Value & Price

WAC Q3 / CashFlow

Am heutigen Donnerstag veröffentlichte die Wacker Neuson SE ihre dritten Quartalszahlen für das aktuelle Geschäftsjahr. Diese Zahlen sind die Untermauerung der am 15. Oktober 2019 angepassten Jahresprognose. Während ich den Baumaschinenhersteller beim meinem Nachkauf im Oktober gewinnseitig mit genügend Sicherheitsmarge versehen finde, präsentiert sich mir anhand der Q3-Zahlen ein anderer Schmerzpunkt, den ich heute gern beleuchten möchte: Der CashFlow.

Bei einem auf 9-Monatssicht negativen, operativen CashFlow von -143 Mio. Euro für 2019 nach den -26 Mio. Euro in den vergleichbaren 9 Monaten des Vorjahres stelle ich mir heute konkret die Frage: „Ist das durch den starken CashOutflow verursachte erhöhte Liquiditätsrisiko der Wacker Neuson SE geschäftsgefährdend bzw. kritisch?

Wie sah es Ende 2018 aus?

Scheint es nicht wie ein Wunder der Buchaltungskunst, dass ich mir die aktuelle Gewinn-und-Verlustrechnung des Q3-Berichtes (GuV) ansehen kann (Slide 11), ohne überhaupt irgendein Risiko für das Geschäft der Wacker Neuson erahnen zu können? Nach GuV sind Umsatz und EBIT auf 9-Monatssichts 2019 sogar angestiegen. „Alles in Butter!“, möchte man meinen.

Der Geschäftsbericht des Jahres 2018 weist bereits einen negativen, operativen CashFlow von -18 Mio. Euro aus. Es ist durch das Kerngeschäft, die operative Tätigkeit des Konzern also mehr Cash aus dem Unternehmen abgeflossen, als durch Verkäufe hinein floß. Begründet wurde diese Entwicklung mit Engpässen in der Lieferkette, „wodurch Produktionsabläufe stockten und sich Auslieferungen verzögerten. Wir konnten die Nachfrage unserer Kunden nicht immer erfüllen und der erhöhte Bestand an fertigen und unfertigen Maschinen trug dazu bei, dass unser Net Working Capital wieder anstieg“ (Seite 3).

In der Kapitalfluss-(CashFlow)-rechnung (Seite 100) sieht diese Tatsache dann so aus, dass eine erhebliche Menge flüssige Mittel (Cash/Bargeld/Liquidität) in den Aufbau von Vorräten (sprich: Net Working Capital, NWC) geflossen ist (116 Mio. Euro). Ich stelle mir das so vor, dass Wacker produziert bzw. fertig produzieren möchte, dafür stetig Geld ausgibt (Strom, Löhne, Teile etc.), aber nichts so richtig fertig bekommt, somit nichts ausliefern kann, somit dem Geldabfluss der Produktion keinen entsprechenden Geldzufluss aus Verkäufen entgegensetzen kann.

Bei einem Barmittelbestand von 27,3 Mio. Euro zu Beginn des Jahres 2018 ist ein Mittelabfluss von 116 Mio. Euro, der nicht direkt Erlöse generiert, sehr schnell bedrohlich, denke ich. Somit kam der einmalige Erlös aus einem Immobilienverkauf von 60 Mio. Euro der Wacker Neuson wohl gerade recht. Darüber hinaus wurden langfristige Darlehen in Höhe von 81,4 Mio. Euro emittiert (sprich „Fremdkapital aufgenommen“). In dieser Situation finde ich rückwirkend die Zahlung einer Sonderdividende für 2018, die mit dem Immobilienverkauf begründet wurde, fast schon grob fahrlässig. Das Cash hätte das Unternehmen gut gebrauchen können!

Und wie läuft es in 2019?

