Die Aktie der Bayer AG wurde in den letzten Monaten von einer Hiobsbotschaft nach der anderen heimgesucht (siehe zum Beispiel hier oder hier). Die Übernahme von Monsanto wird die Gewinne der Bayer wohl kurz- und mittelfristig mächtig belasten. In diesem Beitrag möchte ich heute am Beispiel der Bayer AG demonstrieren, wie ich mit Hilfe der Sicherheitsmarge versuche, Investmentfehler zu vermeiden.
Dabei sehe ich mir die Aktie vor und nach der unheilvollen Übernahmeankündigung an, ermittle jeweils den inneren Wert und ziehe danach meine Schlüsse in Bezug auf die Sicherheitsmarge.
Viel Spaß also wie immer beim Lesen und Teilen!
Hintergrund
Am 19. Mai 2016 bestätigte die Monsanto Corporation auf ihrer Webseite, dass sie ein „unsolicited, non-binding“ Übernahmeangebot der Bayer AG erhalten hat. Daraufhin bestätigte auch die Bayer AG, dass sie „vorläufige Gespräche über eine Übernahme von Monsanto“ führe, um ein „globales, innovationsgetriebenes Life-Science-Unternehmen mit Spitzenpositionen in seinen Kerngeschäften“ zu schaffen.
Interessant in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass drei Monate vorher, also im Februar des Jahres 2016, ein Wechsel an der Unternehmensspitze angekündigt wurde. Der heutige (2019) CEO, Werner Baumann, nahm also seine Arbeit offiziell am 01. Mai 2016 auf, wobei davon auszugehen ist, dass er bereits vorher intensiv in alle strategischen Überlegungen des Konzerns involviert gewesen ist; so auch in die Monsanto-Übernahme.
Monsanto wurde im Jahre 1901 als Chemieunternehmen gegründet, fokussiert sich aber seit 2002 ausschließlich auf „agricultural biotechnology“. Auf das Thema Biotechnologie möchte ich jetzt hier nicht weiter eingehen, sondern nur ein exemplarisches Produkt aus dem Hause Monsanto erwähnen: „RoundUp“ auf Basis von Glyphosat und „RoundUp Ready“-Saatgut; „RoundUp“ ist ein Breitband- bzw. Totalherbizid (tötet also auf einer landwirtschaftlichen Nutzfläche erst einmal alles Lebende, bevor es danach umgepflügt werden kann, um im Anschluss das Saatgut in den vom Unkraut befreiten Boden einzubringen). „RoundUp-Ready“-Saatgut ist Saatgut, dass durch Genmanipulationen dazu gebracht wurde, gegen RoundUp immun zu sein. Da beide Produkte natürlich vom Hersteller patentiert sind, muss jeder Bauer, der eines der Produkte benutzt, dafür Lizenzgebühren an Monsanto zahlen.
Es gab also vor 2016 bereits genügend Informationen über das Geschäftsgebahren, die Produkte von Monsanto und ihre Wirkung auf Flora und Fauna. Jeder, der einmal mit offenen Augen über die Landstraße gefahren ist und sich fragte, warum manche Felder orangefarben sind, haben bereits live sehen können, wozu Glyphosat verwendet wird. Kurz gesagt: Die Anwendung von Glyphosat ist für den Bauern einfacher/billiger als das hektarweise Unkrautjäten vor der Einbringung der Nutzpflanze in den Boden.
Innerer Wert der Bayer AG-Aktie (2015/2016)
Die Bayer AG ist ein echter Dividendenaristokrat. Weil Herr Jonathan Heuscheler von AlleAktien.de auf seiner Webseite bereits eine umfangreiche Geschäftsanalyse inklusive historischer Kennzahlen (Stand 2018) veröffentlicht hat, verzichte an dieser Stelle darauf, das nochmal zu tun. Mich interessiert hier also nur der innere Wert der Aktie vor Mai 2016.
Am 25. Februar 2016, also einen Tag nach der Ankündigung, dass Werner Baumann neuer CEO werden würde, veröffentlichte Bayer den Geschäftsbericht für 2015. Die Eigenkapitalquote betrug 34,4%, der durchschnittliche Gewinn je Aktie für die Jahre 2011 – 2015 beträgt 3,77 Euro, die durchschnittliche Dividende 2,08 Euro. Der Buchwert pro Aktie beträgt 29,34 Euro (Eigenkapital de Aktionäre 24.265 Mio. Euro durch 826.947.808 Aktien).
