Es soll ja Menschen geben, die nicht genügend Zeit oder Motivation dafür finden, sich selbst um ihr Erspartes und dessen Wachstum zu kümmern. Als Folge dieses „Mangels“ gibt es, wie immer in solchen Situationen, ein entsprechendes Angebot an Experten, die diese Menschen dann in Finanzdingen beraten wollen/dürfen/müssen. Das Ergebnis einer solchen Beratung ist meist eine Empfehlung, die auf eine Finanzinvestition in Investmentfonds hinausläuft.
Ein befreundeter Finanzmakler, mit dem ich regelmäßig in heftige Diskussion über die Sinnhaftigkeit seines Geschäftsmodells gerate, bat mich jüngst einmal darum, mir mal eine seiner Anlageempfehlungen unter der Lupe des Value-Investings anzusehen und meinen Senf dazu abzugeben, was ich, unter der Prämisse, meine Überlegungen hier anonymisiert veröffentlichen zu dürfen, natürlich immer gern tue.
Viel Spaß beim Lesen und Teilen!
Hintergrund
Das Geschäftsmodell meines Makler-Freundes besteht darin, sich mit Menschen, die ihr Erspartes gern gewinnbringend investieren möchten, zusammenzusetzen, Sparziele, Risikobereitschaft und Anlagehorizonte zu besprechen und dann eine Anlageempfehlung zu geben. Interessant dabei ist, dass sich der Makler selbst gar nicht mit den Fonds seiner Empfehlung auskennen muss, weil ihm diese Arbeit durch Fondsprospekte, Rating-Agenturen und vorgefertigte Liniencharts, die meist links unten beginnen und rechts oben aufhören, abgenommen wird. Anders wäre das auch nicht möglich, den wer will sich ernsthaft mit allen möglichen Investmentfonds auskennen?
Für die Perspektive: Auf der Webseite der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht werden aktuell 14.117 verschiedene Investmentfonds gelistet; was Fonds/Kapitalsammelstellen im Einzelnen sind führe ich hier nicht weiter aus, sondern verweise auf meinen Beitrag zu ETFs.
Mein Freund der Makler empfiehlt aktuell Aktienfonds für die drei Anlagekategorien „Wachstum“, „Dynamisch“ und „Altersvorsorge“ und ich lege mir nun aus jeder der Kategorien exemplarisch einen Fonds unter die Value-Lupe.
Kategorie: Wachstum
In dieser Investmentkategorie empfiehlt mein Freund momentan den offenen Immobilienfonds „grundbesitz europa RC“ der DWS, dessen Fondsprospekt eine tabellarische Übersicht über die vom Fonds gehaltenen Immobilien inklusive ihrer „gutachterlichen Verkehrswerte“ enthält. Der Fonds investiert ausschließlich in wirkliche Immobilien (keine Wertpapiere).
Insgesamt ist die Anteilsklasse „RC“ des Fonds in 164.117.555 Stücke am Vermögen eingeteilt und bei einem Fondsvermögender in Höhe von 6.514,5 Mio. Euro entfällt auf jedes Fondsstück ein rechnerischer Anteil von 39,69 Euro. Der aktuelle Rücknahmepreis, also der Preis zu dem die DWS willens ist, ein ausgegebenes Stück zurückzukaufen, liegt bei 39,68 Euro. Der Ausgabepreis, also der Preis, den man für ein Fondsstück an die DWS bezahlen müsste, liegt bei 41,66 Euro. Die Differenz zwischen Ausgabe- und Rücknahmepreis ist der Ausgabeaufschlag und der liegt bei 5% (steht alles genau so im Prospekt). Ein Prozent des Fondsvermögens wird als „Verwaltungsvergütung“ jährlich vom Fonds einbehalten.
Kategorie: Dynamisch
In dieser Investmentkategorie empfiehlt mein Freund momentan den Mischfonds „Allianz Strategiefonds Wachstum“ der Allianz Global Investors GmbH. Gefunden habe ich den Halbjahresbericht des Fonds vom 31. März 2018, in dem der Fonds alle seine Vermögenswerte listet.
