Value & Price

Der EVN-Trade ?!

Bevor ich meinen heutigen Beitrag beginne, möchte ich so etwas wie einen „Disclaimer“ formulieren: Ich hasse mag die Chartanalyse als Werkzeug für die Aktieninvestition überhaupt nicht. Schon die Wörter „Chartanalyse“ und „Aktieninvestition“ in einem Satz stehen lassen zu müssen, fiel mir sehr schwer, kostete Überwindung. Auch das Wort „Trade“ in einer Überschrift auf meinem so geliebten Value-Investment-Blog zu verwenden, ist aus meiner Sicht paradox. Dennoch habe ich beides im Sinne des Disclaimers für den heutigen Beitrag getan und der Leser wird hoffentlich gleich verstehen warum.

Kurze Depotupdates als Anstoß

Zunächst zwei kleine Anmerkungen zu meinem Echtgeld- sowie Musterdepot als Einstieg. Im Juli 2020 kaufte ich für 14,50 Euro das Stück einen ganzen Batzen EVN-Aktien für mein Echtgeld-Depot („RealTime„). Diese Aktien habe ich kurz vor Weihnachten 2020 zu einem Kurs von 17,04 Euro wieder veräußert, weil ich vor der einfachen Wahl stand, entweder die Dividende im Januar 2021 zu kassieren und dabei 27,5% Quellensteuer an das Land Österreich abzuführen, oder eben den Aktienkursgewinn gänzlich steuerfrei einzuheimsen (Vor diese Frage stand ich übrigens bereits Ende 2019).

(An dieser Stelle erwähne ich gern, dass ich eine Anfrage von Herrn Tim Werner erhalten habe, der mir den Vorschlag machte, doch einen Verweis auf sein werbefreies Blog „steuerstudies.de„, auf dem er sich mit Kniffen zur steuerlichen Gestaltung für Studenten befasst, in meinen nächsten Beitrag einzubauen, weil es thematisch passen könnte; einer Bitte, der ich hiermit gerne nachgekommen bin)

Für mein Musterdepot habe ich einmal im März und dann nochmal im Juli 2020 jeweils einen größeren Block EVN-Aktien „erstanden“. Diese Aktien habe ich noch nicht „veräußert“ und liege mit diesem Trade mit etwa 3,58 Euro je Aktie im Plus (14,30 Euro im Einkauf zum aktuellen Kurs von 17,88 Euro). Hier ist es leicht, den EVN-Kurs laufen zu lassen, weil es mich real-steuerlich nicht betrifft.

Trading VS. Value?

Was mir missfällt, und darüber werde ich mich noch regelmäßig aufregen, ist, dass es eben heutzutage nicht so einfach ist, eine Aktie zu kaufen, sie liegen zu lassen und Jahre später mit einem fetten Buchwertgewinn wieder aufzuwachen. Am aktuellen Beispiel von EVN kommen eben regelmäßig unplanbare Aktienkursegewinne dazu, die es, im Vergleich zur Buy-Hold- bzw. Dividenden-Strategie nicht zuletzt auch unter steuerlichen Aspekten zu bewerten gilt.

Meine zentrale Frage für heute ist also: Gibt es einen „EVN-Trade“, der sich, wie bei mir, regelmäßig am Jahresende daraus ergibt, dass die Einen auf die EVN-Dividende schielen, während die Anderen die österreichische Quellensteuer zu vermeiden versuchen? Und welche der beiden Gruppen hat dabei regelmäßig das „Sagen“, beeinflusst also den Kurs ihrer Strategie entsprechend?

Dazu habe ich mir, und das tut mir für den Quick-And-Dirty-Leser sehr leid, ein Dutzend historische Charts der EVN-Aktie vom jeweils 01.12. des Vorjahres bis zum 31.01. des Folgejahres erstellen lassen, die ich hier zunächst unkommentiert präsentieren möchte. Zur Info: Regelmäßig gegen Ende Januar eines Jahres fließt die EVN-Dividende an die Aktionäre, ein entsprechender Kursrückgang zu diesem Zeitpunkt ist also normal. (Vielen Dank an Börse-Online übrigens für die Charts! Eine tolle Seite, dieses Börse-Online! Ja, wirklich. Kann ich nur empfehlen dieses Börse-Online. So, genug jetzt! Quellenangabe erledigt.)


2019 zu 2020

2016 zu 2017

2013 zu 2014

2010 zu 2011
2018 zu 2019

2015 zu 2016

2012 zu 2013

2009 zu 2010
2017 zu 2018

2014 zu 2015

2011 zu 2012

2008 zu 2009

Interpretation

So, wenn wir schon bei Statistiken sind, dann behaupte ich jetzt einfach mal, dass ca. 70% der Leser die Charts einfach überscrollt haben und nun auf meine Interpretation der Daten scharf sind. Diesem Durst nach Befriedigung will ich auf der mir hier möglichen Ebene gerne nachkommen.

