Das erste Buch, dass mir bezüglich Value Investing in die Hände gefallen ist, ist ein Sammelsurium von ins Deutsche übersetzten Ausschnitten aus Warren Buffets Aktionärsbriefen: „Das Buch für Investoren“ heißt es.

In seinen Aktionärsbriefen an die Aktionäre seiner Investmentgesellschaft Berkshire Hathaway, die, soweit ich weiß, allesamt noch auf deren Webseite verfügbar sind, wird viel von außerbilanziellem Goodwill, Steuerrecht (amerikanisch), Unternehmenswerten und Unternehmensanagern gesprochen, was für mich erst einmal schwere Kost war, aber mein Interesse war geweckt.

Da Buffett den Nimbus des „Orakels aus Omaha“, sprich der Legende des armen Jungen, der sich zum reichsten Mann der Welt investiert hatte, bereits mit sich trug, war ich sehr an seiner Biografie interessiert: also las ich „Das Leben ist ein Schneeball“ von Alice Schroeder.

In diesem Buch wiederum wird deutlich, dass Buffett seine Initialzündung von einem Uni-Professor namens Benjamin Graham bekam, mit diesem er jahrelang zusammenarbeitete und den er heute noch dankbar verehrt. Darüber hinaus wird in der Biografie sein reserviertes Verhältnis zu seinem Vater, Howard Buffett, sowie Warrens Fleiß, Ehrgeiz und  Willen in den Teenagerjahren deutlich. Howard scheint seinem Sohn bereits in jungen Jahren viel über das Investieren beigebracht zu haben (Auch wenn beide besonders zum Investmentthema „Gold“ unterschiedliche Auffassungen teilen).

Warren Buffetts Investmentphilosophie (früher)

Zu Beginn hat Buffett seine Investitonen ganz nach dem Gedanken von Grahams Sicherheitsmarge ausgerichtet. Er kaufte Unternehmen, die gute aufgestellt waren und gute Aussichten hatten, für einen Schnäppchenpreis: sagen wir 50 Cent bezahlen, für 100 Cent Unternehmenswert. Und, nicht weniger wichtig, er musste genau verstehen, was das Unternehmen machte, wie es sein Geld verdiente, welche Produkte es produzierte.

Aus diesem Grund ließ er in den 80er Jahren bewusst die Finger von Technologieunternehmen wie IBM oder Apple. Er konzentrierte sich immer mehr auf Versicherungsunternehmen, weil er deren „Float“   für sehr wertvoll hielt & hält (sprich: die eingezahlten Versicherungsprämien, die nur in Schadensfällen und dann nur zu einem Bruchteil wieder augezahlt werden müssen). Die frei-investierbare Liquidität zog Buffett in ihren Bann.

Ein Stück Geschichte und Dokument seiner Philosophie ist sein ausführlicher Artikel über das Value-Investing von mehreren seiner Bekannten, die diesen Ansatz verfolgten und verfolgen, aus dem Jahre 1984. Er schlussfolgert, dass der Value-basierte Investment Ansatz, egal von wem er betrieben wird und egal mit welchen Aktien, auf lange Sicht zum Erfolg führt.

Finanzkrise 2008/2009

Als ich mit dem Investieren begann, war Warren Buffett bereits eine namenhafte Größe auf den weltweiten Wertpapiermärkten, er wurde regelmäßig als reichster Mann der Welt ausgewiesen und saß mit Berkshire Hathaway auf einem riesigen Berg an flüssigen Mitteln, die es zu investieren galt. Die Finanzkrise kam und Buffett begann zum Beispiel, Goldman Sachs Aktien zu kaufen. Wie anhand der beschriebenen Konditionen dieses Deals zu sehen war, war das kein marktübliches Investment, sondern ein individueller Deal hinter verschlossenen Türen (z. B. 10 Prozent Dividende fix für die erworbenen Vorzugsaktien, zusätzliche Call-Optionen auf Stammaktien). Aus meiner Sicht ist es inzwischen soweit, dass sich Warren Buffett und seine Investmentgesellschaft nicht mehr frei auf dem Markt bewegen können, ohne Argwohn zu erwecken. Solcherlei Deals sind nicht mehr der Buffett von 1960-70-80, sondern Lobby-Deals. In der Finanzkrise BRAUCHTE die Finanzbranche Warren Buffett und seine Liquidität, er nannte seinen Preis und sie bezahlten ihn.

Darüber hinaus erwarb er in 2011 IBM-Aktien, die er vor der Jahrtausendwende vehement vermieden hätte, und schichtet diese dann später, nachdem sie „nicht so gut liefen“ zu allem Übel noch in Apple Aktien um, einem weiteren sehr hoch bewerteten Tech-Unternehmen. Es scheint, als gingen Buffett die Alternativen aus und er entfernt sich in seiner Situation weiter vom eigenen Value-Ansatz.

Ein weiterer Beleg für diesen Strategiewechsel ist die Aussage, dass er jetzt auf das „Quality-Investing“ setzt: also lieber ein hervorragendes Unternehmen zu einem guten Preis kaufen, als ein gutes Unternehmen zu einem Schnäppchen-Preis; „Ein Unternehmen muss so gut sein, dass  es von Idioten betrieben werden kann, denn eines Tages wird es das“. Im Gegensatz dazu sah Buffett in früheren Jahren den besten Weg darin, sich auf partnerschaftliche Beziehungen zu guten Managern, die er bspw. in seinen Aktionärsbriefen regelmäßig anpries, zu verlassen. Der „Burggraben“, die uneinnehmbare Festung (sprich: der Marktvorteil durch Marke, Prestige, Rechte oder Marktstellung) eines Unternehmens ist das, wofür sich Buffett nur noch interessiert. Und dafür bezahlt er auch gern erheblich mehr, als der innere Wert indiziert.

Fazit

Der Warren Buffett, den ich in seiner Biografie kennengelernt habe, war mir sehr sympathisch. Fleißig, partnerschaftlich und auf der Basis des Value-Investings auch diszipliniert und erfolgreich. Heutzutage allerdings ruht er sich auf seinen Lorbeeren aus, wird ungenau und agiert in Kreisen, die kein einfacher Privatanleger erreichen kann. Ein anschauliches Beispiel seiner „Abgehobenheit“ ist die Tatsache, dass seine Investmentgesellschaft auf einer riesigen Liquidität sitzt, die er aufgrund des Volumens offensichtlich schon gar nicht mehr rentabel investieren kann. Trotzdem bleibt er dabei, seit Jahren keine einzigen Cent Dividende auszuschütten, weder für die A- noch für die B-Aktien von Berkshire Hathaway, obwohl das, aus meiner bescheidenen Sicht, eine valide und gute Alternative in seiner Situation wäre.

Nichtsdestotrotz ist der Buffett von vor der Jahrtausendwende ein nie endender Quell an Hinweisen für Value-Investoren, aus dem ich gerne weiter trinke.


Alle „Letters to Shareholders“ von Warren Buffett: http://www.berkshirehathaway.com/letters/letters.html

„The Superinvestors of Graham and Doddsville“: https://www8.gsb.columbia.edu/articles/columbia-business/superinvestors

Buffett kauft Goldman Sachs Aktien: https://www.faz.net/aktuell/finanzen/aktien/goldman-sachs-jetzt-steigt-warren-buffett-ein-1694353.html

Buffet von IBM zu Apple: https://www.wiwo.de/finanzen/boerse/berkshire-hathaway-buffett-verkauft-ibm-und-kauft-apple/20586390.html

Wikipedia on „Quality Investing“: https://en.wikipedia.org/wiki/Quality_investing