Die langfristigen Vermögenswerte bestehen zu knapp 31.000 Mio. Euro aus immatriellen Werten und zu 12.300 Mio. Euro aus Sachanlagen. Die kurzfristigen Vermögenswerte übersteigen die kurzfristigen Schulden um knapp 6.800 Mio. Euro, trotzdem ergibt sich insgesamt nur ein F-Score von 4 (siehe Tabelle im Anhang). Vielleicht ist diese Kennzahl aber für Pharmaunternehmen nicht aussagekräftig, weil es sich ja eben nicht um ein klassisches Industrieunternehmen handelt (Vergleiche hierzu die Analyse zur Sixt SE).
Auf Basis dieser Eckdaten ergibt sich beim Aktienkurs von 90 Euro (Februar 2015) zu diesem Zeitpunkt ein rückblickendes Kurs-Gewinn-Verhältnis von 23,8. Für die Berechnung des inneren Wertes der Aktie verlange ich von Bayer eine Sicherheitsmarge von etwa 10% auf den durchschnittlichen Gewinn und erhalte insgesamt einen Value-Kaufkurs von 53,14 Euro (Buchwert plus 3,40 Euro auf die darauffolgenden 7 Jahre gerechnet). Diese Berechnung hätte mich somit davon abgehalten, die Aktie in 2016 zu kaufen.
Die Bayer AG (heute)
In den letzten 3 Jahren ist viel passiert, aber ich möchte im Detail gar nicht darauf eingehen, wie die Übernahme finanziert wurde, was es für Gerichtsurteile gibt oder was es für Vermutungen über die Zukunft von Bayer/Monsanto gibt (Stichwort: Storytelling). Sagen wir also ich höre heute zum ersten Mal von den Aktien der Bayer AG, ich schaue mir das Unternehmen völlig unbedarft an und frage mich, ob 61,40 Euro ein guter Einstiegspreis für diesen Pharma- und BioTech-Riesen ist.
Der bilanzielle Buchwert pro Aktie beträgt rund 49,30 Euro, die Eigenkapitalquote 36% nach 49% im Vorjahr (IFRS-Standard). Nach HGB-Bilanzierungsregeln, die auf Seite 112 des 2018er Geschäftsbericht angewandt werden, beträgt die Eigenkapitalquote hingegen 33,1% nach 31,9% im Vorjahr. Wenn ich das Wort „Eigenkapitalquote“ im Geschäftsbericht suchen lasse, gibt es nur einen einzigen Treffer und ich lande zufälligerweise genau bei der HGB-Bilanz. Hoch leben die Bilanzierungstrickser! Durch die erhöhte Aktienzahl im Vergleich zum Jahr 2017 fällt das F-Score auf 3 (siehe Tabelle im Anhang).
Für 2018 möchte der Bayer-Konzern seine Dividende aus dem Vorjahr in Höhe von 2,80 Euro konstant halten. Sehen wir uns also die Gewinn-und-Verlust-Rechnung an. Der durchschnittliche Gewinn der letzten 7 Jahre beträgt 4,44 Euro. Im Verhältnis zum aktuellen Kurs ergibt das ein KGV von 13,82 Euro.
Durch den Verkauf des Segments „Crop Science“ an die BASF SE entstand im letzten Geschäftsjahr ein außergewöhnlicher Ertrag in Höhe von 4.100 Mio. Euro. Ohne diesen Verkauf wäre das EBIT mit -200 Mio. Euro negativ. Enthalten sind darin bereits „sonstige Aufwendungen“ in Höhe von knapp 3.000 Mio. Euro, die im Wesentlichen (zu 1.500 Mio. Euro) aus Abschreibungen auf Geschäfts- und Firmenwerte im Segment „Consumer Health“ bestanden (Details dazu unter Punkt 14 des Bilanzanhangs des 2018er Geschäftsberichtes).
Exkurs: Rechtliche Risiken
Im Punkt 29 des Bilanzanhangs sind alle rechtlichen Risiken, mit denen die Bayer AG momentan umzugehen hat, pro Produkt aufgelistet. So auch die RoundUp/Glyphosat-Thematik. Das Unternehmen beschreibt die aktuelle rechtliche Situation und die daraus zu erwartenden finanziellen Auswirkungen. In der Folge ist es nur logisch, dass sich die unter Punkt 23 des Bilanzanhangs „sonstige Rückstellungen“ die Rückstellungen für Rechtsstreitigkeiten von 393 Mio. Euro Ende 2017 auf 1.414 Mio. Euro Ende 2018 erhöht haben.