In 9 von 12 Charts hat, aus meiner Sicht, im betrachteten Jahresausschnitt ein spürbarer Kursanstieg bis zum Dividendenzahltag stattgefunden. Manchmal begann dieser Anstieg bereits im Dezember, manchmal eben erst im Januar. Die „Dividendenschieler“ überwogen also. Diese Einschätzung deckt sich mit meiner Vermutung und mit meiner Tendenz, EVN-Aktien gegen Endes Jahres eher mit Aktienkursgewinn zu verkaufen, um die erwähnte Quellensteuer auf die Dividende zu vermeiden.

In 2 von 12 Charts (15/16 und 11/12) ist bereits vor der Dividendenzahlung im Januar ein Kursrückgang erfolgt, für den ich allerdings keine schlüssige Erklärung habe. Vielleicht wollten einige Börsianer die Aktienkursgewinne ins neue Jahr tragen und haben daher erst im Januar statt im Dezember verkauft (Stichwort: zurückgesetzter Steuerfreibetrag). Der noch im Januar erzielbare Aktienkursgewinn schien also lohnender, als die zu erwartende Dividende.

Im Chart von 2014 zu 2015 war der Dezemberbeginn zunächst von einem starken Kursverfall geprägt, bis sich das Kursniveau bis zum Dividendenzahltag im Januar fast wieder an das Niveau vom Dezemberbeginn angeglichen hatte. Ich habe mal nachgeschaut: am 11.12.2014 veröffentliche die EVN per ad-hoc-Meldung ein EBITDA-Rückgang für das Gesamtjahr von 65,9% im Vergleich zum Vorjahr. Hauptursache waren wohl nicht-zahlungswirksame Wertminderungen auf Anlagevermögen. Jupp! Das genügt mir als Begründung.

Resümee

Ich finde genügend Anhaltspunkte dafür, von einem „EVN-Trade“ zu sprechen. Grundsätzlich, und das habe ich in mehreren Beiträgen ausführlich dargelegt, halte ich die EVN-Aktie weiterhin für unterbewertet. Der innere Wert der Aktie liegt für mich solide über 20 Euro. Das Unternehmen ist stabil, nachhaltig und regional unverrückbar sowie uneinholbar verankert. Am liebsten würde ich alle meine EVN-Aktien für immer festhalten.

Leider verbietet mir dies ein genetischer Defekt, der alle Aktienerträge steueroptimiert einfahren möchte. Darüber hinaus sind die heutzutage oftmals irrationalen Kursbewegungen eine willkommene Einladung dazu, Gewinne auch einfach mal vom Tisch zu nehmen, auch wenn es die Bewertung des Unternehmens noch nicht indiziert. In diesem Sinne wünsche ich allen Lesern ein gesundes und fröhliches neues Jahr!

3 Kommentare

  1. JM

    Ja den Trade mache ich auch gerne. Diesmal bin ich erst bei Euro 15 eingestiegen und plane kurz vor der Dividende meinen Ausstieg. Der Bewertungsabschlag ist (wegen der Verbund-Beteiligung) auf historisch hohem Absurditäten-Niveau angekommen, so dass ich mir aktuell keinen Knick der Aktie vorstellen kann und bis Ende Januar Kurse auf alle Fälle solide jenseits der 18 sehe. Mit etwas Glück vielleicht sogar jenseits der 20. Eigentlich sollte die Aktie „Verbund-getrieben“ noch erheblich weiter laufen, denn zudem investiert EVN ebenfalls gerade zeitgeist-Konform in …ich hasse dieses Adjektiv…“nachhaltige“ Energien. Bin gespannt wo der Kurs kurz vor der Dividende steht. Ich nehme dann diesen grünen Gewinn und besorge dann den Pflanzen wieder etwas mehr CO2, indem ich eine Fernreise damit unternehme :-)…sobald wir wieder dürfen.

  2. der Franz

    zwei Faktoren sind in diesem Jahr wohl weit über den Januar hinaus weiter klar Kurstreibend:

    1. der Buchwert der EVN liegt dank des hohen Verbund Aktienkurses mittlerweile bei etwa 30 Euro je Aktie,

    2. stehen die Chance gut dass die EVN schon im März in den ATX aufsteigen wird,

  3. Benno

    Ich möchte hier mal ein steuerliches Spiel vorrechnen. Angenommen man hat 200 St. zu 14,- EUR gekauft. Das ergibt bei einem aktuellen Kurs von 18,36 EUR einen Gewinn von 872,- EUR. Davon werden 230,- EUR (plus evtl. Kirchensteuer) abgezogen.

    Jetzt der Fall der Dividendenauszahlung, das wären bei 200 St. und 0,50 EUR Dividende also 100,- EUR. Davon würden auf dem Konto 53,38 EUR (minus evtl. Kirchensteuer) ankommen. Also 46,62 EUR insgesamt an Steuern anfallen.

    Als Risiko beim Trade bleibt, ob der Kurs wieder deutlich unter 17 EUR fällt, denn nur dann würde ein Wiedereinstieg Sinn machen. Zumal es sich bei EVN ja in der Tat um eine der (nicht mehr so vielen) stark unterbewerteten Aktien überhaupt handelt.

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