Zur Veranschaulichung seiner Thesen verwendete Value-Ikone Benjamin Graham in seinen Büchern gern historische Unternehmens- und Börsendaten. Leider sind solche Daten heute wenig hilfreich, weil sie zum Einen aus den 1920ern/1930ern stammen und sich zum Anderen eigentlich ausschließlich auf amerikanische Unternehmen und Gegebenheiten beziehen. Aus meiner Sicht bietet sich mir als Value-Blogger hier die Möglichkeit, diesen Graham‘schen Ansatz der rückblickenden Value-Analyse fortzusetzen, um daraus Erkenntnisse für zukünftige, aktuelle Analysen zu gewinnen. Beginnen möchte ich mit der BASF und dem Jahresschlusskurs 2008 von 27,50 Euro. Gab es hier trotz der Unwägbarkeiten der Weltwirtschaftskrise ein Value-Schnäppchen zu ergattern? Das möchte ich im heutigen Beitrag gern erörtern.
Viel Spaß also bei „BASF History (2008/09)“!
Die wirtschaftliche Makrosituation
Am 02. Januar 2009 erscheint bei Spiegel Online ein Kommentar, der das Ende des spekulationshysterischen Kapitalismus‘ erkennt und eine Ökonomie fordert, die sich am Menschen orientiert. Einen Tag später wird ein weiterer Artikel zum Thema veröffentlicht, in dem amerikanische Gouverneure von US-Präsidenten aufgrund der Wirtschaftskrise ein Billionen-Dollar Konjunkturprogramm fordern. Kurzum: Die Finanzkrise ist so verheerend, dass sich ehemalige Milliardäre sogar umbringen.
Alle Betrachtungen, die die Börse betreffen, sind also von den Ansichten und Meinungen über die globale Krise, die negativen wirtschaftlichen Erwartungen belastet, die aus dem schlechten Börsenjahr 2008 resultieren (Stichwort: Storytelling). Dass die Buchwerte der Banken bspw. unkontrollierbar mit Müll belastet sind, erkennt im März 2008 sogar der Tagesspiegel. Im FAZ-Jahresrückblick für die Börse 2008 schwingt zwischen den Zeilen mit, dass man auch in 2009 mit Aktien wahrscheinlich kein „Geld verdienen“ können wird.
Die Börsenstimmung war auf dem Tiefpunkt!
Die BASF in der Finanzkrise (Mikrosituation)
Wie sieht es denn nun bei der BASF aus? Der Schlusskurs der BASF des Jahres 2008 betrug 27,50 Euro. Ein Jahresminus von etwa 45%! Im Finanzbericht für 2008 vermeldet die BASF ein Umsatzplus von 7,5% (auf 62.000 Mio. Euro), das EBIT fiel allerdings um knapp 11% (auf 6.400 Mio. Euro). Der operative Cashflow 2008 liegt auch nach dem starken Rückgang des EBITs weiter über 5.000 Mio. Euro.
Der durchschnittliche Gewinn der Jahre 2004 bis 2008 lag bei 3,04 Euro. Die Eigenkapitalquote beträgt Ende 2008 rund 36%, der Buchwert der BASF-Aktien (insgesamt 918,5 Mio. Stück) liegt nach Anteilen anderer Gesellschafter bei etwa 19,13 Euro pro Stück. Beim F-Score im Vergleich zum Jahr 2007 zeigt sich nur eine traurige 4 (siehe Tabelle im Anhang). Das vergangenheitsbezogene Kurs-Gewinn-Verhältnis ist 9, die Dividende von 1,95 Euro ist gut vom Durchschnittsgewinn gedeckt und rentiert Anfang 2009 rund 7%. Zum Vergleich: der EZB-Leitzins aus 2008 wurde bei etwa 4% festgesetzt.
Der Ausblick des Unternehmens für 2009 lautet so:
Das Jahr 2009 stellt uns vor große Herausforderungen. die anhaltende weltweite Rezession lässt den Chemiemarkt schrumpfen. Jede Vorhersage ist derzeit mit großen Unsicherheiten behaftet. In diesem Umfeld erwarten wir trotz der Akquisitionen von Ciba Holding AG und Revus Energy ASA einen Umsatzrückgang gegenüber dem Vorjahr und einen noch deutlicheren Rückgang des Ergebnisses der Betriebstätigkeit. Dennoch streben wir an, zumindest unsere Kapitalkosten zu verdienen und die Dividende konstant zu halten – insgesamt sehr anspruchsvolle Ziele.
