mit der kryptografischen Aufgabe gelöst/verbucht hat.
Die technischen Details der Verbuchung, der kryptografischen Aufgabe übergehe ich hier mal. Sie unterscheiden sich von einer Kryptowährung zur anderen und sind für die Value-Beurteilung irrelevant. Es sei denn, ich wäre der Ansicht, dass eine leichtere Mathematikaufgabe weniger oder mehr Value bietet, als eine schwierigere. Dieser Ansicht bin ich aber nicht.
Resümee
Also eigentlich sollte sich die Frage nach dem Value-Gehalt einer Kryptowährung im Lauf dieses Beitrags von allein beantwortet haben. Ich löse eine komplizierte mathematische Aufgabe, verbuche einen Eigentümerwechsel und als Belohnung erhalte ich innerhalb eines elektronischen Zahlungsverfahrens ein paar Verrechnungseinheiten, die ich allerdings natürlich nur im virtuellen Rahmen dieses Zahlungsverfahrens verwenden kann. Dafür verwende ich sehr viel Strom bzw. Prozessorleistung, welche ich privat mit meinem aktuell gesetzlich gültigen Zahlungsmittel zu kaufen habe.
Oder ich ignoriere die Erstellung dieser virtuellen Verrechnungseinheiten, nehme direkt das aktuell gesetzlich Zahlungsmittel meines Landes und erwerbe damit diese virtuellen Verrechnungseinheiten, die vor mir schon andere erstellt und gehandelt haben. Was bekomme ich also für mein echtes Zahlungsmittel? Virtuelle Verrechnungseinheiten für ein virtuelles Zahlungsverfahren.
Ich kann beim besten Willen keine werthaltige Basis für zukünftige Zahlungsströme, Anlagevermögen oder Kreativität erkennen. Einzig das Alleinstellungsmerkmal des BitCoin als der ersten aller Kryptowährungen stellt mit viel Wohlwollen so etwas wie eine Marke dar. Allerdings ist die Fülle an aktuell existierenden Kryptowährungen eher ein Indiz dafür, dass es keinen sogenannten Burgraben gibt, der für neue Coins schwer zu überwinden wäre.
Wenn ich nun also schon den Value-Case für Kryptos negiere, dann will ich wenigstens noch kurz auf die Frage eingehen, ob hier vielleicht ein Wachstums-Case vorliegt. Also obschon jetzt aktuell kein Value existiert, dafür in Zukunft mit riesigen Zahlungsströmen, riesigen Wachstumszahlen zu rechnen wäre?
Vielleicht wird irgendwann der BitCoin als elektronisches Zahlungsverfahren für immer Bereiche des Waren- und Zahlungsverkehrs interessant. Verträge, Offline-Bezahlungen, persönliche Identifikation oder eHealth. Meine erste Frage wäre: Warum der BitCoin? Warum nicht eine der anderen Kryptowährungen? Der BitCoin ist sehr teuer bzw. fluktuiert stark, das schafft in der realen Welt wenig Vertrauen. Warum also nicht einfach eine eigene Währung erschaffen, die von einer staatlichen Institution unterstützt wird? eEuro oder eDollar?
Und jetzt wird es dystopisch: Stellen wir uns vor, das BitCoin Zahlungsverfahren (oder irgendein anderes von denen) wird für alle Lebensbereiche, für alle Lebensangelegenheiten Online/Offline als einziges Zahlungs-/Transaktionsverfahren eingesetzt. Wie naiv müsste ich sein, dass dann irgendeine staatliche Institution daher kommt, um den BitCoin-Besitzern den am freien Markt gehandelten Preis für dies Verrechnungseinheiten zu zahlen, statt sie einfach für das Gemeinwohl zu konfiszieren? Oder gar abzuschalten? Oder zu verbieten? Oder als „Gefahr für das Gemeinwohl oder Stabilität des Systems“ zu klassifizieren?
Naja.. Es ist offensichtlich, dass selbst der Wachstumscase für Kryptowährungen auf wackeligen Füßen steht, wenn man überhaupt von „stehen“ sprechen möchte.