Der Q3-Bericht weist, wie bereits erwähnt, für die letzten 9 Geschäftsmonate einen operativen CashFlow von -143 Mio. Euro aus (Slide 14 des Q3-Berichtes). Die Frage lautet also: Wie konnte das Unternehmen diesen erneut sehr hohen CashOutflow kompensieren? Die Antwort ist einfach: natürlich wieder durch Fremdkapital oder wie es in der Kapitalflussrechnung genannt wird durch „Zuflüsse aus kurzfristigen (161,4 Mio. Euro) und langfristigen (150 Mio. Euro) Darlehen.“ Weitere Schulden also. Der Zahlungmittelbestand am Ende des Berichtszeitraumes betrug 23,5 Mio. Euro, das ganze Fremdkapital ist also quasi bereits wieder verbraten investiert, wenn wir uns mit dem Finanzmitteln unter dem Level von Anfang 2018 befinden.

Positiv zu vermerken ist, dass der operative CashFlow für das Q3/2019 allein mit +1,5 Mio. Euro nach Q2 (-29,1 Mio. Euro) und Q1 (-116 Mio. Euro) endlich wieder „schwarz“ ist (Slide 7). Dennoch hat natürlich der Mittelabfluss der letzten Quartale die Verschuldung des Konzern ansteigen lassen. In Zahlen konkretisiert bedeutet das einen Abfall der Eigenkapitalquote von 65% (Q3/18) auf 54% sowie einen Anstieg der Nettofinanzverschuldung von 193 Mio. Euro (Q3/18) auf 513 Mio. Euro (Slide 8).

Die schwierige Aufgabe, die der Vorstand nun zu bewältigen hat, hat er auf Slide 7 selbst formuliert: „Einleitung stärkerer Produktionskürzungen als bisher geplant, um Vorratsbestand zügig und marktpreisschonend abzubauen„. Die Forderungen aus Lieferungen und Leistungen (Slide 12) in Höhe von knapp 400 Mio. Euro gilt es als erstes freundlich, aber bestimmt „einzutreiben“. Ungleich schwerer wird es, die Vorräte in Höhe von 663 Mio. Euro „marktpreisschonend“ abzubauen, wenn Bau- und Agrarbranche ihren Abwärtstrend fortsetzen (Slide 9). Viel wahrscheinlicher ist es, dass die fertigen Maschinen zu Dumping-Preisen margenschwachen Verkaufspreisen an die Kunden verschleudert gegeben werden, um nicht mitten im dämmernden Wirtschaftsabschwung darauf sitzen zu bleiben.

Wie liquide ist die SE noch?

Bezüglich des Liquiditätsrisikos möchte ich nun zunächst die Wacker Neuson SE zu Wort kommen lassen:

Liquiditätsrisiken bestehen darin, dass zur Erfüllung von Zahlungsverpflichtungen benötigte Finanzmittel nicht termingerecht beschafft werden können. In der Gesellschaft stellen vorhandene, nicht in Anspruch genommene Kredit- und Avallinien die Liquiditätsversorgung jederzeit sicher. Die Liquiditätssteuerung erfolgt über ein gruppenweites Cashpool-System durch das zentrale Treasury Department.

GEschäftsbericht 2018, Seite 150

Auf Seite 139 des 2018er Geschäftsberichtes unter Punkt 21 (Finanzverbindlichkeiten) kann ich einen tiefen Einblick in die Liquiditätsversorgung Wacker Neusons gewinnen. Ende 2018 also gab es Finanzverbindlichkeiten (Schuldenscheindarlehen) mit einer Restlaufzeit von 1 bis 5 Jahren in Höhe von 213,2 Mio. Euro. In den nächsten 1 bis 5 Jahren müssen also 213,2 Mio. Euro getilgt/an die Gläubiger ausgezahlt werden (CashOutFlow). Auf Seite 141 ist erkennbar, dass es sich bei diesen Verbindlichkeiten in etwa um Schuldscheintranche I in Euro (Fällig im Februar 2022, Nennbetrag 124,9 Mio. Euro) sowie Schuldscheintranche I in USD (Fällig im März 2023, Nennbetrag 77,4 Mio. Euro) handeln muss.