Grundsätzlich kann ich als Laie nicht ein- und abschätzen, was die einzelnen Rechtsstreitigkeiten für das Unternehmen bedeuten. Selbst Experten können nur begründet vermuten, dass so ein Konflikt wahrscheinlich in die eine oder andere Richtung endet, was dann aber auch nicht so eintreffen muss. Ich als Investor sollte also all diese Unsicherheiten so in die Sicherheitsmarge einbauen, dass ich finanzielle Rückschläge, die in einem gewissen Maß über die eingeplanten Konzern-Rückstellungen hinaus gehen könnten, mit berücksichtige.
Resümee
Aufgrund er rechtlichen Risiken genügt mir eine Sicherheitsmarge von 10% nicht mehr aus. Dem Buchwert, insbesondere den immateriellen Firmenwerten, kann es passieren, dass durch das eine oder andere negative Gerichtsurteil außergewöhnliche Abschreibungen vorgenommen werden. Mit einer Sicherheitsmarge von 30% erhalte ich für mich einen „krisenfesteren“ Buchwert von 37,92 Euro je Aktie. Diese 30% sind absolut gesehen Abschreibungen in Höhe von 10.612 Mio. Euro.
Zum Vergleich: der durchschnittliche operative Cash Flow der letzten 5 Jahre betrug 7.568 Mio. Euro und die Finanzverbindlichkeiten des Konzern sind in 2018 von 14.200 Mio. auf rund 42.000 Mio. Euro angestiegen. Bayer bräuchte somit also weniger als 6 Jahre dafür, alle Finanzschulden zu tilgen.
Bei einer Sicherheitsmarge von 40% auf den durchschnittlichen Gewinn der letzten 7 Jahre von 4,44 Euro bleiben mir noch 3,17 Euro und mit diesen beiden Komponenten des inneren Wertes (Buchwert + angenommener jährlicher Gewinn) will ich 7 Jahre weiter blicken, was für mich einen fairen Preis der Bayer-Aktie bei rund 60 Euro taxiert.
Das alles sind nur die Zahlen und die Bayer AG scheint beim aktuellen Kurs fast schon ein Kauf wert zu sein. Einen „Showstopper“ habe ich allerdings noch nicht erwähnt: Werner Baumann. Im Manager-Magazin „räumte“ der CEO des Konzerns jüngst tatsächlich einen „massiven Imageverlust“ durch die Glyphosat-Thematik ein. Ach guck!
Für mich war Monsanto schon vor 2015 ein Unternehmen, mit dem ich niemals assoziiert werden wollte. Der Herr Baumann sah das anders und handelte dementsprechend. Wer weiß also, was er noch so für Ideen hat. Und somit kann ich mich guten Gewissens nicht dazu entscheiden Bayer für 61,40 Euro zu kaufen. Ohne jetzt noch weitere konkrete Berechnungen anzustellen könnte ich mir aber bei Kursen um die 50 Euro und sonst gleichen Vorzeichen dennoch vorstellen, doch das Risiko einzugehen.
F-Score Tabellen
Geschäftsbericht Bayer AG 2015: http://www.geschaeftsbericht2015.bayer.de/
Geschäftsbericht Bayer AG 2018: http://www.geschaeftsbericht2018.bayer.de/
Der profunden Analyse und dem wunschziel von 50 Euro schließe ich mich an. Kritisch überdenke ich, was ein Fehlinvestment und 28 Mrd zusätzliche Schulden bedeutet und Ihre Info der Tätigkeit von Herrn b. seit 2016 bei Monsanto : ich erinnere an schrempps Deal mit Chrysler. …unglaublich…in 1- 2 Jahren erwarte ich Neustart wie Daimler unter Zetsche, nur von welchem Niveau der Bayer – Aktie. ….kurz: da ich gerade cash aus den high Flyern ziehe, überlege ich mir einen short put mit Basis 50 nach der hv. Schöne Ostern FoxSr
Hallo Herr Voß,
viel Erfolg mit der Investition. Eine kurze Verständnisfrage habe ich allerdings: Was ist ein Short Put? Ein normaler Put-Optionsschein?