Darunter sind Aktien (Metacash aus Australien, WestJapan Railway, Kerry Properties Ltd. aus Bermuda etc.) und Anleihen (z. B. Sachsen-Anhalt, Nestlé, Deutsche Bahn) aus gefühlt allen Ländern der Erde sowie Devisenpositionen und Terminkontrakte. Und jetzt weiß ich endlich, wer, außer mir, noch Anteile am Freefloat der Südzucker AG besitzt. Dieser Fonds hilt Ende März 2018 insgesamt nämlich 13.001 Südzucker-Aktien. Zu guter Letzt ist der Fonds auch noch an anderen Allianz-Produkten beteiligt (die „AGIF-Allianz EO Infl-Linked Bd Inhaber Anteile WT“ tragen etwa 3,11% bzw. rund 22,2 Mio. Euro zum Fondsvermögens des „Allianz Strategiefonds Wachstum“ bei).
Das Fondvermögen ist wie üblich in verschiedene Klassen unterteilt, die mit Buchstaben benannt sind (A, A2, I, IT2 etc.). Die Modalitäten der einzelnen Klassen finden sich auf Seite 27 beschrieben; manche schütten eben aus, manche thesaurieren und/oder haben eine Mindestanlagesumme. Zum Berichtszeitpunkt beträgt der rechnerische Anteilswert für die Anteilsklasse A des Investmentfonds zum Beispiel 90,44 Euro, der Ausgabeaufschlag 5% und die Verwaltungsvergütung 1,6%.
Kategorie: Altersvorsorge
In dieser Investmentkategorie empfiehlt mein Freund momentan den Aktienfonds „Robeco BP Global Premium Equities“ der Fondsgesellschaft Robeco. Im Factsheet zum Stichtag 31. Januar 2019 werden die wesentlichen Informationen und Beteiligungen des Fonds gelistet.
In den TopTen der Aktienpakete befinden sich bekannte Namen wie Microsoft, Alphabet, BerkshireHathaway, Glaxosmithkline und Oracle. Im Prospekt über die „wesentlichen Anlegerinformationen“ steht über die Auswahl der Aktien folgendes:
Die Auswahl dieser Aktien basiert auf der Fundamentaldatenanalyse. Das Portfolio wird von der Einzeltitelebene ausgehend aufgebaut. Es soll Unternehmen mit attraktiven Bewertungen, soliden Fundamentaldaten und sich verbessernder Geschäftsdynamik umfassen.
Robeco Anlegerinformationen, Seite 1
Zum Zeitpunkt der Niederschrift dieses Beitrages lag der aktuelle Rücknahmekurs bei 274 Euro. Am 31. Januar 2019 betrug das rechnerische Fondsvermögen pro Anteilsstück rund 266 Euro. Der Ausgabeaufschlag wird mit 5%, die Verwaltungsvergütung mit 1,25% angegeben. Zusätzlich gibt es noch eine Managementgebühr in Höhe von 0,12%.
Resümee Fondsanalyse
Zunächst einmal möchte ich nochmals erwähnen, dass es Investmentfonds nur geben kann, wenn es genügend Nachfrage nach solchen Finanzprodukten gibt. Dasselbe gilt für meinen Freund, den Finanzmakler, der sich diesen Menschen im Dschungel der Finanzbranche als Reiseführer mit einer mehr oder weniger aktuellen Übersichtskarte dieses Dschungels anbietet. Dabei muss er die Bäume oder Tiere, die dort leben, nicht kennen, er muss sich einfach nur an die Karte halten. Dem Makler kann man das nicht vorwerfen, er macht nur den Job, den der Kunde von ihm getan haben möchte.
Alle aktiv gemanagten Investmentfonds haben gemein, dass die Ausgabe und Rücknahme der Anteile ausschließlich über die Dachgesellschaft des Fonds (DWS, Allianz Global Investors etc.) geschehen kann. Die Dachgesellschaft nimmt die Anteile zum aktuellen Buchwert zurück, gibt die Anteile aber nur mit Ausgabeaufschlag auf den Buchwert aus. Den Preis, den man für einen Fondsanteil bezahlt ist also Buchwert plus Ausgabeaufschlag, der Rücknahmepreis, den man bei Verkauf bekommt, ist nur Buchwert. Ein Fondsinvestor kann also im Gegensatz zu einem börsengehandelten ETF per Definition kein Schnäppchen machen. Diese Tatsache widerspricht dem Value-Ansatz mit Sicherheitsmarge im Gegenspiel zu Mr. Market.
