Wenn ich in der glücklichen Situation wäre, das ganze „Spiel mit der Börse“ wirklich als Spiel zu sehen und es ohne Rücksicht auf Verluste ausüben könnte, weil mein Vermögen eben einfach viel zu gigantisch ist, um es wirklich substantiell verzocken zu können, dann müsste ich mit Sicherheit weniger Gehirnschmalz in dieses Thema stecken, als ich es jetzt tue.

Nun ist es aber so, dass ich dieses „Spiel“ seit 15 Jahren mit einem ernsten Hintergrund „spiele“, den ich ganz banal mal mit dem Wort (Get-Rich-Slowly-But-Steady) „Vermögensaufbau“ betiteln möchte. In diesem Zusammenhang also und mit meiner Geschichte als Investor vor Augen fällt mir auf, dass meine einzelnen Aktienpositionen sich zu einem beliebigen Zeitpunkt X der letzten 15 Jahre in Bezug auf die Aktienkursgewinne eigentlich immer im roten Bereich befanden. Nach einiger Überlegung kam ich dann zu dem Schluss, dass diese Tatsache mit Blick auf das ausgegebene Ziel des Vermögensaufbaus, eigentlich ganz natürlich scheint.

Diese Schlussfolgerung möchte ich im heutigen Beitrag erörtern.

Die Anfänge

Der Leser stelle sich vor, er habe 0 Euro Aktienvermögen sowie 5000 Euro Geldvermögen. Er versetze sich weiterhin in die geistige Disposition, dieses Geldvermögen als Grundstein für den Aufbau eines riesigen, schier unendlichen Aktienvermögens an der Börse anlegen zu wollen. Darüber hinaus nehmen wir an, unser hypothetischer Leser hätte jeden folgenden Monat weitere 500 Euro an frei investierbarem Kapital für seinen Vermögensaufbau zur Verfügung. Was passiert nun?

Als erstes kauft unser Delinquent nun für 5000 Euro Aktien. Wie steht es um die Wertentwicklung seines Depots nach diesem ersten Schritt? Mit Sicherheit liegt sie im roten Bereich, weil er beim Kauf nicht den Kurs bekommt, der ihm im „DAX“ angezeigt wird, sondern nur den Briefkurs, der leicht über dem „angezeigten Kurs“ liegt. Beim Verkauf hingegen muss er mit dem leicht unter dem angezeigten Geldkurs vorlieb nehmen. Hinzu kommen natürlich noch Transaktionsgebühren. Kurzum: der erste Schritt des Vermögensaufbaus endet im roten Bereich.

Der Aufbau

Nun ist ein Monat um und unser Investor hat weitere 500 Euro zur Verfügung. Was kann er tun? Dafür will ich drei Szenarien betrachten:

  1. Die Aktienkurse seines Depots sind gefallen.
  2. Die Aktienkurse sind seitwärts verlaufen (unverändert).
  3. Die Aktienkurse sind gefallen.

Fangen wir von hinten an: Für den dritten Fall ist klar, dass sein Depot auch mit einem Nachkauf für 500 Euro weiter rot bleiben wird. Für den zweiten Fall ist klar, dass sein Depot auch durch den Nachkauf nicht in den grünen Bereich wächst, weil er eben wieder den höheren Briefkurs zahlen muss, bei einer Veräußerung nur den Geldkurs bekäme und natürlich wieder Transaktionsgebühren anfallen.

Nun zum interessanten ersten Fall: Sagen wir am Ende des ersten Schrittes des Vermögensaufbaus und vor den ersten 500 Euro zusätzlicher Sparrate haben die Aktienkurse das Gesamtdepot in den grünen Bereich katapultiert. Nun hat unser Investor wieder mehrere Möglichkeiten, die ich kurz auflisten will:

  1. Verkauf der grünen Aktienposition und einstreichen des Aktienkursgewinnes.
  2. Nachkauf der „grünen“ Kurse.
  3. Neukauf einer anderen, bisher nicht im Depot enthaltenen Aktienposition.