Post Skriptum: Placebo-Effekt
Die letzte Sendung der ZDF Satiresendung „Die Anstalt“ vom 07.12.2021 befasste sich im weitesten Sinne mit den Ursachen für Impfkritik und Anthroposophie („Naturmedizin als Gegenansatz zur Schulmedizin“). In der Sendung wurde angedeutet, dass eine der Ursachen für die starke Impfkritik insbesondere im Zusammenhang mit Corona unter anderem in der wachsenden Stärke der anthroposophischen Lobby der letzten Jahre zu suchen sei.
In diesem Zusammenhang kam natürlich auch der aus der Sendung bekannte, als „Isaac Newton“ verkleidete Max Uthoff als Vertreter der Wissenschaft zu Wort und ließ sich die „wissenschaftlichen Grundlagen“ der Naturmedizin/Anthroposophie erklären. Ergebnis: alles, was die Naturmedizin zu bieten hat ist, abgesehen vom Placebo-Effekt, nicht zu erklärt, nachzuweisen oder belegbar, und somit wissenschaftlicher Unsinn.
Warum schreibe ich das überhaupt?
Nun ja: der Placebo-Effekt ist ja ein Effekt, der manchmal, nicht oft, keine Ahnung wie häufig, aber irgendwie doch ab und zu hilft. Die Ursachen dafür und seine Symptome zu erforschen ist doch also per se nicht falsch. Es tut doch keinem weh und es kann uns unter zukünftigen Umständen vielleicht helfen, mehr darüber zu wissen.
Nun aber zurück zu den Kryptowährungen: die Beliebtheit dieser „Anlageklasse“, der Hype, die journalistische Begleitung, der Talk rund um das Thema haben dazu geführt, dass selbst renommierte Finanzfachmenschen, Zeitungen etc. diese Art des „Investments“ für den Otto-Normalverbraucher verdaubar aufbereiten. Immer mehr Menschen befassen sich damit und aus meiner Sicht steht oft die manchmal sogar ernst gemeinte Frage im Raum, ob man nicht darin diversifizieren sollte.
Ist dies nicht auch eine Art Placebo-Effekt, der die Sehnsucht nach Anonymität, nach bürgerlicher Kontrolle nach Unmittelbarkeit bei Geld-/Warentransaktionen, einfach nach Alternativen zum Fiat-Geld ausdrückt? Ein System, welches der staatlichen Kontrolle entgeht, das nur zwischen Menschen stattfindet und dabei nicht beliebig vermehrbar, also verlässlich ist. Der Placebo-Effekt drückt sich, für mich, in den tausend unterschiedlichen Coins, Ideen und Visionen bei den Anwendungsszenarien sowie nicht zuletzt in den hohen Preisfluktuationen aus. Da werden vermeintliche Werte geschaffen, die keine wissenschaftliche Basis/Belegbarkeit haben.
Jetzt bin ich die Kurve vom medizinischen Placebo-Effekt zu einem von mir konstruierten „finanztechnischen“ Placebo-Effekt geflogen, aber das ging mir eben im Hinterstübchen durch den Kopf, als ich diesen Artikel hier verfasst habe und daher wollte ich es teilen. Insofern haben Kryptowährungen vielleicht doch einen Wert. Als Lackmustest für das Fiat-Geld-System eben?! Vielen Dank für die Geduld!
Wissen wir denn wieviel Energie aktuell aufgewendet wird um Hardware für das Erzeugen (Schürfen) der BitCoins mit Strom zu versorgen?
Ich meine im Verhältnis zur Weltstromproduktion!
Grüßle,
Hallo Thomas!
Dazu gibt es sicherlich die eine oder andere Schätzung. Und wenn dann herauskommt, dass Kryptowährungen mit für den Klimawandel verantwortlich oder wenigstens als Hemmschuh für die deutsche Energiewende ursächlich sind, dann kann man sie wieder „legitim“ verteufeln.
Ich frage mich, ob jemand, der wirklich privat schürft und seine privaten Moneten dafür opfert, in der Endabrechnung überhaupt einen Gewinn machen kann? Vielleicht bei 50.000 Euro pro Coin? Vielleicht schon bei 10.000 Euro? Oder schürfen die meisten ohnehin irgendwie auf Kosten anderer? Gar auf Staatskosten und keiner bekommt es mit?
Viele Grüße
V. Bouvier