Die oben durchleuchteten Fonds kochen mit Wasser. Manche mit Immobilienwasser, manche mit Aktien- und Anleihenwasser. Im Grunde aber vertraut der Anleger sein Geld den Fondsmanagern an und hofft auf der Grundlage des Fonds-Ratings oder der vergangenen Wertentwicklung, dass sich die Zukunft, nach Abzug aller Gebühren, positiv entwickelt. Andere Anhaltspunkte hat man schlicht nicht. Dass man die Zukunft nicht voraussehen kann gilt für gutbezahlte Fondsmanager genauso wie für Otto-Normalbürger.
Fazit
Alle Fonds, ob aktiv oder passiv gemanagt, sind per Gesetz zur Transparenz verpflichtet und soweit ich das beurteilen kann bietet jeder von mir analysierte Fonds genügend regelmäßigen Einblick in seine Zusammensetzung. Wenn ich aber, wie Warren Buffett mit seiner „Bet“ gegen die besten Hedgefonds der Welt, bewiesen habe, dass eigentlich kein Fondsmanager es schafft, dauerhaft und nachhaltig die allgemeine Marktentwicklung (z. B. einen passiven Indexfonds) zu übertreffen frage ich mich, warum ich mir die Kosten eines aktiv gemanagten Investmentfonds antun sollte?
Abgesehen davon ist das Investmentuniversum doch endlich! Es gibt weltweit nun einmal nur die und die Aktien, die und die Anleihen und die und die Währungen. Besonders bei dem Allianz Strategiefonds Wachstum fällt mir auf, dass der ja effektiv in alles investiert hat, was es gibt. Niemals wird dieser Fonds irgendeine allgemeine Marktentwicklung schlagen können, weil outperformende Einzeltitel insgesamt von Lowperformern gebremst werden. Aber für die Investition in die allgemeine Marktentwicklung benötige ich eben kein aktives Management.
Menschen, die für ihre Finanzinvestitionen auf Makler und Investmentfonds setzen, befreien sich aus meiner Sicht von dem Vorwurf, Value-Investoren zu sein. Mit Mr. Market oder der Börse hat man direkt nichts zu tun, weil man nur mit der Fondsgesellschaft oder dem Finanzmakler redet. Man muss selbst keine Wertpapieranalysen durchführen, weil das das Fondsmanagement macht, das man dafür ja entsprechend vergütet. Jeder kann nach seinem Gusto „investieren“: es gibt Fonds für Nachhaltigkeit, Rohstoffe, erneuerbare Energien, Ethik etc.
Was will man denn mehr?
Vielen Dank für diese Analyse.
In meiner Welt sollte sich jeder mündige Mensch folgende drei Fragen stellen:
1. Welches Investment passt zu mir. Welche Chancen und Risiken erkenne ich bzw. kann ich ertragen, wenn es um kurzfristige Wertsteigerung sowie -verlust geht. Welche Ziele verfolge ich mit meinem Investment (Anlagehorizont)?
2. Kann ich mein eigenes Investment selber managen? Geld arbeitet nun mal 24/7.
3. Erscheint mir der Deal welchen mir der Berater/Finanzmakler für die Verwaltung meines Investment bzgl. Rendite nach Kosten und Steuern anbietet, angemessen?
Sprechen wir über Value-Investment, ist der aktiv gemanagte Aktienfonds sicherlich „Off Topic“.
Hallo Jack,
sicherlich ist hat man klassisch „das Thema verfehlt“, wenn man als Value-Investor aktiv gemanagte Fonds „analysiert“. Die Diskussionen mit meinem Makler-Freund sind allerdings regelmäßig so hitzig, dass ich mir diese Thematik mal geordnet von der Seele schreiben wollte. Ich denke und hoffe, dem einen oder anderen Leser hilft der Beitrag für seine eigenen Erörterungen bezüglich der Anlagestrategien.
In Zukunft verweise ich meinen Freund dann nur noch auf diesen Text und kann gemütlicher mein Feierabendbier mit ihm genießen. 🙂
Viele Grüße
V. Bouvier
Es hängt sehr viel vom Anlagevolumen ab, will ich jetzt 5000- 10k investieren oder 100k-500k.