Zurück zum Start

Fangen wir wieder hinten an: Wenn er sich für Drittens entscheidet ist das für diese neue Aktienposition quasi das Äquivalent zum ersten Schritt des Vermögensaufbaus (ergo: rotes Depot). Gleiches gilt für Erstens, denn dann hat er zwar einen Kursgewinn eingestrichen, den er aber nun wieder, gemeinsam mit den zusätzlichen 500 Euro gemäß Schritt 1 des Vermögensaufbaus zu verwenden hat (ergo: er geht zurück auf ROT). Verrückt oder?!

Wenn er sich für Zweitens entscheidet, dann bleibt er zwar grün, nähert sich aber dem roten Bereich. Mit einem Nachkauf zu höheren Kursen zieht er seinen Einstandswert nach oben, seinen vermeintlichen Aktienkursgewinn schmälert er damit und somit nähert er sich wieder dem roten Bereich. Den Nachkauf „grüner Kurse“ kann er solange tätigen, bis er mit seinen Nachkäufen beim tatsächlichen Börsenkurs angekommen ist, ab dem er dann mit weiteren Nachkäufen durch Briefkurs und Transaktionsgebühren ins Rote rutscht. Aktienkursgewinne gibt es dann natürlich keine mehr.

Zusammenfassung

Für mein kleines Gedankenexperiment ist es unerheblich, wieviele Aktienpositionen das Depot enthält und ob oder wieviel Dividende fließt. Alle Szenarien lassen sich auf den oben beschriebenen Programmablauf reduzieren. Was heißt das nun? Ist ein „rotes“ Depot ein Zeichen dafür, dass ich mir ein Vermögen aufbaue? Natürlich nicht!

Das Volumen des Depots (sprich: das Aktienvermögen) sollte im Idealfall immer ansteigen. Das kann auf mehreren Wegen passieren, die ich, aller guten Dinge sind drei, mit einer dritten, aber sehr kurzen Liste kurz illustrieren möchte:

  1. Einzahlungen ins Depot / frisches Geld / monatliche Sparraten
  2. Aktienkursgewinne

Was? Warum keine Dividenden? Ganz einfach: Dividenden werden nach ihrer Auszahlung von Aktienkursen abgezogen. Somit steigt das Volumen eines Depots durch eine Dividendenzahlung nicht (10 Aktienkurs = 8 Aktienkurs + 2 Dividende).

Wenn man nun also von frischem Geld absieht, ist die Wertsteigerung der Aktie, ausgedrückt im Aktienkurs bzw. der Summe aller Aktienkurse eines Depots, das einzige, was das Volumen des Depots „echt“ steigern kann. Um also Vermögen aufzubauen, muss man Aktienkursgewinne/Wertsteigerungen mitnehmen und diese Gewinne neu investieren, was uns wieder zum ersten Schritt des Vermögensaufbaus führt, der, wie oben erwähnt, eigentlich immer im roten Bereich endet.

Komisch oder?


Post Scriptum

Der obige Beitrag ist endlich die prosaische Begründung dafür, warum ich in meinem Musterdepot einen „Depotwert ex-Sparrate“ ausweise. Diese Kennzahl ist der eigentliche Indikator für die Güte meiner Investmententscheidungen. Ob ein Depot nun in Summe ein grünes oder rotes Vorzeichen hat, sollte ab heute irrelevant sein!


Post Post Scriptum

Um der angestrebten Vollständigkeit meines Gedankenganges etwas näher zu kommen, möchte ich eine weitere Variante erwähnen. Der Investor könnte festlegen, dass er bei grünen Aktienpositionen einfach nicht nachkauft. Der Vermögensaufbau wäre dann ausschließlich über das hinzufügen neuer Aktienpositionen möglich (oder man lässt das Cash halt liegen, aber das ist ja kein Vermögensaufbau). Ich glaube, so macht es Buffett: Wenn Rot, dann nachkaufen; wenn grün, dann entweder verkaufen, nix tun oder neue Aktienposition eröffnen. So einfach ist die Welt…