Bei den Bankverbindlichkeiten wurden, laut Seite 140, nur mickrige 2,8 Mio. Euro in Anspruch genommen. Alle in Spalte 2 auf derselben Seite gelisteten, zugesagten „Kreditlinien“, standen Ende 2018 also vollends zur Verfügung (knapp 397 Mio. Euro). Dieses Bild dürfte sich heute, also 9 Monate später, natürlich anders darstellen. Im Mai 2019 wurde ein Schuldschein (langfristiges Darlehen) in zwei Tranchen mit fünf- und siebjähriger Laufzeit in Höhe von 150 Mio. Euro emittiert. Dieses Ereignis spiegelt sich ja auch genau so, wie oben erwähnt, in der Q3-Kapitalflussrechnung wider.

Was nicht per DGAP-Meldung erklärt wurde, sind die 161,4 Mio. Euro „Zufluss aus kurzfristigen Darlehen“, die, woher denn auch sonst, wahrscheinlich aus dem oben erwähnten Kreditlinienpool mit einem Gesamtvolumen von 397 Mio. gezogen wurden. Somit stehen der SE aus diesem Kreditpool nur noch knapp 235 Mio. Euro zur Verfügung. Zusammen mit dem Cash-Bestand von 23,5 Mio. Euro reden wir also von einem Liquiditätspuffer für die kommende Zeit von etwa 260 Mio. Euro.

Resümee

Während ich operativ für Q3 wenigstens schon „schwarze Zahlen“ erkenne kann, sieht es beim Free CashFlow mit -16,5 Mio. Euro weiterhin negativ aus. Warum? Na weil natürlich trotzdem Investitionen getätigt werden müssen (siehe Kapitalflussrechnung Q3-Bericht auf Slide 14 bei „Sachanlagen“ & „immaterielle Vermögenswerten“). Im Zusammenspiel mit den negativen Aussichten für die Kundenbranchen der SE und vor dem Hintergrund, dass es nur vernünftig wäre, im kommenden Jahr keine Dividende auszuschütten, um den Liquiditätspuffer auf- sowie die kurzfristigen Darlehen wieder abzubauen, sehe ich mich heute zu folgendem Schritt veranlasst:


Ad-hoc Update Musterdepot

Ausgehend von meinem kürzlich veröffentlichten Musterdepot-Update verkaufe ich meine 115 Wacker Neuson Aktien zum Kurs von 16,27 Euro. Das Volumen für die Transaktion beträgt 1871,05 Euro, sie kostet mich demnach 18,71 Euro. In toto stellt sich mein Musterdepot nach dieser Transaktion, mit neuen Cash-Bestand und aktuellen Kursen der andere Positionen wie folgt dar:

Musterdepot Tabelle nach Verkauf von Wacker Neuson
Musterdepot Bouvier nach Ad-Hoc-Update im November 2019

Ob die aktuelle Cash-Situation des Konzerns kritisch ist oder ob sich Wacker Neuson zu einer Value-Trap entwickeln könnte, lasse ich einfach mal den Leser entscheiden. Es kann ja immer gut oder schlecht ausgehen. Damit, dass ich mir um die SE nun keine „investierten Sorgen“ mehr machen muss und dazu noch einen kleinen Aktienkursgewinn mitnehmen konnte, fühle ich mich jetzt aber sehr gut.

– Fin –

1 Kommentar

  1. FoxSr

    Guten Morgen, Vincent Bouvier.
    Ihrer Einschätzung schließe ich mich an. Vor 3 Monaten hat ein Erbe der Familie Wacker „Kasse“ gemacht und vorher an der Sonderdividende partizipiert. Etwas Ähnliches hatte ich erwartet und nach der HV meine Wacker Neuson – Aktien sowohl aus dem Privatdepot als auch aus meinem Wikifolio „Aktien im Schlußverkauf“ verkauft.
    Gegenwärtig gibt es interessantere Investments. Wenn Sie Zeit und Lust haben, könnten Sie z.B. die MAN analysieren.
    Schönes Wochenende
    FoxSr

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