BASF-Bericht 2008, seite 123
Innerer Wert der BASF-Aktie (2009)
Auf Basis des Buchwertes von 19,13 Euro und einem Durchschnittsgewinn der letzten 5 Geschäftsjahre von 3,04 Euro je Aktie gilt es nun, einen inneren Wert zu bestimmen. Der Buchwert besteht zum größten Teil als BASF-Sachanlagen (Fabriken etc.) und zum zweitgrößten Teil aus immaterielle Vermögenswerten (Patente, Lizenzrechte etc.). Durch den starken operativen Cashflow werden die Abschreibungen auf Sachanlagen sicherlich immer jedes Jahr ausgeglichen (reinvestiert) werden können. Allerdings will ich bei den immateriellen Vermögenswerten, deren Wert sich ja aus der etwaigen, zukünftigen Gewinnen daraus ableitet, ein kleine Sicherheitsmarge einbauen. Dafür veranschlage ich also einen Abschlag auf den Buchwert je Aktie von pauschal 10%; ich starte mit einem Buchwert von 17,21 Euro.
Der Gewinn je Aktie der BASF in den Jahren 2004 bis 2008 lag in der Spanne von 1,87 Euro bis 4,16 Euro. Die Fluktuation ist ziemlich hoch, weshalb ich eine Sicherheitsmarge beim Gewinn von 30% einplanen möchte. Ich setze für die kommenden 7 Jahre – sieben Jahre, weil ich subjektiv darauf vertraue, dass die BASF nach ihrer mehr als 100-jährigen Geschichte zu diesem Zeitpunkt diesen zukünftigen Zeitraum locker erfolgreich wirtschaften wird – also einen Gewinn von 2,14 Euro pro Aktie an. Dies ergibt, zusammen mit dem Buchwert, einen inneren Wert der Aktie von etwa 32 Euro.
Resümee
Der Aktienkurs der BASF-Aktie ist, so wie der gesamte DAX, Anfang 2009 von der allgemein pessimistischen Börsenstimmung belastet. Das Verhältnis von Aktienkurs (27,50 Euro) zu innerem Wert bot selbst nach doppelter Sicherheitsmarge (bei Buchwert und Gewinn) immer noch eine gute Gelegenheit, entgegen der miesepetrigen Stimmung Mr. Markets in diesen Chemieriesen zu investieren. In den 10 Jahren nach 2009 verdoppelte die BASF den Gewinn je Aktie, der Aktienkurs verdreifachte sich (siehe meine Analyse von 2019 dazu).
Ich selbst habe Anfang 2009 BASF-Aktien gekauft, aber aus heutiger Sicht einfach viel zu wenig. Ich konnte Phrasen wie „nicht ins fallende Messer greifen“ oder „die Talsole ist noch nicht erreicht“ nicht aus meinem Entscheidungsprozess verbannen. Einmal mehr zeigt sich also, dass sich in den schlimmsten und pessimistischsten Zeiten die besten Value-Invest-Gelegenheiten für denjenigen bieten, der mit kühlem Kopf, eigenständig und sachlich agiert.
F-Score-Tabelle
BASF-Bericht 2008: https://www.basf.com/global/documents/de/news-and-media/publications/reports/2009/BASF_Bericht_2008.pdf
Vielen Dank für diese sehr interessante Betrachtung. Während der Korrektur an den Aktienmärkten im zweiten Halbjahr 2018 habe ich mich ebenfalls damit auseinander gesetzt, wie sich die Unternehmenskennzahlen während der Finanzkrise 2008 verhalten haben, um dazu die jeweils aktuellen Werte in Relation zu setzen und eine Einschätzung zu treffen, wie günstig die momentane Bewertung ist. Ich freue mich auch auf eventuell weitere Beiträge in diesem Format.
Grüße,
Martin
Hallo Martin,
über deine positive Rückmeldung freue ich mich!
Mir hilft diese Art der rückblickenden Analyse ebenfalls sehr dabei, die aktuellen Bewertungen besser einschätzen zu können. Sobald ich dafür die Muse habe, werde ich sicherlich weitere Beiträge in dieser Form erstellen. Viel Spaß beim Lesen! 🙂
Viele Grüße
V. Bouvier