Im ersten Fall ist es vlt. noch wegen den Handelsgebühren sinnvoll.
Im 2ten Fall wäre das eine reine Verwaltungsgebühr von 1600 bis 8000 Euro!!!
Da kann ich ganz schön was traden…
Hallo Matthias,
selbst wenn die absoluten Beträge bei geringeren Anlagevolumina sehr klein sind, täte mir jeder Cent weh, den ich für die „Verwaltung“ des Fonds lassen müsste. Aber wie bei vielem im Leben muss jeder seine eigene Schmerzgrenze erst einmal ausfindig machen. 🙂
Grüße
V. Bouvier
Ich denke es gibt Fälle wo es Sinn macht in Fonds/ETFs zu investieren, natürlich unter der Prämisse, dass man sich aktiv mit Finanzen beschäftigen will.
In meinem Fall ist das zb. ein Russland und China ETF, weil
a.) die meisten Aktien nur schwer bzw. mit sehr hohen Gebühren handelbar sind.
b.) ich nicht in 2-3 Aktien sondern in den Mark investieren will, da nimmt man die 0,5x ETF Gebühren in Kauf
Hallo Vinzent,
Erstmal danke für deine Beiträge, ich lese die gerne und finde deine Argumente sehr stichhaltig. zB bei EVN bin ich auch dabei, und finde das ein langweiliges und sehr stabiles Investment.
Zu den Fonds: ich habe auch in den letzten ca 5 Jahren ganz auf eigenes Management umgstellt, und bin mit meiner Entscheidung zufrieden.
Hatte erst unlängst einen Termin in der Bank, und wieder gemischte Fonds vorgschlagen bekommen. Höflich abgelehnt. Mein Argument: dass so ein Fonds ca 5% Aufschlag und 1,5% Verwaltung hat, was bedeutet dass der in 10 Jahren grob mal 20% besser performen muss als ein Benchmark (ob das ETFs sind, oder meine eigene Aktienauswahl) – und das halte ich für kaum möglich. Wenn ich annhme dass Aktieninvestments p.a. ca 6% bringen brutto, und netto dann 3-4%, bei einer Inflation von lets say 2% fressen die Gebühren dieser Fonds so ziemlich alle Gewinne auf. Und das mag ich nicht..
Ich denke wir liegen da ziemlich auf einer Linie
Hallo Michael,
danke für die freundliche Nachricht!
Das Management der eigenen Finanzen erfordert eben Zeit. Im Gespräch mit anderen fällt mir oft auf, dass viele genau diese Zeit gar nicht haben, wenn sie nach einem Arbeitstag plus Überstunden in den Feierabend gehen. Und hierbei reden wir noch nicht einmal von der nötigen „Motivation“ oder „Bildung“.
Demzufolge ist es bereits eine gewisse Art von Luxus, wenn sich jemand überhaupt die Zeit nehmen kann, zu lesen, zu analysieren und dann fundiert zu entscheiden, finde ich. Letztendlich darf man die Leute, die aus Mangel an „Luxus“ auf Investmentfonds zurückgreifen, also eigentlich nicht einmal verurteilen oder?
Viele Grüße
V. Bouvier
Hallo Vincent,
Nein, natürlich soll niemand verurteilt werden, ist ja jedermanns Sache sich für einen Weg zu entscheiden, und wenn man weder Zeit noch Energie sich einzulesen und dranzubleiben hat, ist ein Fonds wohl soweit sinnvoll.
Wenn man zB 200 k€ veranlagt, sind halt 1,5% auch schon 3000 Euro pro Jahr, da finde ich zahlt sich Interesse eben schon wirklich aus.
Alternativ wäre natürlich ein simpler ETF, MSCI World, S&P500, EuroStoxx …kein Aufwand, wenig Gebühren, und wird wohl nach den Gesetzen der Statistik besser performen als 50% der gemangten Fonds. Das Argument gilt natürlich auch gegenüber eigener Aktienauswahl , aber ich finde es trotzdem sinnvoll, wenn man sich seinen Mix zusammenstellen kann, und das Risiko aktiv wählt, oder eben nicht, bzw gewisse Branchen auslassen kann, oder auch gewichten, weil man dran glaubt..
Good luck allen investierten, was auch immer die Strategie sein mag,
LG Michael