In einem Gespräch mit einem Arbeitskollegen über Aktien und das Value-Investing erwähnte mein Kollege so beiläufig, dass er da mal so jemanden kannte, der ein Essay über die „Seven Sins of Fund Management“ („Die sieben Sünden des Fonds-Managements“) geschrieben hätte, das er mir gern einmal zukommen lassen könne, wenn er es noch fände. Er wusste den Namen des Autors nicht mehr, aber Google ist ja heute dein Freund und mit dem gegebenen Titel wurde ich dann auch prompt fündig.

Ich kannte James Montier nicht und habe nur durch Zufall von ihm erfahren, aber das, was er in diesem Essay schreibt, ist ein moderner Text zum Value-Investing, den Warren Buffett und Benjamin Graham nicht mehr liefern können.

Der Sündenkatalog

Die erste Sünde ist das „Forecasting“. Montier weist nach, dass es, egal wie genau und gut man ist (Profi oder Laie), unmöglich ist, die Zukunft vorauszusagen (also ein vernünftiger Mensch das je behaupten würde) und dass es daher sinnlos ist, die ganze Zeit und Energie, die dieses „Forecasting“ verschlingt, überhaupt dafür aufzuwenden.

Die zweite Sünde ist die Idee, dass man mit mehr Informationen, aktuelleren Daten oder tieferen Analysen bessere Entscheidungen trifft als jemand, der sich auf ein paar Eckdaten fokussiert. Explizit nennt Montier „Bewertungen“ und „Gewinnqualität“ (valuations and earnings quality) als solche wichtigen Eckdaten. Darüber hinaus trifft man durch das Mehr an Informationen nicht nur KEINE besseren Entscheidungen, sondern man wird nur überheblich (over-confident). Dies wiederum führt zu weiteren Fehlern etc.

Die dritte Sünde ignoriere ich, weil sie für mich irrelevant ist. Interessierte können sie aber gern nachlesen (siehe Quellenverzeichnis am Ende dieses Beitrages).

Die vierte Sünde hingegen ist wieder sehr wichtig: Die fehlerhafte Annahme, man könne den Markt timen, also genau am Tiefpunkt einsteigen und am Höhepunkt aussteigen. Es ist schlicht nicht möglich, der Investor soll sich davon verabschieden.

Die fünfte Sünde ist das „overtraden“. Der schnelle Aktionismus, das Rein-und-Raus bei Wertpapieren. Kein „Invest“-Gedanke lässt sich mit einem Rein-Raus-Schema rechtfertigen. Spekulanten agieren so, aber Investoren denken langfristig und identifizieren sich mich „ihrem“ Unternehmen, weil es gut und unterbewertet ist.(1)

Die sechste Sünde ist die der Geschichten. Es gibt zu jeder Aktie eine Geschichte, die von den Leuten erzählt wird, die sie verkaufen wollen oder bereits halten. Menschen wollen Geschichten glauben, sie benötigen etwas schlüssiges, einen Anker („Anchoring/’Ankereffekt„). Der Investor hingegen sollte Geschichten („Stories“) ignorieren und seine Entscheidungen auf harte Fakten basieren.

Die siebente Sünde ist die des Herdentriebes. Entscheidungen die in Gruppen gefällt werden (Stichwort: Schwarmintelligenz) sind im Ergebnis nicht unbedingt erfolgreicher oder einfacher zu fällen, sondern erschweren nur den Entscheidungsfindungsprozess.

Behavioral Finance

Montier geht weiter und fasst seine Investment-Strategie unter dem Begriff des „Behavioral Finance“ zusammen. Sein inzwischen verwaistes Blog ist noch abrufbar und liefert interessante Einsichten.

Darüber hinaus hat er Bücher verfasst und eine eigene Liste von Leseempfehlungen (Reading List) veröffentlicht. Momentan bin ich dabei, die für mich relevanten Informationen herauszufiltern und will darüber berichten.

Abschließend jedoch noch ein kleiner Wehrmutstropfen: James Montier ist nun mit seiner eigenen Investmentgesellschaft unterwegs. Er verfolgt seine Strategie des „Behavioral Investings“ und sucht weltweit nach Investmentgelegenheiten. Sein Fonds ist gnadenlos im Minus und die Kunden ziehen ihr Geld ab. In dieser Situation gibt Montier dem Handelsblatt ein Interview und es wird deutlich, dass Value-Investing kein Selbstläufer ist und der Investor seine Psychologie genauso „managen“ muss wie sein Geld. Dazu legen ich hiermit jedem Value-Investor Montiers Essay ans Herz.


James Montier „The Seven Sins of Fund Management“: https://www.trendfollowing.com/whitepaper/Seven_Sins_o-DrKW-100436-N.pdf (englisch)

James Montiers Blog: http://behaviouralinvesting.blogspot.com/

38 recommenden Books by James Montier: https://www.thewaystowealth.com/james-montier-reading-list/

James Montier Interview im Handelsblatt: https://www.handelsblatt.com/finanzen/maerkte/aktien/us-analyst-james-montier-us-aktien-sind-extrem-teuer/22785082.html?ticket=ST-645130-mFZhATzZ2BsZx2JDtW3B-ap2

(1) Ich glaube Warren Buffett war es, der einmal gesagt hat, kaufe kein Unternehmen für nur einen Tag, dass du nicht auch 10 Jahre lang halten würdest.