Österliche Grüße
V. Bouvier
Kurz: ein Stillhalter in Geld. An der Eurex verkaufe ich eine put- Option mit Basis 50 Euro auf Termin 3 . Freitag im September 2019. Die Depotbank sperrt den cash Betrag bis zur Fälligkeit und bucht Bayer Aktien ein, wenn um 12 Uhr der Kurs unter 50 Euro ist. Die vereinbarte Optionsprämie wird am Anfang gutgeschrieben. Die comdirect ist beispielsweise geeignet als Depotbank.
Hallo Matthias,
in diesem Szenario interessieren mich die einzelnen Kostenpunkte. Wie teuer ist es, eine dieser Termin-Put-Optionen zu verkaufen? Und was ist, wenn der Kurs zum Stichtag über 50 Euro bleibt? Was ist der Unterschied zu einer einfach eingestellten Kauf-Limit-Order mit Laufzeit zum 3. September 2019, die ja im Idealfall nix kostet?
Grüße
V. Bouvier
Hallo Vincent,
ein contract entspricht 100 Bayer-Aktien, so daß bei dem Basispreis von 50 Euro (z.B. bis Sept.) ein cash-Betrag von 5.000 Euro gesperrt wird. Pro contract rechnet z.B. comdirect eine Gebühr von 2,50 Euro ab. Wenn also nach dem Dividendenabschlag per 29.4.19 der Bayerkurs um die 60 Euro liegt, sollte die vereinnahmte Prämie ca. 1,10 Euro pro Aktie ausmachen, ergo: 110 Euro vereinnahmte Stillhalterprämie minus 2,50 Euro. Allerdings verlangt die Eurex eine Minimumgebühr von 20 Euro, die erst bei 8 Kontrakten erreicht wird.—Somit droht ein Klumpenrisiko, wenn 40.000 Euro gesperrt werden. Vielleicht gefallen Ihnen drei contracts, also 15.000 Euro mit vereinnahmten 330 Euro abzgl. 20 Euro Minimumgebühr? P.S. Sobald die Bayer unter 60 Euro in den nächsten Wochen fällt, wäre eine höhere Putprämie die Folge, z.B. 2 Euro ….Reden Sie mal mit Ihrem Broker, weil vorher einiges an Papierkram zu erledigen ist.
Schönen Abend
FoxSr
Hallo FoxSr,
herzlichen Dank für die ausführliche Schilderung!
Beim Lesen ihrer Zeilen bekomme ich allerdings ein mulmiges Gefühl und bin froh darüber, dass ich davon bisher die Finger gelassen habe. Bitte nicht falsch verstehen: jeder kann mit seinem Geld natürlich machen, was er für richtig hält. Aber als Value-Investement sehe ich das Kaufen solcher Contracts nicht. Wie sehen sie das? Ist das für sie Spekulation oder Investition?
Bayer-Aktien an sich sind zum richtigen Preis doch eigentlich eine ausreichend rentable Sache.
Grüße und natürlich viel Erfolg
V. Bouvier
Hallo Vincent,
richtig, das eine ist das Investment in kerngesunde Unternehmen (nicht Bayer)…hier geht es um ein Wunschziel, aber dazu müßte der Bayer-Kurs am 3. Freitag im September unter 50 Euro stehen….nur dann bekommt man als Stillhalter in Geld die Aktie angedient.
Wenn im Mai 2019 nach einem evtllen. US-China Deal die Aktien in einen melt-up geraten (melt up könnte die Märkte treiben = Meinung von Blackrock, CEO Fink), dann würde ich mich von vielen Aktien trennen (d.h. Gewinne realisieren) und auf viel Cash sitzen.
Dann würde es mich reizen, die Sommerzeit mit short-put Geschäften beruhigt in der Sonne zu geniesen.
Fazit: Stillhaltergeschäfte sind für mich nur eine Ergänzung, wenn die Anlagestrategie geklappt hat.
In meinen 40 Jahren Anlageerfahrung habe ich selten eine so erratische Phase wie unter Trump erlebt, das eröffnet viele Chancen im Trading, jedoch werden die Märkte dem noise nicht ewig hinterherrennen (in meinem Wikifolio LS9NC2 versuche ich, die Gewinne zu thesaurieren und 2019 hat ganz gut geklappt).
Schönes Wochenende
FoxSr